Kapitel hundertdreiundzwanzig

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Schlagartig erwachte ich beim Geräusch der Tür und sah, dass schon Tageslicht hoch vom Himmel in meine Zelle fiel. Mir blieb keine Zeit zu überprüfen, ob der Pin noch in meinem Haar steckte, als mich vier Hände packten und aus dem Bett zerrten. Trotz stöhnenden Protestes meines geschundenen Körpers, wurde ich ohne Rücksicht aus meiner Zelle geschleppt, ob ich selber lief oder nicht schien meinen Häschern vollkommen egal zu sein. An unzähligen Zellentüren vorbei, schleppten sie mich durch lange Flure und viele Treppen hinab, bis wir offensichtlich im Kellergeschoss des riesigen Gebäudes angelangten waren. Mit einem unheilvollen Quietschen öffnete sich die schwere, metallen Tür und vor mir eröffnete sich, in völliger Dunkelheit liegend, ein große Raum. Zumindest sprach der Hall der Tür davon, dass es keine kleine Zelle war, die sich vor mir befand. Ohne weiteres Zögern stieß man mich in die Dunkelheit und scherte sich nicht darum, dass ich wimmernd auf Händen und Knien aufschlug.

Die Dunkelheit in welcher man mich zurückließ schien beinah vollkommen und schürte unfassbare Angst in mir. Nicht wagend mich zu bewegen, lauschte ich in die Dunkelheit und vernahm von Ferne leises Kettenklirren und schmerzvolles Stöhnen, dass mich bis ins Mark erschütterte. Angstvoll kauerte ich mich zusammen, umschlang meine Knie und verbarg den Kopf unter den Armen. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass dieses unheilvolle Stöhnen vielleicht von meinen Freunden stammen mochte, doch es klang viel zu weit entfernt, als dass ich mich traute, durch die unbekannte Dunkelheit zu kriechen. Wie Gelähmt verharrte ich gefühlte Stunden, bis das bekannte Knacken des Lautsprechers die Stille zerriss:

„Heute mein Engel, ist der erste Tag Deines neuen Lebens." Erklang die Stimme des „Vaters" und bescherte mir eine ekelhaft kribbelnde Gänsehaut.

„Gestern und vorgestern ging es darum Dich zu brechen und Dich auf meinen Pfad zu führen und ich muss gestehen, ich bin ein bisschen traurig darüber, wie fügsam Du bist und dass es nicht mehr brauchte, um Dich zu unserem Herrn zu führen und damit für mich empfänglich werden zu lassen. Aber ich freue mich auch darüber, dass Du so schnelle Fortschritte machst, denn desto schneller wir Dich reinigen, desto mehr Zeit bleibt uns füreinander und so mehr Kinder wirst Du unserem Herrn schenken können.

Doch bevor wir darüber sprechen wie sich unsere Zukunft gestaltet, möchte ich, dass Du mir zeigst, dass Du Deine Sünden wirklich bereust und bereit bist die Dämonen zu bekämpfen, die Dich in ihre dunkeln Schwingen ziehen wollen."

Schwach und zitternd wagte ich nicht mich seinen Worten zu widersetzen und begab mich auf die Knie.

„Ich werde alles geben, damit Du mich anerkennen kannst Vater." Sprach ich leise, den Blick in der Dunkelheit aufgewandt. Mir blieb nur die Hoffnung, dass man das Zittern meiner Hände nicht richtig deutete, als ich begann meinen Dutt zu richten, um zu überprüfen, ob ich den Metallpin in der Nacht verloren hatte. Erleichtert stellte ich fest, dass er noch da steckte, wo ich ihn verborgen hatte.

Grell flammte Licht auf und was ich zu, aus von der plötzlichen Helligkeit tränenden Augen zu sehen bekam, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.

Jules, Caspar und Jacob waren in großer Entfernung, mir gegenüber auf der anderen Seite des großen Gewölbes an die Wand gekettet worden und alle drei wirkten eher tot als lebendig. Kraftlos hingen sie in schweren Eisenketten und waren kaum mehr fähig sich zu regen. Caspar und Juls Hand war blutig und selbst aus der Entfernung erkannte ich, dass ihnen jeweils ein Finger fehlte. Alle drei hatten vollkommen zerschlagene Körper und Gesichter, zugeschwollene Augen, aufgeplatzte Lippen. Auch schienen sie so lange geschlagen worden zu sein, dass es kaum einen Fleck auf ihrer Haut gab, der nicht von riesigen Hämatomen oder blutigen Wunden bedeckt war.

Panisch zuckte ich zusammen, als die Unheilvolle Stimme erneut aus den Lautsprechern in mein Bewusstsein schnitt:

„Du siehst vor dir ein Pult, ja mein Engel?" Zaghaft nickend sammelte ich meine Kräfte, riss mich vom Anblick meiner Freunde los und atmete tief. Mir wurde bewusst, dass ich nun wirklich überzeugen musste, wenn wir noch irgendeine Chance haben sollten, hier irgendwie herauszukommen.

Wunsch & WilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt