Kapitel zweiundsiebzig

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Die wunderschönen Männer an meiner Seite schliefen noch, als das erhellende Morgenlicht unser Zimmer flutete. Ich schlich mich zur Staffelei und begann zu malen. Es wurde mein erstes nicht realistisches Bild, denn der Sklave zu unseren Füßen, dem wir so eben das Eisen auf die Haut drückten hielt eine Maske in der Hand, die seinem Gesicht vollkommen glich und trotzdem war deutlich zu erkennen, dass die Maske der Mann war, dem Rabenschwingen wuchsen und das andere Gesicht von Schmerz aber auch ehrlicher Liebe sprach. Die blonde Frau auf dem Gemälde befand sich auf der Seite der Maske und richtete den Blick in beide Gesichter, brannte Beide, der Krieger zu ihrer Linken jedoch, blickte dem wahren Jungen ins Gesicht, forderte seine Gefolgschaft. Dünne Silberfäden sponnen sich zwischen den drei Menschen, die an Fäden von Marionetten erinnerten, doch war nicht vollkommen ersichtlich wer Spieler und wer Figur darstellte, nur das alle miteinander verknüpft zu sein schienen und der Hauptteil der Fäden von Jesper ausging.

Ich stellte die Leinwand zur Seite und die nächste wurde grundiert. Das Antlitz meines Krieges schälte sich aus der Dunkelheit. Ein schlichtes, realistisches und doch alles erfassendes Bild seiner oberen Körperhälfte. Er schien etwas zu halten, doch was es war blieb verborgen im Dunkeln. Seine Augen, sein gesamtes Sein, strahlte Autorität, Macht und Fürsorge aus. Dieser Mann wusste genau was er tat, was er wollte und er fragte nicht danach, man gab es ihm aus freien Stücken.

Die Leinwand von der aus er mich ansah war riesig, viel größer als die meisten meiner Bilder, aber ich hatte auf keinem Bild von ihm so präzise einfangen können, was ihn ausmachte und selbst diese Leinwand schien seiner Größe nicht gerecht zu werden. Ich wusste, sollte ich es je schaffen Sprühdosen zu meinem Werkzeug machen zu können, ich würde die Rückwand des Salons mit diesem Bild schmücken und sie war riesig, doch trotzdem würde der Platz kaum reichen um seiner Präsenz gerecht zu werden. Entgegen der meisten anderen Bilder, die ich bisher von Roland gemalt hatte, trug er hier die Haare offen und ein teil umspielte sein Gesicht, was ihm aus irgend einem Grund eine fast animalische Note verlieh.

Ich benannte das Bild mit „Löwe" und stellte auch dies zur Seite, eine neuerliche Leinwand aufstellend und grundierend.

Im Grunde unterschied sich das Bild das ich nun auf den Stoff bannte kaum von dem Bild, das ich für Annabelle von Jesper gemacht hatte. Er nahm die selbe Pose ein, nur die Frisur war anders, doch man erkannte sofort, das es Caspar war der von dieser Leinwand auf uns Zuschauer herabsah, als würden wir vor ihm knien.

Ich wusste es durfte nicht alleine hängen also malte ich das Bild erneut und auch wenn sich die gemalte Personen bis aufs Haar glichen, so gab es eine solche Hingabe im Blick, eine Weichheit und Lieb, die dem anderen vollkommen fehlte. Die Männer die in gleicher Pose und selben Blickwinkel auf uns nieder blickten sprachen einmal als Befehl und einmal als Bitte zu uns, dabei waren selbst ihre Gesichtszüge identisch. Ich fragte mich ob nur wir, die beide Seiten von Jesper kannten, den Unterschied wahr nahmen oder ob es für alle ersichtlich war.

Bald schon fühlte ich mich müde, beinah ausgelaugt als ich die fünfte Leinwand grundierte aber auch diese Bild musste noch gebannt werden. Es stelle den Donnergott dar, der die Unschuld vor sich an seine mächtige Brust gedrückt hielt, der geschmückte Arm ruhte von der Schulter her zwischen ihren Brüsten und die riesige Hand verbarg den Bauch der Frau beinah gänzlich. Zu ihren Füßen kniete ein junger Gott ganz anderer Herkunft. Sprach der eine von Schönheit und Macht und Stärke, so sprach der dunkelhaarige Lockenkopf von Eleganz, Hingabe und Demut. Letzteres war es auch, die aus dem Blick des Jünglings sprach, während er, von beiden an der Kette seines Halsbandes gehalten, zu ihnen aufschaute.

Ich stellte auch dieses Bild an die Wand zu den anderen vier und ließ mich erschöpft auf den Teppich sinken, legte mich, meine Werke betrachtend, auf der Seite nieder und stützte meinen Kopf in der Hand ab. Dabei trug ich ein mattes, aber glückliches Lächeln auf den Lippen. Verwundert spürte ich, wie eine Decke über mich gebreitet wurde und war erstaunt, als ich Jespers Antlitz über mir erblickte. Ich hätte geschworen, das es Roland war. Sacht klopfte ich vor mich auf den Teppich, bedeutete ihm sich vor mich zu legen und er folgte. Schweigend betrachten wir gemeinsam meine Werke und ich wusste sie gefielen ihm genauso gut wie mir.

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