Nur in Shorts und T-Shirt bekleidet rannte ich die Stufen hinab und stolperte natürlich beinah über den fauchenden Schatten, der mir einen weiteren Kratzer, diesmal am Knöchel, verpasste. Fluchend riss ich die Tür auf und sah mich einem missmutigen Paketboten gegenüber der mich mit einem mehr als unfreundlichen
„AUSWEIS!" begrüßte. Eulenhaft versuchte ich mir den Schlaf aus den Augen zu blinzeln und murmelte ein: „Guten Morgen auch ihnen", während ich in meinem Portemonnaie nach meinem Ausweis kramte. Er studierte ihn kurz, glich eine Nummer ab oder dergleichen und reichte mir wortlos Paket und den Ausweis zurück. „Vielen dank und einen angenehmen Tag wünsch ich ihnen", grummelte ich ihm passiv aggressiv hinterher, freute mich aber viel zu sehr über das angekommen Paket, als das ich noch groß einen Gedanken an den Boten verschwendet hätte.
Aufgeregt zog ich das Smartphone aus dem Karton und strahlte, einem kleinen Kind unter dem Weihnachtsbaum gleich, über die aufleuchtende Display, als ich es einschaltete. Schnell richtete ich die wichtigsten Kontakte und notwendigen Apps ein. Natürlich die Nummer auf meinem Unterarm, die dort zwar mittlerweile abgewaschen, in meinem Hirn jedoch eingebrannt war, zuerst. Ohne Zeit zu verschenken schickte ich die erste Sprachnachricht, von sicherlich vielen weiteren, an ihn.
"Lena hier, das ist mein neues Mobile. Ich werde aus deinen Nachrichten nicht schlau aber ich weiß wo du bist und ich werde dich jetzt suchen kommen. Deine Drohung von gestern gilt auch für dich. So einfach lass ich dich nicht davon kommen. Als Spielzeug für gelangweilte, reiche Kinder eigne ich mich überhaupt nicht. Ich weiß nicht was Du mit mir machst wie und warum aber Du wirst mir eine Menge Fragen beantworten Roland Frederik Gustav von Binnenberg!"
Bewusst wählte ich die gleiche Betonung seines Namens, wie seine Mutter, die offensichtlich einen solchen Einfluss auf ihn hatte, dass er ihr bedingungslos zu gehorchen schien. Ich wette meine Eltern hätten sich nur ein Prozent dieser Magie für mich gewünscht, ihr Leben wäre deutlich leichter gewesen, was mich betraf.
Eilig versorgte ich die Hexe bevor ich ins Bad rannte, um mich der Welt wieder unter die Augen trauen zu können und buchte mir schon auf dem Weg hinein, einen Mietwagen. Zu meinem Glück hatte ich ja an einem Abend mehr Geld verdient, als sonst in vier Monaten, da war ein spontanes Auto für ein Wochenende schon drin.
Als ich aus der Dusche trat fiel mein Blick auf das Display meines Handys und blinzelt erstaunt über das Nachrichtensymbol. Hastig trocknete ich zumindest meine Hände ab, um die Nachricht aufzurufen. Sie kam von der gleichen Nummer die auch die elektronische Nachricht aufs Festnetz gesprochen hatte und beinhaltete nur ein einziges, in großen Lettern prangendes Wort.
NEIN!
Trotzig starrte ich das überdimensionierte Wort an und stieß ein zischendes "Pffft"aus. "Dann versuch mich mal davon abzuhalten." Ich rubbelte mich trocken und sprang in Slip, Sommerkleid und Sandalen. Eigentlich war ich überhaupt kein Kleidchen Typ, aber der Sommer hielt uns auch weiterhin unbarmherzig in seinem Griff und ließ kaum andere Kleidung zu.
8:45 Uhr
Noch mehr als dreißig Minuten Zeit, mich auf mein Rad zu schwingen und zur Mietwagenfirma zu radeln. Hastig sammelte ich etwas Verpflegung, bestehend aus einer halb vertrockneten Fertigwaffel, einer halben Gurke die ich in Sticks schnitt und 4 großen Flaschen Wasser. Die von Jules herausgefundenen Koordinaten zog ich mir aufs Handy, verabschiedet mich von der nun teilnahmslos auf der Treppe liegenden Katze und machte mich auf den Weg, ein paar Antworten zu finden.
9:19 Uhr
Beinah auf die Minute Pünktlich schloss ich mein Fahrrad auf dem Gelände an, erledigte den notwendigen Papierkram und kaum fünf Minuten später saß ich hinter dem Steuer eines kleinen Skodas, um mich in Richtung der Niederländischen Grenze zu begeben. Im Radio lief zu irgendeinem Thementag passende Musik aus den Neunzigern, zu der meine Mutter sicher mitsingen konnte. Ich fand sie ganz unterhaltsam, war aber viel zu sehr damit beschäftigt mich aufs Fahren, im unbekannten Wagen, auf unbekannterer Strecke, zu konzentrieren.
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Wunsch & Wille
ChickLitWas geschieht wenn man, nur um einen Zug zu erreichen, kopflos in eine Horde rivalisierender Fußballfans stolpert? Richtig, man gerät in Gefahr. Doch, dass diese Gefahr nicht von den Fans ausgeht, merkt Lena erst, als es schon längst zu spät ist. (K...