Kapitel zweiundvierzig

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Gitarrenmusik? Goldenes Morgenlicht erhellte die Zeltwand und ich fragte mich im Halbschlaf ob sie noch zu einem Traum gehören würde. Eine Weile ließ ich die Augen geschlossen und lauschte, lauschte dem Gesang der Vögel, den leisen, gezupften Klängen des Instrumentes und dem Frieden des Waldes. Einen Blick neben mich werfend, erkannte ich, dass es Roland sein musste, der dem Instrument die harmonischen Töne entlockte, zumindest lag er nicht mehr neben mir. Behutsam trat ich die zombisichere Leiter hinab und schmunzelte bei dem Gedanken. Mit Roland würde ich sogar in der Endzeit Momente des Glücks finden, dessen war ich mir sicher.

Der Mann, dessen ganzes Sein mich mit Liebe und Begierde erfüllte, saß vor dem Wagen auf einem gemütlich wirkenden Campingstuhl und zupfte eine Gitarre, von deren Existenz ich bis heute nichts wusste.

Er trug noch immer nur die leichte Hose und das Holz des Korpus schmiegte sich an seine breite, nackte Brust. Sein Haar war noch ungebändigt und verdecke die Hälfte des hübschen Gesichtes, während sich seine von Tattoos geschmückten Muskeln, im Licht der aufgehenden Sonne so geschmeidig bewegten.

Ein weiterer Stuhl stand neben ihm und vor ihm befand sich ein gedeckter Frühstückstisch. Lächelnd aber mit gehobener Brauen musterte ich ihn und er deutete mit einem Blick auf den Stuhl.

Sacht schüttelte ich den Kopf und sank vor ihm auf die Knie, bettete mein Haupt an seinem Schenkel und lauschte den Tönen. „My mother told me.", begann er zu singen. Nie zuvor hatte ich ihn singen gehört. Seine Stimme war ebenso voll und vom warmen Timbre, wie wenn er sprach. Es klang wirklich schön, trotzdem lachte ich, stützte das Kinn in die Hand und sah zu ihm auf. „Geht auch ein bisschen weniger Klischee?", fragte ich ich lachend.

Er stimmte in mein Lachen ein und sang: „OOOOOhhhhnly You!". Ich würgte lautstark, erhob mich und stahl mir einen flüchtigen Kuss.

„Warum wusste ich nicht, dass Du spielen und vor allem so gut singen kannst?". Er zuckte die Schultern und stellte die Gitarre weg.

„Wir hatten noch keine Zeit für so etwas.", er zog mich kniend auf seinen Schoß und übersähet meinen Bauch mit küssen.

„Ich bin einfach viel zu sehr damit beschäftigt Dir unter die Haut fahren zu wollen." Ungehemmt keuchte ich unter seinen Berührungen auf, bog mich ihm entgegen und vergrub die Hände in seinem Haar.

„Bitte nimm platz meine Königin, bevor Du mir noch entschwindest, weil Du nie etwas isst." Kopfschüttelnd und frustriert seufzend, löste ich mich von seinem Schoß und nahm auf dem Stuhl platz. Er hatte recht, ich liebte Essen aber in den letzten Wochen kam ich viel zu selten dazu.

„Wo hast Du das alles her?". Plötzlich spürte ich den Hunger, schnappte mir ein Sesambrötchen und musterte den Tisch verwundert. Er nickte zum Schloss. „Ich dachte es wäre Dir recht, wenn wir die Zeit zu zweit genießen.", selig kauend erwiderte ich sein Nicken bestimmt. „Ich liebe sie alle, aber ein bisschen Zeit nur mit Dir ist, was ich mir wirklich wünsche. Ich will mehr entdecken, wie die Tatsache das Du Gitarre spielst. Ich weiß so wenig von Dir. Welche Musik magst Du, welche Filme, welches Game, was ist Dein Lieblingsessen?", sprudelte es aus mir heraus. „Du hast mir gestern mehr von Dir gegeben, als man es bei einer Hochzeit getan hätte, ohne all das zu wissen und ich danke Dir dafür. Ich hoffe Du liebst mich auch dann noch, wenn ich Partylieder oder Schlager singend durchs Haus tanze." Entsetzen stahl sich in meine Augen und ich schluckte schwer. Etwas in mir weigerte sich, mir das vorzustellen. Mit einem Lachen entgegnete er: „Keine Sorge meine Königin, soviel Alkohol könnte man mir nicht geben, dass das passiert."

Das Klingeln seines Handys ließ mich so sehr zusammenzucken, dass mir Kaffee über die nackten Beine tropfte. Mir war nicht bewusst gewesen, wie lange ich so etwas schon nicht mehr gehört hatte, wie wenig ich es vermisste für Alle und Jeden, jederzeit und überall erreichbar zu sein. Natürlich vermisste ich meine Games aber der ganze socialmediakram, den mein Leben mit sich geführt hatte, den vermisste ich wirklich erstaunlich wenig, dafür, dass er so eine große Rolle für mich gespielt hatte.

Wunsch & WilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt