Kapitel hundertachtundneunzig

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Geplant hatte ich ein ganz anderes Bild doch ich malte mich, nackt, kniend, schmucklos, die Hände vor dem Gesicht auf schwarzem Hintergrund und von einem Spotlight oder Mondstrahl beleuchtet. Eine Hand lag auf meiner Schulter, sie war männlich und man erkannte eine Manschette, sonst keinen Schmuck. Ich wusste, dass es Darios Hand war und ich wettete, dass er es auch erkannte. Das nächste Bild zeigte mich ebenso zerbrechlich, noch mit Sonde in der Nase, wie ein Fötus zusammengekrümmt auf Jacobs Brust ruhend. Es lag absolut nichts sexuelles in dem Bild und strahlte pure Geborgenheit und Freundschaft aus.

Mein letztes Bild für diese Nacht stellte Dario dar, so wie er mir im Flugzeug gegenüber gesessen hatte, nachdem er den Knopf seines Sakkos gelöst und sich zu mir vorgebeugt hatte. Hinter ihm standen drei Käfige, doch nur der mittlere wurde so erhellt, dass man die dunkelhaarige Frau darin erkennen konnte, deren Hände die Stählernen Stäbe umfasst hielten und die auf Knien, denn höher war der kleine Käfig nicht, ängstlich zu ihm aufsah. Ich wusste wie Amanda Nachtigall aussah, von dem Moment an, als Jules mir die Ziele zeigte. Die Pinsel in ein gefülltes Glas stellend ging in ins Bad und stellte mich lange unter die Dusche. Es war schon beinah sechs, als ich ins Bett fiel und hoffte alsbald wieder zu erwachen.

Meine Hoffnungen erfüllten sich nicht, denn es war Rosas Stimme die mich weckte. „Lena... Lena wach bitte auf, Signor Ascone möchte mit Dir zu Mittag essen." Abrupt schlug ich die Augen auf und sah an mir hinab. „Du kennst ihn gut, kannst Du mir bitte ein Kleid aussuchen, das ihm gefallen könnte und es mir ins Bad bringen?" Die Decke zurückschlagend erhob ich mich und ging eilig in selbiges, um mich zu erleichtern und frisch zu machen. Da der Raum auch einen Schminktisch samt Utensilien beinhaltete flocht ich mir nicht nur die Vorderen Strähnen zurück und rollte sie am Hinterkopf zu einer Rose, was die Prinzessinnenhaftigkeit meiner Haare noch unterstrich sondern legte auch Rouge, Lidschatten, Eyeliner und Wimperntusche auf, bevor ich die Lippen sacht glosste.

Wie so unzählige Male seit seinem Verlust griff ich mir an den Reif, dessen Gewicht mir so sehr fehlte und schaffte es kaum ein Lächeln auf die Lippen zu bringen, als ich mich umwendete. Rosa trat mit zwei Kleidern über den Armen ein, das eine ein weißes Hemdkleid etwa knöchellang, ohne Arm aber mit großem Kragen, das andere himmelblau etwa knielang und mit einem V-Ausschnitt. Ich wählte das blaue bat sie aber nachzusehen, ob ich einen weißen Gürtel und weiße Pumps hätte und tatsächlich kam sie kurze Zeit später mit dem zurück, was ich mir vorstellte.

„Ich würde Signore Ascone gerne eines meiner Bilder schenken, kannst Du mir helfen auszusuchen welches ihm gefallen würde? Ich kenne ihn einfach noch nicht und möchte ihm nicht vor den Kopf stoßen. Bitte sag mir aber auch, wenn keines angemessen ist, ja?" nickend half sie mir mit den Schuhen und folgte mir ins Atelier. Ihre Augen weiteten sich, als sie auf die Bilder starrte und ihr Gesicht verlor jede Farbe, als sie das sah, auf welchem Nachtigall im Käfig Kniete. Schwer schluckend deutete sie auf jenes, das mich kniend zeigte und seine Hand auf meiner Schulter. „Das wird ihm sehr gefallen, aber das nehmen wir mit, weil er mir sonst nicht glauben wird was ich sage."

Bemüht verbarg ich ein gehässiges Lächeln und nickte. „Gerne, was immer Du sagst. Wie lange arbeitest Du schon für ihn?" Verwirrt sah sie mich an. „Ich... bin für ihn geboren worden, jeder... sie brach ab, wahrscheinlich erkannte sie, dass sie zu viel preisgab und lächelte entschuldigend. „Schon mein Leben lang, so wie meine Mutter seinem Vater diente und meine Tochter seinem S..." Wieder brach sie ab. „Du hast eine Tochter, lebt sie auch hier auf dem Schloss?" Fragte ich interessiert. Entgeistert schüttelte sie den Kopf. „Wir sollten uns auf den Weg machen, Signor Ascone wartet nicht gerne." Das Bild greifend schenkte ich ihr ein Lächeln. „Denkst Du, er ist noch wütend auf mich?" Ihr Bild tragend eilte sie voraus und ihr vorlautes Mundwerk enttäuschte mich nicht. „Wieso sollte er, Du bist doch viel schneller zah..." Sie bemerkte wohl was sie im Begriff war zu sagen und korrigierte sich. „Du bist doch viel schneller gesundet, als er erwartet hatte. Nein Lena, er ist nicht wütend, er freut sich darauf Dich zu sehen."

Wunsch & WilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt