Kapitel hunderfünfundvierzig

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Vorsichtig blickte eine Füchsin um die Ecke und verschwand wieder. Ihr Suit war anders als die der anderen Tiere nicht komplett, nicht mal ein Suit im eigentlichen Sinne und sie hatte auch keine gebundenen Pfoten. Sie trug eine Maske die nur die Augen umrahmte und Ohren, Fell fehlte ihr gänzlich, anders als es üblicher weise bei seinen Tieren der Fall war, schmückte sie nur einen buschiger Schwanz. Das Einzige, was sie mit allen anderen Tieren die ich von Andrei kannte gemeinsam hatte war, dass sie auf allen Vieren ging. Etwas in mir konnte nur sehr schwer ertragen, dass das scheue Mädchen sich nicht zu uns traute oder der wilde Fuchs einfach nicht bei Menschen aß. Angespannt beobachtete ich Andrei, der sich nicht darum zu kümmern schien und sammelte Mut in das Gespräch zu grätschen, das er mit Roland führte. Es war Caspar der meine Hand nahm, sie drückte und sacht den Kopf schüttelte. Wie sehr ich ihn dafür zugleich liebte, dass er immer wusste was in mir vorging und hasste. Er schob seinen Stuhl zurück und sank in die Knie, ließ sich die letzten Stücke seines Essens von mir an die Lippen reichen und schmiegte sich an mich. Nebesa schien der Kniende Mann am Boden mehr zu interessieren als ihr essen und sie umstreifte ihn neugierig.

Anders als Koshka, schien sie wenig Scheu vor Menschen zu haben, rieb ihre Wange an Caspars Schulter, als er sie nicht beachtete und schnurrte leise dabei. Erschaudernd ertrug er die fremde Berührung tapfer und strich, zu meiner Überraschung sogar zwei mal lieblos am Rücken der Katze hinab. Für sie schien das Einladung genug zu sein und so legte sie sich über seine knienden Schenkel, doch sah ich auch, wie Caspar die Augen schloss und die Lippen zusammen presste. Sacht strich ich ihm durchs Haar, aber es schien ihn nicht zu beruhigen. Seine Oberlippe begann sacht zu zittern und ich verscheuchte die Katze mit einem lauten und eindringlichen: „Ksssshhh, kssshhh!" Sie fauchte in meine Richtung, was mir das Herz brach aber Caspar schien sich schnell wieder zu fangen.

Meinen Stuhl ein wenig von Rolands entfernend deutete ich auf die andere Seite und Caspar kroch zwischen uns Beide, nun deutlich gelöster. Er genoss es offensichtlich von Roland und mir liebkost zu werden und ich hieß willkommen, immer wieder auch Rolands Hand an meiner zu spüren.

Mit einem Zucken zog ich meine andere Hand zurück, als mich etwas daran kitzelte und sah über die Schulter nur noch einen Fuchsschwanz um die Ecke verschwinden. Mein Blick fiel auf den Teller der noch immer unangerührt geblieben war und ich neigte mich an Caspars Ohr. „Warum darf ich ihr nichts geben, Master?" Fragte ich kaum hörbar. Er wandte den Blick zu mir auf und flüsterte ebenso tonlos: „Weil es nicht Deine Aufgabe ist sie zu zähmen, oder würdest Du wollen, dass mich jemand anderes beschützt, wenn mir jemand zu nah kommt?" Nachdenklich betrachtete ich ihn und nickte dann. Mein Blick wanderte über die Menschen an diesem Tisch, die sich so angeregt unterhielten, so viel Leichtigkeit verbreiteten und die alle Wohlwollen oder Liebe füreinander empfanden. Ich fragte mich, ob es irgendeine Familienfeier auf der Welt gab, die so harmonisch und heimelig war wie unsere Zusammenkunft.

Und doch, trotz der allumfassenden Vertrautheit hier an unserem Tisch, hatte ich das Gefühl mehr Raum, nein sogar viel mehr Raum und Ruhe zu benötigen. Schwer schluckend spürte ich, wie mein Puls zu rasen begann und etwas auf meine Brust drückte, mich unruhig werden ließ, doch ich hielt mich unter Kontrolle, wollte nicht das jemand bemerkte, wie ohne den Hauch eines Grundes, Panik in mir aufkeimte. Hier, in der Sicherheit die Roland geschaffen hatte unter all diesen lieben Menschen, die ich zum Teil vergötterte, in einer Umgebung die mir nicht mehr Schutz hätte bieten können.

Einen Kuss in Caspars Haar hauchend erhob ich mich und entschuldigte mich kurz. Es war mittlerweile Oktober geworden und eine kalte Brise schlug mir entgegen, als ich die Terrassentür öffnete. Sie gab mir das Gefühl, ein wenig besser atmen zu können, trocknete den Schweiß der mit einem Mal auf meiner Stirn stand auch wenn sie das Zittern meines Körpers nicht wirklich linderte. Trotz des hell erleuchteten Hauses hinter mir fielen mir sofort die zahlreichen Sterne auf, die man hier, in der Abgeschiedenheit des Grundstückes sah, als ich ruhesuchend meinen Blick in den Himmel wandte. Heftig zuckte ich zusammen, als es Schritte die Stille durchbrachen.

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