Kapitel zweiundsechzig

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Das erste dunkel Violett kündigte den Morgen in weiter Ferne an, als ich mich aus dem Bett stahl. Nicht, dass ich von dem geliebten Menschen, in dessen Armen ich die Nacht verbracht hatte weg wollte, ich musste einer neuerlichen Sucht folge leisten. Da es mir fern lag, diese Menschen in unserem Bett zu wecken, trug ich meine Sachen nicht hoch, sondern brachte eine der riesigen Leinwände auf die Staffelei und grundierte sie in zarten grün, hellen mint Tönen. Es waren genau die Töne, die das Licht durch unser Glasdach ins Schlafzimmer malte. Es dauerte nicht lange, da hatte ich unsere Einrichtung angedeutet, mich, mit dem Fokus auf den Hocker über Jesper gebracht, meine Füße von ihm gehalten und liebkost, während Annabelle, tief in seinen Schoß gebeugt, seinen Schwanz zwischen ihre Lippen gleiten ließ und der Mann, der die ganze Szenerie zu beherrschen schien, hinter ihr seinen Becken gegen das der Gebeugten stieß.

Bis jetzt weiß ich nicht was meine Hand führte, aber jedes Gesicht drückte das tiefste Innere eines Jeden aus, jedes Paar Augen leuchtete in einer anderen Lust, aber alle in vollkommener Erfüllung.

In Rolands Blick lag Genugtuung, Stolz, Stärke, Macht und erfülltes Verlangen.

In Annabelles Antlitz lag eine Mischung aus tiefster Befriedigung, Glück, angenehmer Angst und Verlangen nach mehr.

Caspar, der nun endlich Jesper sein durfte zeigte sich in einem Licht, das noch nie auf ihn fiel. Zerbrechlich, vollkommen, glückselig, erfüllt und ja... ganz. Da war kein dunkler Schatten, keine Raben oder Sukubusschwingen, Kein Mann dessen ganzes Sein schrie:

„Schau mich an Welt! Schau mich an und bewundere mich, sieh meine Schönheit! Begehre mich und folge meinen Worten!"

Nein, unter den Füßen der blonden Frau, die erfüllt die Szenerie betrachtete, lag ein hübscher und vollkommen echter junger Mann der froh schien, dem anerzogenen Selbst entkommen zu sein.

Fassungslos betrachtete ich das Werk meiner Hände und weinte, weinte um das Leid des Jungen, das nun vorbei war, weinte um das Leid das er, auch mir, gebracht hatte und weinte vor Glück, Teil dieses Bildes gewesen sein zu dürfen.

Starke Arme umfingen mich, ein bärtiges Gesicht schmiegte sich an meines und er hielt mich fest an sich gedrückt.

„Wenn Du Deine Bilder je benennen solltest, dann wäre das für mich Heilung." Zustimmend nickte ich und fragte leise: „Warum?". Er deutete zu meiner Überraschung auf mein Gesicht.

„Siehst Du ihre Erfüllung? Nichts an ihr spricht von der Frau die im Käfig vor meinen Augen misshandelt wurde, von dem Monster, welches nun endlich der Mann sein darf, der ihr die Füße leckt. Sie wirkt ausgeglichen, glücklich, ganz. Da ist kein Schatten, kein Zweifel oder Zorn, nur Glück, Glück für sich und glücklich über die Menschen um sie und ich weiß, wie sehr sich dieses Glück noch vertieft, wenn ihr Blick auf das Ende der Szenerie, auf diesen Mann fällt, denn ich durfte es sehen. Du bist so unfassbar tapfer und stark meine Königin und ich könnte stolzer nicht sein, mich Dein Mann nennen zu dürfen." Nachdenklich musterte er mich eine Weile schweigend.

„Aber Du hast nicht dich beweint, oder?", sacht wiegte ich den Kopf: „Doch, auch ein bisschen, aber es war nicht mein Gesicht das mich zum Weinen brachte."

Er nickte nachdenklich und fuhr fort: „Für Dich ist es Jesper, der nicht mehr Caspar sein muss, richtig?" Neuerlich nickte ich, eh ich beinah tonlos raunte:

„Denkst Du es wird ihn brechen, wenn ich ihn zwinge mir zu helfen, den Abschaum auszulöschen?" Tief atmete er ein, sog den Duft meiner Haut in sich auf eh er leise sprach: „Willst Du das denn? Ich meine, willst Du es wirklich? Versteh mich nicht falsch, ich unterstütze Dich bei jeder Deiner Entscheidungen aber wirst Du noch Du sein, die Du jetzt bist, wenn Du all das Blut an Deinen Händen trägst?"

Wunsch & WilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt