Kapitel fünfundsechzig

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Dunkelheit umgab mich, als ich die Augen aufschlug. Darin lag keine Angst, keine Beklemmung. Der ruhige Atem des Mannes, der mich noch immer hielt drang beruhigend an mein Ohr und noch etwas anderes, etwas, dass ich zunächst nicht zuzuordnen vermochte. Angestrengt lauschte ich in die graue Dunkelheit unseres Schlafzimmers. Klaviermusik? Aber viel zu leise um unten aus dem Salon zu kommen... aber doch, es waren eindeutig die schwingenden Saiten eines Klaviers, wenn auch aus weiter Ferne. Mir war nur ein einziges Klavier auf dieser Insel bekannt und dies befand sich im Salon, doch dafür war die Musik viel zu leise. Behutsam löste ich mich aus Rolands Armen, trat möglichst geräuschlos aus dem Bett und betrachtete es. Die Umrisse zweier Menschen waren darin zu erkennen, Roland, neben dem ich noch gerade gelegen hatte und Annabelle, deren wilde Dreads tentakelgleich das Bett einnahmen.

Ich hörte genauer hin. Wenn das Jesper war der dort spielte, wo zur Hölle hatte er das Klavier hingebracht, dass es so leise war. Lautlos schlich ich dir Treppe hinab und sah ihn am ende des Raumes. Mir war nicht klar, dass man die Lautstärke eines mechanischen Instrumentes so weit dämpfen konnte. „Warum ist es so leise?", flüsterte ich vorsichtig, um ihn nicht zu erschrecken. Behutsam bettete ich die Hände auf seinen Schultern und spürte ihn trotzdem zucken, eh seine Stimme sich ebenso leise in sein Spiel hob. „Komm her, ich zeig es Dir."

Von Nervosität ergriffen kniff ich die Augen zusammen, als er mich ohne Herrin ansprach, trotzdem trat ich langsam näher. Fest Griff nach meinem Handgelenk und zog mich, ohne Chance auf Gegenwehr, auf seinen Schoß. Widerwillig ließ ich es zu, allerdings war mein Körper deutlich gespannt. Er setzte meine Füße auf eines der Pedale. „Das Mittlere reguliert die Lautstärke.", langsam glitten seine Fingerspitzen über die Innenseiten meiner Schenkel, hinterließen eine unwillkommene Gänsehaut, während er meinen Fuß auf das linke Pedal hob. „Das nimmt die Lautstärke noch weiter." Sein Becken hebend schob mich hoch, als er sich vom Hocker stemmte. Wieder nahm er meine Hände, nachdem er seine Fingerspitzen meine Arme hinabgleiten ließ und legte sie an die Kante des offenen Klavierdeckels. Weit beugte er sich zu mir und deutete in den Kasten. „Siehst Du es? Ich habe Handtücher auf die Seiten gelegt, sie können nicht schwingen." Die Spannung meines Körpers erhöhte sich noch einmal, als er langsam den Klavierdeckel schloss. Ich wollte meine Finger wegziehen, aber er war schneller. Erschrocken schrie ich auf, als der Schmerz mich durchfuhr. „Du musst besser werden, sie glauben dir nicht, wenn Du nicht besser wirst, wirst Du uns verraten, willst Du wieder ein Waise sein? Willst Du zurück dahin wo dich keiner liebt? Verstehst Du es denn nicht Caspar ICH LIEBE DICH, ich tue das alles um dich zu beschützen, WEIL ich Dich liebe!", brüllte er, nah meines Ohres. Mein Schreien wandelte sich in schmerzerfülltes Kreischen und endlich wurde der Druck auf meine Finger weniger, als etwas, oder jemand, Jesper hinter mir weg riss und geradezu davon schleuderte.

„Nicht er Träumt!", weinte ich, meine verletzen Finger unter die Arme klemmend.

„Es ist mir scheiß egal ob er träumt oder einen Rückfall hat oder nur sein wahres Gesicht zeigt, niemand hat Dir weh zu tun!", schrie Roland mit einem solch zornverzerrtem Gesicht, dass selbst ich es mit der Angst zu tun bekam.

„Es..es war meine Schuld, ich war unvorsichtig, ich hätte voraussehen müssen was er tut. Ich...", auf der Stelle hüpfend, steckte ich mir die Finger in den Mund und sein Gesicht wurde sanfter, er trat zu mir und raunte beinah liebevoll: „Zeig mir Deine Finger." Jesper lag zusammengekauert in der Ecke, ich wusste nicht ob er noch immer schlafwandelte oder Schmerzen litt.

„Es geht schon.", versuchte ich möglichst gefasst zu klingen während mein sorgenvoller Blick auf Jesper ruhte.

„Nichts es geht schon." er hob mich auf die Arme und trug mich Richtung Küche.

„Roland!", nun war es an mir scharf zu sprechen. „B.i.t.t.e lass mich runter und sieh nach ob Jesper verletzt ist. Ich kann laufen, Du darfst mich gleich gerne anschreien, verarzten oder wonach Dir auch immer ist aber BITTE lass mich runter." Er Knurrte laut, ließ mich aber zu meiner Überraschung runter.

Wunsch & WilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt