Kapitel eins

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Tanzende Spiegelungen in flirrender Hitze untermalten jeden der sprintenden Schritte. ‚Noch vier Minuten, das schaffst du locker!' Ein schweifender Blick vom Handgelenk, über den gleißenden Asphalt, hin zur kühlen Sicherheit des Bahnhofsgebäudes, zum Versprechen auf kalte Getränke im abgedunkelten Zimmer, erfrischendem Wasser auf erhitzter Haut und Ruhe vor wütendem Stadtgetümmel, welches sich unter lautem Hupen und Rufen der Sehnsucht nach Abkühlung Luft zu schaffen versucht.

Die Frequenz des Taktes, des klappernden fast klatschenden Geräusches, der leichten Sommersandalen erhöhte sich noch einmal, als die langen Schatten des imposanten Gebäudes mich willkommen hießen. Mit einem erleichterten Keuchen rannte ich durch die offenstehende Tür, ließ meinen Blick über die Anzeigetafeln gleiten und stellte zufrieden fest, dass keine rote Schrift meine Zug als verspätet oder dergleichen ankündigte. So rannte ich noch einige Schritte weiter, bis mich etwas abrupt stoppen ließ.

Nach den gleißenden Sonnenschein des spiegelnden Asphalts und Hochhausfronten, fiel es meinen Augen schwer sich ans trübe Zwielicht des alten Gebäudes zu gewöhnen und so spürte ich die Gefahr viel mehr, bevor ich sie wirklich sah.

Was mich anhalten ließ war eher das Fehlen von Geräuschen, als das Lied des sonstigen Treibens.

Mit ängstlich zusammengekniffenen Augen erfasste ich zwei Fronten von Menschen, die die beiden Seiten des Tunnels zu den Gleisen säumten. Die eine in rot-weißen Trikots, Schals und Kriegsbemalung gewandet, die Gegenfront in grün-schwarz und weiß.

Am Rande dessen gab es eine weitere Front, die beide Parteien säumte und in vielsagender Stille noch voneinander zu trennen vermochte. Scharf sog ich die bis zum zerreißen, von Spannung erfüllte Luft ein, als mir bewusst wurde in was ich beinah hineingeraten war. Die angespannte Stimmung knisterte geradezu sichtbar, während sich die noch schweigende Menge der Rivalen anstarrte.

Einige, eilige Passanten ließen sich vom drohenden Kriegsschauplatz nicht abschreckten und eilten an den Massen vorbei in Richtung ihrer Gleise. Es schien als wären sie unsichtbar für die rivalisierenden Parteien und nur ein paar der dunklen Gestalten der dritten, offensichtlich neutralen Partei, schien sich an ihnen zu stören.

Leise, gemurmelte Worte wie „Gleis Umstellung, Lagen Planänderung und Einsatzbefehle", von einer Person der in schwarz gekleideten und vollkommen vermummten, dritten Partei, drangen in mein Bewusstsein. Sie gehörten ganz offensichtlich einer Hundertschaft der Polizei und irgendetwas schien die Funkende Person vor mir zu verunsichern.

Ich schluckte hart.

Samstag Nachmittag, der nächste Zuge fuhr erst in 2 Stunden bis zu meinem Dorfbahnhof durch, auch der Anschlussbus würde Wartezeit in flirrender Nachmittags Hitze bedeuten. Alles in mir schrie mich an, die Gefahr zu ignorieren, es den Wenigen gleichzutun und zu versuchen meinen Zug zu erreichen, der in weniger als 3 Minuten planmäßig den Bahnhof verlassen würde.

Es blieb keine Zeit mir über die ersten fliegenden Flaschen Gedanken zu machen, als meine Füße entschieden, dass es sicher genug sein könnte und zum lauten Schrei der entsetzten Vernunft in meinem Großhirn, loszurennen begannen.

Es dauerte nicht eine Sekunde, bis ich diese Entscheidung bitterlich bereute, denn, als wäre das Klatschen der Riemchensandalen auf den hallenden Fließen ein Zeichen, begannen die Fußballfans in einem beinah vereinten Kriegsgeschrei, aufeinander loszugehen.

Die Hundertschaften die sie bis Dato im Zaum zu halten vermochten versuchten ihr bestmögliches, das Kampfgetümmel so schnell wie möglich zu unterbinden, schoben wutverzerrte Gesichter mit Schilden von sich, ließen mit Hilfe von Handfesseln, Handgelenke kampfunfähig werden, drängten Körper mit großer Kraft zurück.

Wunsch & WilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt