Folge 2 - Teil 6: plötzlicher Kollaps

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„Stefanie, du kannst doch nicht jetzt einfach... deine Tochter im Stich lassen. Maja liegt nicht umsonst hier auf der Kinderstation im Krankenhaus.", brüllte Bernd seiner Frau hinterher, als die beiden am Empfang der Sachsenklinik vorbeirasten.

„Und was... Was machen wir mit Nina? Wir können Laura nicht auch noch... Sie ist doch komplett überfordert mit der Kleinen. Warum hat sie uns nach der Geburt von Nina wohl gebeten, dass wir uns um die kleine Maus kümmern sollen?", fauchte Stefanie zurück, doch ihr Mann schüttelte den Kopf.
„Nina ist nicht unsere leibliche Tochter, genauso wenig, wie Laura! Das weißt du genau. Klar braucht uns Nina. Aber Laura kann sich genauso gut um die Kleine kümmern: sie ist ja schließlich auch die leibliche Mutter der Kleinen. Und sie liebt ihre Tochter über alles. Aber du hast Laura ja ihr Baby weggenommen. Genau, wie damals deiner besten Freundin ihr Baby..."

„Ich habe Laura ihre Tochter weggenommen? Ich habe die Kleine gerettet, Bernd. ... Und du hast von Anfang an gesagt, dass du dich auch mit um Nina kümmern willst. Aber bisher kam nichts von deiner Seite. Nicht eine Sekunde hast du daran gedacht, dich mal um Nina zu kümmern.", beschuldigte Stefanie ihren Mann und schob den Kinderwagen des Säuglings durch die offene Eingangstür der Sachsenklinik, die ein junger, sportlich aussehender Mann aufhielt.

„Stefanie! Denkst du neben Nina auch bitte einmal an Maja! Sie liegt hier im Krankenhaus und braucht ihre Mutter und ihren Vater doch auch. Sie ist... Wir beide können vom Glück reden, wenn... Wenn Maja wirklich nur einen gebrochenen Arm hat und der Sturz vom Baum nicht auf etwas schlimmeres zurück zu führen ist.", gab Bernd seiner Frau die Schuld am Zustand der kleinen Maja. „Du hättest dich in den letzten Tagen einfach noch ein bisschen mehr um Maja kümmern müssen. Und nicht nur um Nina."

„Ich kann selber entscheiden, worum ich mich kümmere. Und vor allem, wie lange ich mich um unser Baby kümmere... Nina ist... unser Baby!", keifte Stefanie, doch ihr Mann widersprach ihr sofort: „Stefanie! Jetzt hör mir doch mal zu! Nina ist nicht unser Baby! Sie ist das Baby von Laura und ihrem Schulfreund. Und Laura wird ihre kleine Tochter bald wieder zu sich holen, wenn sie den Stress etwas..."
„Laura wird ihre Tochter nicht mehr sehen; dafür werde ich sorgen.", keifte Stefanie und verschwand.



In der Zwischenzeit meldete sich Dr. Stein bei Lea, die ihre Patientin Laura eben mit Vertretungsoberschwester Ulrike auf die Station gebracht hatte, vor dem Zimmer des Teenagers.
„Frau Dr. Peters? Oberschwester Ulrike hat mich gebeten, nach einer ihrer Patientinnen zu sehen... Sie haben Probleme mit ihrer Patientin... Laura Estelle Falken?", erkundigte sich Martin bei der Neurochirurgin, die sich kurz an der Wand festhielt und den aufgeregten Bewegungen ihres ungeborenen Babys lauschte.

Inzwischen war Lea in der zwölften Woche schwanger und man sah bereits jetzt eine kleinere Wölbung unter ihrem Arztkittel, den sie in wenigen Wochen wohl schon offen tragen musste, um ihren Bauch nicht vor Dienstbeginn abschrauben zu müssen. Lea überlegte immer wieder, warum diese kleine Wölbung schon zu sehen war; war sie doch erst am Anfang ihrer Schwangerschaft...

„Ja, Dr. Stein... Die Patientin ist knapp sechzehn Jahre alt und nimmt seit einigen Tagen Medikamente für den Blutdruck. Ich denke, die Medikation ist für Laura wohl nicht mehr ganz ausreichend."
„Ich schaue mir die Patientin noch einmal an...", versprach Dr. Stein und schnappte sich die Krankenakte von Laura, die ihm seine Kollegin hinhielt. „Kommen sie noch einmal mit zu ihrer Patientin?"
„Ja... Ja, natürlich.", antwortete Lea und folgte ihrem Kollegen sogleich ins Zimmer von Laura.

Die fast Sechzehnjährige lag teilnahmslos in ihrem Bett und blickte, als sich die Tür ihres Zimmers öffnete, in die beiden freundlichen Gesichter von Martin und Lea.

„Hallo Laura... Wie geht es dir?", fragte Lea mit einem besorgten Blick auf die Schülerin, die sich aufzurichten versuchte, es aber nicht schaffte.
„Ich... Ich will immer noch nach Hause, Frau Dr. Peters. Lassen sie mich endlich wieder nach Hause; ich muss mich doch um meine Schwester kümmern.", erklärte Laura mit schwacher Stimme, bevor sich Dr. Stein an ihr Bett setzte und den Puls der Patientin prüfte.
„Ich bin Dr. Stein, Gefäßchirurg. ... Meine Kollegin Dr. Peters hat mich gebeten, dass ich noch selbst einmal nach dir schauen soll.", stellte sich Martin bei der Patientin vor und legte die Hand, an der er Lauras Puls gefühlt hatte, wieder auf die Bettdecke.

„Ein Gefäßchirurg soll ausgerechnet jetzt nach mir schauen? Hat es etwa irgendwas mit ihrem Verdacht zu tun, Frau Dr. Peters? Ich hatte doch außer meinen stressbedingten Blutdruckproblemen keine ernstzunehmenden Herzkrankheiten... Ich bin doch völlig gesund und muss mich nur ein bisschen ausruhen.", wollte Laura von ihrer behandelnden Ärztin wissen und sah geschockt zu ihrer behandelnden Ärztin, die ihre Hand vorsichtig auf Lauras legte.
„Mach dir bitte keine Gedanken, Laura. Du brauchst dir um deine Gesundheit momentan keine Sorgen zu machen. Ich habe Dr. Stein nur hinzugezogen, um herauszufinden, dass wirklich nur deine Medikamente an deinem Zusammenbruch schuld sind. Vielleicht sind die Medikamente falsch eingestellt. Dr. Stein untersucht dich nur genauer und wird anschließend eine Diagnose stellen... Und wenn irgendwas ist, dann helfen wir dir. Du kannst dich jederzeit an mich wenden, wenn irgendwas ist...", erklärte Lea und sah ihre Patientin besorgt an.

Beim Anblick der erschöpften und müden Fünfzehnjährigen spürte Lea immer wieder einen kurzen Stich in ihrem Herzen.
Hatte sie durch ihre Schwangerschaft plötzlich Gefühle für Patienten, die im ungefähren Alter ihrer großen Tochter waren?
Oder war sie durch die Suche nach ihrer Tochter und das Warten auf die Nachricht vom Jugendamt schon so nervös geworden, dass sie nicht mehr klar denken konnte?

Die sichtbare Sorge um ihre Patientin machte der Neurochirurgin so schwer zu schaffen, dass sie den Blick von der Schülerin abzuwenden versuchte.
Doch es funktionierte leider nicht und Lea setzte sich, nachdem Martin aufgestanden war, auf den Bettrand ihrer Patientin. „Mach dir keine Sorgen, Laura. Ich möchte doch nur sichergehen, dass dein Zusammenbruch wirklich nur von deinen schlecht eingestellten Medikamenten kommen.", beruhigte die Ärztin ihre Patientin und sah anschließend zu Martin.

„In Ordnung... Laura, wann haben die Probleme mit deinem Blutdruck denn angefangen?", erkundigte sich der Arzt bei der Fünfzehnjährigen, welche antwortete: „Ich... Ich war das erste Mal mit den Problemen vor gut sechs Wochen bei meinem Hausarzt... Da habe ich diese Probleme angefangen. Aber... Dank den Medikamenten ging es mir schnell besser..."
„Dank den Medikamenten ging es dir also schnell wieder besser... Und du hast die Medikamente ganz sicher ziemlich schnell verordnet bekommen, oder? Wurde ein 24-Stunden-EKG geschrieben oder hat dein Hausarzt bei dir wenigstens ein Belastungs-EKG geschrieben?", erkundigte sich Martin bei der Patientin, während bei der fast Sechzehnjährigen plötzlich die Nase sehr stark zu bluten anfing.

„Sag mal, Laura... Hast du dieses Nasenbluten häufiger?", fragte Martin beim genaueren Blick auf die Fünfzehnjährige, die ihre rechte Hand an ihre Nase drückte und ziemlich panisch auf die sehr starke Blutung reagierte.
„Ich... Nein... Ich habe... Was soll das? Warum habe ich denn plötzlich... Dr. Peters, Dr. Stein... Was ist das?", fragte Laura mit panischer Stimme und wollte schon aus ihrem Bett aufspringen, doch Lea hielt ihre linke Hand fest und versprach: „Wir bekommen heraus, was mit dir los ist. Vielleicht bringen uns schon die Laborwerte auf eine erste Spur, was dir fehlt. Mach dir bitte keine Sorgen..."
„Aber... Ich habe Angst... Was soll das denn, Frau Dr. Peters? Ich habe mich doch jetzt mit niemandem hier geprügelt... Und ich habe auch... Ich hatte...", fragte Laura die Ärztin von großer Angst ergriffen und die Fünfzehnjährige wollte gerade noch einmal au ihrem Bett springen, als ihr Körper in sich zusammensackte und sie bewusstlos in den Armen von Lea hing.

„Laura? Laura, hallo... Sie ist bewusstlos... Der Puls ist extrem schwach... Laura?! Hallo?! Laura, komm mal bitte zu dir... Laura?!" Vorsichtig tätschelte die Ärztin die Wange der bewusstlosen Schülerin, doch Laura konnte sie nicht hören.
„Ich sage Dr. Globisch und Dr. Heilmann Bescheid. Wir müssen dem Labor Druck machen...", wusste Martin und Lea nickte, während sie sich weiterhin um Laura kümmerte.

„Schwester Ulrike... Wir müssen sofort die Eltern von Laura hier haben...", gab Lea als Anweisung an die ins Zimmer stürmende Oberschwester Ulrike. „Die Patientin kollabiert. Wir brauchen die Informationen über die Krankheitsgeschichte von Laura..."
„In Ordnung, ich rufe die Eltern sofort an, Frau Dr. Peters.", antwortete Ulrike und lief ins Schwesternzimmer, während Lea versuchte, die Patientin wieder zu wecken.
„Laura! Laura... Hallo, Laura! Laura! Wach auf, Laura... Hallo Laura!", rief Lea der Patientin, die bewusstlos vor ihr lag, zu und tätschelte vorsichtig die Wange des bewusstlosen Mädchens. „Laura, kannst du mich hören? Hallo, Laura?"

„Herzstillstand...", bemerkte Hans-Peter Brenner, als er seine Finger an die Halsschlagader des Mädchens legte und spürte, dass der Puls fehlte.

„Wir verlegen die Patientin auf die Intensivstation...", gab Lea als Anweisung, doch vorher versuchte sie, mit einer kräftigen Herzdruckmassage, die bewusstlose Laura wieder ins Leben zurück zu holen. „Komm... Laura, komm wieder... Komm, Mädchen. Du musst jetzt mitarbeiten. ... Du bist doch noch so jung... Komm, arbeite mit. Du musst jetzt hier um dein Leben kämpfen..."

Als sie die Fünfzehnjährige wiederbelebte, spürte Lea ab und an einen Stich in ihrem Herzen. Es fühlte sich für die Ärztin so an, als würde sie in dem Moment ihr eigenes Kind wiederbeleben müssen. Als würde sie um das Leben ihres kleinen Mädchens kämpfen.
Vom Alter kam es hin; Laura war seit einem Monat fünfzehn Jahre alt. Sie hatte lange, blonde Haare und interessierte sich vermutlich sehr für Medizin.
Warum sonst wusste Laura während der Einlieferung von Maja, ihrer erst sechs Jahre alten Schwester, die genauen Übersetzungen der Diagnosen.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass du dein Leben ausgerechnet jetzt wegwerfen willst... Komm, du musst jetzt wieder zu dir kommen. Wach auf, Laura... Herr Brenner, wir brauchen sofort den Defibrillator...", wandte sich Lea, die Lauras Herz noch immer nicht wieder zum Schlagen gebracht hatte, an den Medizinstudenten im praktischen Jahr.

Der Zustand von Laura wurde von Sekunde zu Sekunde immer schlechter und Lea betete innerlich, dass sie es schaffte, Laura wieder ins Leben zu holen. „Laura! Komm, du musst wieder zu dir kommen... Kämpfe... Du musst kämpfen, Laura... Komm, du musst kämpfen... Laura, bitte komm. Komm, Laura. Du musst jetzt dein Herz wieder schlagen lassen. Du musst kämpfen... Laura, komm. Wir wissen doch in wenigen Minuten, was mit dir los ist... Du musst jetzt wieder zu dir kommen und weiterleben wollen. Laura, komm bitte..."



Zur gleichen Zeit hatte Schwester Ulrike die Telefonnummer von Lauras Eltern aus der Krankenakte der fast sechsjährigen Maja herausgesucht und versuchte nun, die Mutter der beiden Mädchen zu erreichen.

„Stefanie Falken...", meldete sich eine genervt klingende Frauenstimme. Stefanie, die sich mit Nina und ihrem Mann Bernd wieder zuhause eingefunden hatte, wollte jetzt nicht wirklich telefonieren, doch ihr Mann hatte sich durchgesetzt und ihr gesagt, sie solle ans Handy gehen.
„Frau Falken. Hier ist Schwester Ulrike, Sachsenklinik Leipzig. Es geht um ihre Tochter...", eröffnete Schwester Ulrike das Gespräch mit den Eltern von Laura und deren sechsjähriger Schwester Maja.

Stefanie, die nur noch an ihre sechsjährige Tochter dachte, hatte bereits ganz vergessen, dass Laura noch im Krankenhaus war und so fragte sie besorgt: „Es geht um... um unsere Tochter... Ist irgendwas mit Maja?"
„Nein, mit Maja ist alles in Ordnung, Frau Falken. Es... Es geht um ihre große Tochter Laura. Sie ist vor wenigen Minuten im Zimmer ihrer kleinen Schwester ohnmächtig zusammen gebrochen. Frau Dr. Peters hat sie stationär aufgenommen und würde gerne mit ihnen sprechen. Sie sollten kurz nach Laura schauen. ... Unser Oberarzt Dr. Stein möchte auch noch mal mit ihnen über die Medikamente, die Laura nimmt, sprechen."

„Medikamente? Meine Tochter Laura Estelle nimmt doch keine Medikamente, Schwester... Ulrike. Was reden sie denn da?", fuhr Stefanie die Krankenschwester am Telefon an, doch Ulrike erwiderte: „Ihre Tochter nimmt wohl seit einigen Wochen blutverdünnende Medikamente, die ihr von ihrem behandelnden Hausarzt verschrieben wurden. Dr. Peters und Dr. Stein haben aufgrund des schlechten Zustandes die stationäre Aufnahme ihrer Tochter angeordnet."

„Ich... Ich habe aber gerade keine Zeit für Laura...", gab Stefanie als Antwort und wollte gerade das Telefonat mit Schwester Ulrike beenden, da bat Ulrike noch einmal eindringlich: „Bitte, Frau Falken. Ihre Tochter braucht sie jetzt. Sowohl Maja, als auch Laura. Die beiden sind auch noch da. Sie können sich nicht nur um ihre jüngste Tochter kümmern."
Doch da wurde auch schon das Telefonat beendet...

Leas BabyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt