Kapitel hundertsieben

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Caspar saß an seinem Flügel und spielte, was die Wangen meiner Frau Mama neuerlich zum glühen brachte. „Hast Du ihn schon einmal singen gehört?" flüsterte sie mir leise zu. „Es ist so herzerwärmend." Ein Grinsen lag auf meinen Lippen. „Ja ich weiß, seine Stimme ist wirklich einmalig."

Ohne ein weiteres Wort ließ ich mich neben Caspar an meiner Harfe nieder und stimmte in sein beschwingtes Spiel ein. Es war schön zu beobachten, wie unsere Gäste zueinander gefunden hatten, sich angeregt unterhielten und einfach einen entspannten Abend unter Freunden verbrachten, an welchem die Zeit wie im Flug verstrich.

Leise Wehmut erfasste mich, als der Großteil unserer Gäste den Heimweg antraten, doch ich fühlte mich auch glücklich, endlich ungestört mein Atelier erkunden und nutzen zu dürfen. Nun, da es lange schon dunkel war, sah man eine weitere Besonderheit des Glashauses. Zum einen glomm das Blau des Bodens in einem angenehmen Licht und zum anderen erstrahlten die Schienen, ja selbst die Scheiben in der Helligkeit, die man nur als angenehm hell bezeichnen konnte. Roland zeigte mir wie und wo ich Lumen-zahl und Lichtfarbe einstellte, wie ich einzelne Elemente anwählte und so positionierte ich meine erste Leinwand. Den Blick auf mich geheftet, legte Roland die Hälfte seines Anzuges ab, die den Oberkörper bedeckt hatte und begab sich bäuchlings zu Annabelle auf eine der Liegen, während diese mir, mit einem sachten tippen auf die Trennscheibe die Sicht nahm.

In mein Tun vertieft, begann ich die Leinwand im leuchtenden Bodenblauschimmer zu grundieren, als ich sah wie Andrei zu ihnen trat. Traurig zog ich eine Schnute, wissend das diese ungesehen blieb und begann die Umrisse meines Mannes auf die Grundierung zu bringen. Das Alleinsein schnell vergessend, stellte ich mich selber der Herausforderung, Rolands Tattoo zu malen, ohne die geringste Ahnung zu haben, was er sich stechen lassen würde.

Vollkommen versunken merkte ich kaum, wie Damian sich zu meinen Füßen niederließ und schweigend mein Tun betrachtete. Erst als ich die stechenden Augen meines Kriegers malte, wurde mir bewusst, dass der Mann, dem meine Liebe galt, Annas und meine erste Arbeit hier war und fand es nur gerecht, wo er diesen Bau doch in Auftrag gegeben und mit entworfen hatte.

Wie selbstverständlich begann ich ein Hautbild auf seinen Rücken zu zeichnen. Es war eine technisch stilisierte Version des Wolkendrachens, der grünes Feuer spie, welches auch zwischen den Schuppen seiner Brust zu erkennen war. Er Blickte den Betrachter seitlich an und an seiner Flanke, umrahmt vom Schwanz der Bestie, fletschte ein dunkler Wolf die Zähne. Hautbilder zu beschreiben, ohne dass man sich etwas kitschiges vorstellt, vermag ich nicht, aber das riesige Tattoo sprach nicht von Kitsch und wirkte eindrucksvoll auf mich.

Erst als ich den Pinsel sinken ließ erhob Damian leise die Stimme: „War er zornig?" fragte er beinah schüchtern. Ich wischte mir die beschmierten Hände ab und zog vorsichtig den Kittel aus, um mein Kleid nicht doch noch zu beschmutzen, dann ließ ich mich zu ihm auf den wunderschönen Boden sinken.

„Lass mich Dir eine Gegenfrage stellen: Was hat er gesagt, als er Dich begrüßt hat?" Damian errötete sacht und senkte den Blick. „Ich vermisse Dich mein Schatz, ich hoffe sie behandeln Dich gut und Du gibst mir keinen Grund Dich strafen zu müssen." Behutsam nahm ich seine Hand in meine und er schloss für einen Moment lächelnd die Augen. „Den Teil mit der Strafe hat er mir nicht gesagt, trotzdem finde ich, klingen seine Worte sehr liebevoll. Mach Dir nicht zu viele Gedanken, Du hast alle Zeit der Welt herauszufinden was Du möchtest." Er erwiderte mein Lächeln und nickte mit erleichtertem Gesichtsausdruck.

Caspar trat wortlos zu uns, er hielt einige Dinge in der Hand die ich nicht erkennen konnte. Schweigend stellte er sich hinter mich, griff mit einer schnellen Bewegung meine Hände und fixierte sie hinter meinem Rücken.

Protestierend rief ich: „Sag mal tickst Du noch sauber? Was..." Er schob mir einen Knebel zwischen die Lippen und würgte so meine Worte ab. Entsetzen lag in meinem Blick, ich erhob mich, wandte mich zu ihm um, funkelte ihn an, schrie unartikuliert in den Knebel und versuchte nach seinem Fuß zu treten. Von einem Moment auf den Anderen war meine, vom Malen hervorgerufene Entspannung verflogen und Adrenalin rauschte durch meine Venen. Drohend hob Caspar eine Braue, sprach noch immer kein Wort und funkelte mich an. Dann hakte er eine Kette in meinen Reif und riss mich auf die Knie zurück. „Bleib!" war das Einzige was er bis dahin sagte und ich hielt in meinem Kampf inne als ich die bekannte Kälte darin vernahm.

Wunsch & WilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt