Kapitel sechsundvierzig

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Verzweifelt versuchte ich mich zu sammeln, meine Ängste soweit zu bekämpfen, das ich irgend was mitbekam, in welche Richtung wir fuhren, aber es war vergebens. Alles was ich bemerkte war die aufkommende Übelkeit und unbändige Angst.

Nach einer Weile, die Stunden aber auch Tage hätte dauern können stoppte der Wagen endlich wieder.

Mein Magen wollte den wenigen Inhalt preisgeben, doch ich wusste, wenn ich mich jetzt übergab, würde ich schlicht und einfach ersticken. Grob zerrte man an mir und ich hörte den Dschungel um uns, spürte die Schwüle, abseits der Meere und unterhalb des Hochlandes. Meine bloßen Füße traten auf festen, sandigen Boden und ich wurde der Schwüle des Dschungels mit einem unsanften Stoß entrissen, um in kühlere Dunkelheit steinerner Räume geschliffen zu werden. Der Hall, der Schritte, der schweren Stiefel der Männer die mich verschleppten zeigte mir, dass er groß aber nicht riesig was. Man stieß mich erneut, gefesselt und meiner Sinne beraubt, doch diesmal auf eine Matratze oder ein sonstiges Polster und eine Gittertür fiel mit dem Geräusch der Endgültigkeit ins Schloss.

Ich blieb zurück, allein, vollkommen verängstigt, verzweifelt, weinend und nach Atem ringend zugleich. Gerade noch war ich einer der glücklichsten Menschen dieser Erde, auf dem Weg dem Mann ein zweites, bindendes Versprechen zu geben und nun lag ich hier, gefesselt, geknebelt und vollkommen verängstigt, ohne auch nur ahnen zu können, warum man dies mit mir tat. Tief schnitt die Verzweiflung in mir, ich konnte mir absolut nicht vorstellen, wer einen Grund hätte, mir das anzutun.

Lange lag ich so da, vollkommen überfordert und vermochte nicht abzuschätzen wie viel Zeit vergangen war, als ich endlich Schritte hörte. Sie klangen anders als die schweren Stiefel derer die mich hergebracht hatten. Vielleicht fand ich meine Antworten schneller als es mir lieb war, als die Schritte nah vor mir hielten.

„Wie nett von Dir, im Brautkleid zu mir zu kommen um Dich mir anzubieten."

Augenblicklich erkannte ich die Stimme und sie trieb mir einen unfassbar schrecklichen Schauer über den Rücken, brannte sich tief in meine Eingeweide und ließ mich erneut gegen die Übelkeit kämpfen. ‚Behaltet Thommasson im Blick', leuchteten Caspars Zeilen sofort vor meinem inneren Auge auf.

Trotz allem wandte ich mich hoffnungsvoll der Stimme zu und beschloss noch in der selben Sekunde, ihm alles zu geben was er wollte, keine Spiele zu spielen und mich nicht zur Wehr zu setzen, um vielleicht eine Chance zu haben hier irgendwie wieder raus zu kommen. Er war mein Professor, er hatte niemals Anstalten gemacht, mir etwas böses zu wollen und wenn er einer der Menschen war, die sich danach sehnten, dass ich für sie kroch, so würde ich kriechen. Ruckartig brachte ich mich auf die Knie, wandte mich der Stimme zu und hoffte inständig ich würde es schaffen ihm zu geben was er wollte.

Flehend sah ich zu dem großen, dunkelhaarigen Mann auf, dessen Schläfen länger schon ergrauten, denn auch wenn er nach gängiger Norm ein gutaussehender Mann war, so waren die mehr als fünfzig Lebensjahre nicht spurlos an ihm vorüber gegangen.

Das edel geschnittene und doch so verschlossene Gesicht blickte gewohnt streng auf mich hinab. Er sah nicht anders aus als ich ihn aus jeder meiner Vorlesungen in Erinnerung hatte und wie damals strahlte er auch heute eine ungleich hässlichere Kälte aus. Er war der gut gekleidete Professor der seine britischen Wurzeln nie verleugnen konnte und doch war es dieser Mann, der jeden Funken Hoffnung in mir sterben ließ, als er näher trat.

Auch jetzt in der schwülen Hitze des Dschungels war sein schlanker, sportlicher Körper in einen dunklen, edlen Dreiteiler gehüllt und das ordentlich rasierte Kinn schob sich mir fordernd entgegen. Emotionslos blickten seine dunklen Augen auf mich hinab, doch seine Stimme war nicht weniger geschult als die Caspars und so sprach er beinah sanft:

Wunsch & WilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt