Kapitel einundvierzig

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Nach einer ausgiebigen Dusche die ich mit sehr lautem, sehr schiefen Gesang verbrachte, betrachtete ich ausgiebig meine Rückansicht, die noch immer in Flammen stand. Die Striemen waren mehr als deutlich und es würde lange dauern, bis sie verblassten. Warum war dies so etwas besonderes für mich? Hatte Caspar recht? Lag es daran das sie von Roland kamen und sich für mich die Besonderheit unserer Liebe in die Haut brannte? Würde ich wollen das Caspar oder Jules das taten? Oder jemand Fremdes? Allein bei dem Gedanken erschauderte ich sichtbar und verneinte inbrünstig.

Roland trat zu mir ins Bad, in den Händen hielt er etwas aus schwarzem, offensichtlich fließendem Stoff. Er breitete das Kleidungsstück zwischen seinen Händen aus und ich erkannte, das es eine Art Kimono war. Als ich in die dargereichten Ärmel schlüpfte, spürte ich, das es Seide sein musste, aus welcher dieser gefertigt war, so zart und leicht, wie er sich um meine Haut schmiegte. Schweigend schloss er den Gürtel in meinem Rücken und hauchte einen Kuss auf die Seite meines Halses. Ich sprach ebenso wenig wie er, spürte dass er etwas besonderes geplant hatte.

Es war noch hell, als er mich zum Wagen führte und als ich einstieg, bemerkte ich, dass Jules und Caspar sich hinter uns im Tesla in Bewegung setzten um uns zu folgen. Aufregung ergriff mich, doch da Roland noch immer kein Wort sprach, schwieg auch ich. Wir fuhren eine Weile, die Beschilderung verriet mir, dass wir die Niederlande verließen. Allerdings folgten wir keiner der mir bekannten Strecken.

Die Spannung die Rolands Schweigen in mir aufbaute war schier unerträglich und die Tatsache das Jules und Caspar uns noch immer folgten mindert sie nicht im geringsten. Nach einer gefühlten Ewigkeit fuhren wir an den Straßenrand und er sah mich entschuldigend an. Unter einer fließenden Bewegung zog er eine Augenbinde aus der Gesäßtasche seiner schlichten Leinenhose, hob sie an und deutete mir mich ihm entgegen zu lehnen. Mit einem tonlosen „Verzeih mir.", streichelte er meine Wange und verband mir die Augen. Diese einfache Entschuldigung wandelte die stetig wachsende Aufregung in etwas neues, dass sich heiß durch meine Adern brannte und sich doch nicht bestimme ließ. Erneut startete der Wagen, doch nur noch ein kurzes Stück fuhren wir, eh ich deutlich das Geräusch von Kies unter den Reifen knirschen hörte.

Als er mir aus dem Wagen half, stoppte er mein Voranschreiten kurz, umschlang meine Handgelenke mit weichen Seilen, band sie aber nicht zusammen. Weiterhin schweigend fasste er die losen Enden der Fesseln und führte mich daran nun mit sich. Meine nackten Füße spürten erst Kies, dann hielt er mich an, hob meinen Fuß und setzte ihn auf eine raue, beinah kalte Stufe. Ohne Probleme erklomm ich sie und er wiederholte den Vorgang. Es roch frisch hier, nicht wie in der Stadt, sondern als wären wir von Wiesen und Wäldern umgeben. Der Gesang der Vögel in der Abenddämmerung, seine führenden Hände und die sachte, noch warme Brise des lauen Spätsommerwindes auf meiner, nur durch den Kimono bedeckten Haut, gaben mir ein wohliges Gefühl, trotz der brennenden Aufregung.

Die nächsten steinernen Stufen nahm ich allein, konnte ich Abstand und Höhe doch jetzt einschätzen. Nach der letzten Stufe hielt er mich, noch immer wortlos mit einer knappen Geste gegen meine Brust an, eh er mich wieder langsam mit sich zog. Der Klang seiner bloßen Füße verriet mir, das er rückwärts ging. Der kühle Stein wandelte sich nach drei weiteren Stuf in angenehm glatten Marmor, der zwar nicht wesentlich wärmer war, doch sich durch die makellose Struktur sehr viel angenehmer unter den Fußsohlen anfühlte. Leises Klavierspiel mischte sich in den immer leiser werdenden Gesang der Vögel und ich nahm bald darauf entferntes Stimmengewirr wahr. Auch wenn ich keine Ahnung hatte wo wir waren oder was das hier war, fühlte sich alles irgendwie edel und ja, erhaben an. Das Gläser Klirren und Stimmengewirr wurde lauter als sich offenbar eine Tür vor uns öffnete. Die Stimmen erstarben in gemurmelten, geflüsterten Worten. Nichts hier gab mir ein Gefühl von Sicherheit, alles fühlte sich beinah schmerzhaft ungewiss an, außer die Hände, welche die offenen Enden meiner Schlingen hielten.

Wunsch & WilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt