Kapitel hundertsechs

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„Wer bist Du und wo ist meine Frau." Klang das warme Timbre, der Stimme meines Mannes aus dem Eingang. Er stand da, die Haare nass und verstrubbelt, mit nicht mehr als einem Handtuch bekleidet, grinste mich jungenhaft an und trat näher. Ich wich einen Schritt zurück. „Wehe Dir! Du bist klatsch nass, wehe Du machst Wasserflecken auf mein Kleid. Das hat Anna ausgesucht, was sagst Du dazu?" Er senkte den Kopf, den Blick an mich gehoben und knurrte bedrohlich. „Kein Kleidungsstück kann hübsch genug sein, dass sich mein Weib mir entzieht. Umdrehen! Vorbeugen!" Schluckend biss ich mir auf die Lippen und gehorchte. Langsam schob er das Kleid über meinen bloßen Hintern und schnurrte, eh er ausholte und mir fest auf selbigen schlug. „Wie unartig von Dir keine Unterwäsche zu tragen, aber keine Sorge, ich werde Dich nachher zu einem braven Mädchen machen." Ohne ein weiteres Wort, schob er das Kleid an seinen Platz zurück und verschwand im Ankleidezimmer.

Annabelle grinste nur und ich betrachtete im Spiegel den Sitz meines Kleides und der Haare. Zufrieden nickend ließ ich mich auf einen Hocker sinken und schloss die Riemen der Stilettos. Den Blick zur Tür gerichtet musste ich mehrfach blinzeln, als die beiden Gentleman die Treppe zu uns hinauf traten. Caspar und Damian trugen beide dunkle Dreiteiler und sahen aus wie vom Laufsteg geklaut. „Ach Du liebes Lieschen!" Entfuhr es Annabelle und ich prustete ob der Aussage. „Verfluchte Scheiße seid ihr hübsch, nun fühle ich mich doch underdresst!" entgegnete Annabelle ihnen.

Caspars Blick ruhte auf mir. „Seid ihr zufrieden Herrin?" fragte er mit dunklem Lächeln. Mein Blick heftete sich auf Damian und ich fragte ihn, statt Caspar zu antworten: „Sag Du es mir, bist Du zufrieden mit Caspars Leistung?" Er erschauderte sichtlich. „Ja Herrin, viel mehr als nur das." Behutsam legte ich eine Hand an seine Wange, musterte ihn eindringlich und nickte sacht, den Blick dann an Caspar wendend. „Dann bin ich es auch, sehr sogar." Roland ließ hinter uns einen Kurzen Pfiff erklingen und deutete Caspar zu ihm zu treten. Er löste sich von Damian und trat vor seinen Herrn um ihm die Krawatte zu binden. „Wie kann man nur so unfassbar hübsch sein wie ihr Vier?", schmollte Anna. Roland band sich die Haare zurück und nickte. „Jap, seid ihr, alle, auch Du Nadelelfe. Und nun, Schwänze einpacken, Rücken gerade und Lächeln. Unsere Gäste warten schon."

Anna und mich je an einen Arm nehmend und Damian und Caspar hinter uns her schreitend, traten wir die Treppe hinab in den Salon. Die notdürftigen Abdeckung des „Anbaus" War durch einen schwarzen Samtvorhang ersetzt worden. Der Salon war einzig bestückt mit einer großen Tafel, unseren Instrumenten und dem riesigen Gemälde, das die Rückwand zierte. Nichts zeigte mehr, dass wir ihn als Künstlerwerkstatt missbraucht hatten, keine Farbspritzer besudelten mehr den Boden, noch stand irgendwelcher Kram rum. Es wirkte nicht leer oder unlebendig aber aufgeräumt und... ja, der riesige Raum ließ wieder Luft zum atmen.

Gemeinsam traten wir durch die Außentür in Richtung des Steges und tatsächlich legte just in diesem Moment die Fähre an. Als erstes stiegen meine Eltern von Bord, die sich krampfhaft Mühe gaben Koshka und das Pony zu ignorieren, die ihnen, geführt von Andrei, der sie an leinen hielt, folgten. Witthoff schien das ganze eher weniger zu stören, denn er unterhielt sich angeregt mit der Herzogin und Josephine. Leonie wirkte ein wenig verlegen und als ihr Blick auf mich fiel lag Unglaube darin. Wir begrüßten uns alle herzlich, doch mein Blick galt angstvoll Andrei, als er auf Damian zutrat. Strenge zeichnete sein Gesicht und er griff dem Jungen der ihm so lange nur als Hund diente, im Nacken und zog ihn an sich heran. Er sprach etwas auf russich, doch mehr als das Wort gut verstand ich leider nicht. Der für mich recht harte Klang der russischen Sprache, machte es mir schwer zu sagen ob seine Worte positiv oder zornig waren. Und auch die recht rüden Küsse auf beide Wangen des Jungen entschärften die Situation für mich nicht. Roland küsste meiner Mutter die Hand und umarmte meinen Vater, eh er sich seinem Ziehvater widmete. Ich nahm die verschüchtert wirkende Leonie in den Arm, die nicht zu wissen schien, wo sie hinblicken sollte. Ihre Wangen glühten, doch ein sachte Lächeln lag auf ihren Lippen.

Wunsch & WilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt