Kapitel fünfundachtzig

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Caspar.

Ich wollte ihn anschreien, ihm ins Gesicht spucken und ihm sehr, sehr weh tun für seinen Verrat, doch als sich die Schiebetür des Wagens öffnete, blieb ich nur artig knien.

Noch immer grinsend trat er näher an mich heran, ließ mich nicht aus dem Blick, während seine so penibel geputzten Lackschuhe den Kies darunter zum Knirschen brachten. Beinah behutsam hob er mein Kinn mit zwei Fingern an und sprach warm: „Wollen wir deinem wahren Herrn zeigen, was Du heute alles gelernt hast?" Der Klang seiner Stimme trug etwas unfassbar beruhigendes und ich begann zu zweifeln, ob er mir wirklich böses wollte oder dies noch Teil des Spiels war.

„Steig aus meine Schöne, Du wirst bereits erwartet."

Seine zärtlich gesprochenen Worte schürten das Chaos meiner Gedanken nur weiter, stießen mich, einem Ball gleich, zwischen Angst, Hass, Zweifel, Lust, Begehren und Liebe hin und her.

Zittrig erhob ich mich und ging von Caspar geführt und mit steifen Gelenken, in Richtung der seltsam geöffneten Tür und versuchte dem Chaos in mir Herr zu werden.

Dahinter stand, in einer großen Eingangshalle mit dunklen Böden und ewig hohen Wänden, die Beine ein wenig gespreizt, ein SEK Beamter und musterte mich eingehend. Ob es sich um meinen Fahrer handelte, oder einen gänzlich anderen Menschen, vermochte ich nicht zu sagen, denn ich war viel zu sehr mit mir und dem vielleicht Verrat meines Dämons beschäftigt, um meine Umgebung wahrnehmen zu können.

Caspar entließ mich an der Schwelle aus seinem Griff und wie ich gelernt hatte ließ ich mich in die Knie sinken und wartete darauf, das man mir sagte was ich zu tun hatte und ich endlich wieder einen klaren Gedanken würde fassen können.

„Löse ihren Knebel!", sprach die seltsam blechern klingende Stimme und Caspar tat wie ihm geheißen. „Wie ist Dein Name Mädchen?" Schwerlich schluckte ich den Speichel, als der Ball zwischen meinen Lippen endlich entfernt wurde und antwortete, dem Drang widerstehend, meinen Kiefer zu renken, mit erstaunlich fester Stimme: „Lena von Binnenberg, Sir."

„Komm näher Lena, aber bleib unten!", befahl mir die fremde Stimme und der Kampf in meinem Inneren gewann einen weiteren Punkt, auf der Seite des Verrates. Fest biss ich mir auf die Lippen, um meine Wut über diesen Befehl zu verbergen, denn mit gebundenen Händen konnte ich nun wirklich nicht gut kriechen. Verbissen näherte ich mich aufrecht kniend, wissend das es wahrscheinlich ziemlich bescheuert aussah und ertrug die Demütigung schweigend.

Der Polizist deutete mir eine anhaltende Geste mit der Hand und ich setzte mich auf meinen Füßen ab. Warum nur kam mir dieser Mann so bekannt vor? Viel konnte ich nicht von ihm sehen, erkannte jedoch, dass er dunkle, fast schwarze Augen hatte, die mir vollkommen fremd waren und doch, alles an ihm sprach davon, dass ich ihm vertrauen konnte, obwohl er mich für sich kriechen ließ.

Unter Aufbringung all meiner Willenskraft verharrte ich still mit gesenktem Blick, widerstand dem Drang, mich nach Caspar umzusehen und dem Willen ihm die Haut vom Körper zu schälen. Im Moment zumindest, war ich nicht in der Position mich diesen Gedanken hinzugeben, geschweige denn, sie auszuführen.

„Ich habe gehört, dass Du sehr brav und tapfer gewesen bist, stimmt das Lena?" Verlegen räusperte ich mich, als seine Worte mich auf verstörende Weise mit Stolz erfüllten. Was bei allen Höllen war nur mit mir los?

„Das zu beurteilen steht mir nicht zu Master." raunte ich ergeben aber mit fester Stimme.

Schweigend trat er näher an mich heran, legte die behandschuhte Hand an meine Wange und richtete die dunklen Augen auf mich.

„Dann sag Du mir Caspar, war sie artig?" wandte sich die unbekannte Stimme an einen Punkt hinter mir.

„Das war sie mein Herr, sie hat Ängste überwunden, sich auf Neues eingelassen, den Notausstieg verweigert, neue Regeln gelernt und sogar gezeigt das sie diese umzusetzen weiß." Sacht strich der behandschuhte Daumen über meine Lippen.

Wunsch & WilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt