Kapitel hundertsechundfünfzig

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Zittern, Weinen, Verzweiflung und Schuldgefühle, sind meine Erinnerungen an den Rest der Nacht. Roland hatte mich nicht wirklich fixiert, aber er befestigte eine Kette an meinem Reif und verschloss sie. Das andere Ende hakte er in eine Öse des Bettes. „Ich will Deine Hände nicht fesseln müssen, ich wünsche mir, dass Du normal schlafen kannst, aber die Kette wirst Du nicht alleine lösen können. Caspar, Jacob und ich werden hier bei Dir sein."

Wir alle fanden wenig Schlaf und so löste Roland im ersten Licht der aufgehenden Sonne die Kette wieder. Weder Caspar, noch Jacob oder er, hatten mehr gesprochen als beruhigende Worte und die Versicherung, dass alles gut werden würde und ließen mir sogar, nach kurzer Bitte, Zeit und Freiraum zum atmen.

Keiner der Drei ließ sich blicken, als ich in die Küche trat um mir Kaffee zu holen, auch nicht nachdem ich in mein Atelier betreten hatte, um auf die Leinwand zu bringen, was mich meinen Mann beinah hätte töten lassen. Präzise gab ich meine schlimmste Angst wieder. Sie war jung, vielleicht 15 oder 16 Jahre alt, das dunkle, lange Haar, die stechend grauen Augen, das Gewand, den Rosenkranz und den Dolch den sie an Rolands Kehle setzte, ließ ich sehr deutlich hervortreten.

Sogar Damians und Yevas Liebesspiel neben meinem gebundenen Mann und das grausam blutige Grinsen meiner Sklaven hatte ich perfekt wiedergegeben. Anders als gewöhnlich malte ich nicht stehend an der Staffelei sondern kniete auf dem Boden, die Leinwand flach vor mir liegend. Ein Schatten fiel darauf, ich wusste nicht wem er gehörte, erst als seine Stimme erklang erkannte ich Jacob.

„Ich weiß nicht wie ich mich jetzt verhalten muss Herrin? Darf ich einfach zu Dir kommen? Muss ich an der Tür knien und warten bis Du mich zu mir rufst?"

Geistesabwesend schüttelte ich den Kopf, legte eine Hand auf seine, als er meine Schulter berührte. „Nein Jacob, Du bist immer noch Du, mein Trainer, mein Beschützer und der erneute Retter meines Mannes. Du wirst nicht zum Sklaven nur weil Du unser Wappen trägst, so wie Anna bist Du frei Dein Leben so zu leben, wie Du es Dir wünscht... und selbst wenn ich wollte... im Moment könnte ich Dich nicht einmal ausbilden."

Er hauchte mir einen Kuss ins Haar. „Ich verstehe, dass Du sie töten wolltest, wärest das Du und nicht Roland, ich hätte an Deiner Stelle nicht anders gehandelt."

„Es war so echt." flüsterte ich tonlos. „Es hat sich nicht den Bruchteil einer Sekunde nach Traum angefühlt." Das Bild vom Boden aufhebend betrachtet er es genauer. „Das sieht auch nicht aus, als hättest Du einen Traum gemalt, es ist alles so detailliert und unfassbar realistisch, selbst die Gravur an meinem Messer stimmt. Du solltest es vielleicht Roland zeigen, damit er es versteht. Er hat mich gebeten Dich zum Frühstück zu holen."

Sacht wiegte ich den Kopf. „Ich weiß nicht ob ich will, das Damian und Yeva es sehen, ich verstehe nicht, warum ich sie so sah und alle anderen tot, oder dem Tode nah. Irgendwie... habe ich angst... das es sie verletzen könnte."

„Das kann ich mir nicht vorstellen, aber es ist Deine Entscheidung. Doch nun komm bitte, Roland sagt Du hast nicht soviel Zeit, bis Dr. Karlsberg hier sein wird."

resignierend schloss ich die Augen und nickte. „Ich will keinen scheiß Psychodock, lieber lasse ich mich jede Nacht anketten, als mich jemand fremden anzuvertrauen." Nickend zog er mich in die Arme. „Na komm, vielleicht wird es gar nicht so schlimm, aber jetzt musst Du Dich an Deine Regeln halten und essen." und ich folgte artig, wenn ich auch ein tiefes Seufzen nicht zu unterdrücken vermochte.

Normale Gespräche hielt dieser Morgen nicht für uns bereit, auch wenn keine Kühle zwischen uns herrschte. Roland eröffnete mir, dass er nur für ein kurzes Vorgespräch bei mir und Dr. Karlsberg bleiben könne, da er Rehatermine wahrnehmen musste, sich aber beeilen würde zurück zu kommen.

Wunsch & WilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt