Kapitel hundertsechundachtzig

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Orientierungslos stellte ich fest, dass ich eingeschlafen sein musste, denn als ich das nächste mal die Augen aufschlug, sah ich den ersten hellen Schimmer hinter den Wipfeln des Waldes, den Himmel erobern. Müde rieb ich mir übers Gesicht und erhob mich langsam. Noch immer lag der Parkplatz verlassen da, was mich zugleich erleichterte, wie einen Hauch der Trauer in mir hervorrief, der mich sofort ärgerte.

Nachdem ich mir meine Stiefel angezogen hatte verließ ich den Wagen, im dringenden Wunsch mich zu erleichtern. Im Wagen hatte ich kaum gemerkt, wie kalt es eigentlich war, so das ich zitternd aus dem Wald zurück ans Auto trat und erstarrte. In der Dunkelheit der gerade erst erwachenden Sonne machte ich einen Wagen neben dem Meinen aus. Ich kannte ihn nicht, doch soweit ich es sehen konnte, war das hintere Nummernschild nicht gelb sondern weiß wie der Wagen selbst. Selbst wenn Caspar ein Spielzeug hätte, dass ich nicht kannte, so wäre es mit Sicherheit kein Weißes und Roland besaß nur zwei Autos wovon das eine der Jeep war, welcher dort neben dem weißen... Mercedes? Stand. Eine relativ kleine, aber eindeutig männliche Gestalt verließ den hellen Wagen und umrundete langsam den Meinen. Einem Bauchgefühl folgend hatte ich den Jeep, bevor ich ihn verließ verschlossen und trug so logischerweise den Schlüssel bei mir und so blieb der Versuch der Gestalt erfolglos die Tür zu öffnen, an deren Griff der Mann rüttelte.

Mit rasendem Herzen drückte ich mich an einen der Kiefernstämme neben mir, versuchte eins mit der Dunkelheit des Waldes zu werden, als er den Versuch aufgab, den Wagen umrundete und in meine Richtung blickte. Den Kopf schüttelnd trat er an die Beifahrerseite des hellen Wagens und beugte sich vor. Ich hörte ihn kaum von meiner Position aus, doch schien er mit jemanden zu sprechen. Diese Ablenkung nutzend zog ich mich tiefer in den Wald zurück, versuchte möglichst geräuschlos sicheren Tritt auf dem noch finsteren Waldboden zu finden, was mir nur schwer gelang. Leider verlor ich dadurch auch den Wagen aus dem Blick, der so ungünstig hinter meinem stand, dass ich nicht länger sah, was dort hinter mir geschah. Es war mir gleich. Hecktisch sah ich mich um und entdeckte in einiger Entfernung einen entwurzelten Baum, dessen flache Wurzeln sich riesig in die Höhe reckten und mit der Erdschicht einen großen Sichtwall bildeten. Tief duckte ich mich dahinter und unter den Stamm, versuchte mich soweit es ging zusammenzukauern und lauschte in die Dunkelheit. Nichts war zu hören, doch ich verharrte eine ganze Weile regungslos. Augenblicklich erstarrte ich, als sich, trotz der vermeintlichen Sicherheit des umgestürzten Stammes, eine lederbehandschuhte Hand von hinten über meinen Mund legte und eine mir unbekannte Stimme raunte: „Sie haben zwei Möglichkeiten, entweder sie folgen mir leise und ich bringe sie in Sicherheit, oder sie warten bis ihr Mann sie findet. Es sind eine Menge Leute hier um sie zu suchen Signora. Behutsam nickte ich, zum Zeichen, dass ich verstanden hatte und erhob mich zaghaft aus meinem nicht ganz so sicheren Versteck.

Er ließ die Hand von meinem Mund sinken und bot sie mir dann dar, damit ich über den Stamm klettern und ihm folgen konnte.

Schnell und so leise wie möglich trat ich hinter ihm her, versucht, im Licht der, an Kraft und Helligkeit gewinnenden Sonne, so geräuschlos wie möglich durch den Wald zu huschen. Als wir den Wagen erreichten öffnete er den Kofferraum und ich erstarrte zum zweiten mal, schüttelte wild den Kopf, doch er drückte mich in die Knie und flüsterte. „Er ist so abgeschirmt, dass man ihr GPS nicht finden kann, es gibt keine andere Möglichkeit, wenn sie nicht sofort zu ihrem Mann zurückkehren wollen Signora. Ich weiß sie kennen mich nicht, aber bitte vertrauen sie mir, Daniello will nur, dass sie die Freiheit haben, selber zu entscheiden was sie möchten, aber sie müssen sich jetzt beeilen!"

Mit deutliche widerstrebendem Gefühl musterte ich den Mann kurz, der mir nie zuvor begegnet war und atmete dann tief, eh ich in den Kofferraum glitt.

„Es ist nur zu ihrer Sicherheit, im Fahrgastraum würde man sie viel zu schnell sehen und vor allem orten können." Flüsterte er, während er langsam die Klappe schloss. Die Augen schließend nickte ich und versuchte mir selber Mut zuzusprechen, was mir nur schwerlich gelang.

Wunsch & WilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt