Stimmungstief

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"Das hätte echt nicht sein müssen, Mats."

Höwedes lächelte seinen Kumpel an. Wir alle saßen in der Kabine. Rührten uns nicht. Ich seufzte. Konnte die Deutsche Nationalmannschaft nicht einmal etwas sinnvolles auf dem Rasen zaubern?

"Mir geht's gut..." Höwedes legte seine Hand auf des Borussens Schulter, doch dieser zuckte zusammen und sprang auf. Stellte sich in die Mitte des Raumes und schaute in die Runde.

"Du brauchst mir nicht zu sagen, was richtig, oder falsch war, Schalker."

Und mit diesen Worten verschwand er in der Dusche und ich hörte eine lange Zeit nichts mehr von ihm.

"Idiot." Murmelte Mario und stand ebenfalls auf, schnappte sich seine sieben Sachen und verschwand in der Dusche.

"Der Typ steht übrigens zu Verkauf. Welcher Verein ist interessiert?" Jule war aufgesprungen, nahm ebenfalls seine Sachen und verschwand in der Dusche.

"Nun seid doch nicht so..." grummelte ich und sah hilfesuchend zu Marco, welcher neben mir saß und auf den Boden starrte. Er spielte mit seiner Zunge und seufzte.

"Und wieder hälst du zu ihm. Auf welcher Seite stehst du eigentlich?" Fauchte er dann, sprang auf und verschwand auch in den Duschen.

Ich atmete laut aus, lehnte mich gegen die Wand und legte meinen Kopf in den Nacken.

"Also ich will den nicht..." Leroy stand auf und suchte seine Sachen zusammen, wurde aber von Benedikt aufgehalten, welcher am Rande der Duschen saß und sich alles ansah.

"Nicht, Leroy. Es ist gut..." sagte er leise und ließ den Jüngeren gehen. Auch er seufzte und lehnte seinen Kopf in den Nacken.

°°°

"Zwei Dinge. Zwei ganz einfache Dinge möchte ich von euch..." Jogi stand vorne im Bus und schaute seine Rasselbande an.

Er setzte sich in Bewegung und hielt an jedem der Sitze für einige Sekunden, um in die Gesichter seiner Spieler sehen zu können.

"Zwei total unkomplizierte Dinge..." wiederholte er leise und klang dabei etwas enttäuscht, ja, sogar ein wenig traurig.

"Und jede, wirklich jede auch nur halb so starke Mannschaft bekommt das auf die Reihe und jetzt, jetzt Männer erklärt mir bitte wieso unsere Mannschaft es nicht auf die Reihe bekommt, nett miteinander umzugehen und etwas schönes auf dem Rasen zu präsentieren?"

Er stoppte bei Mats und sah ihn streng an. Der Jüngere jedoch starrte nur auf den Boden und traute sich nicht, den Blick nach oben zu richten.

Keiner traute sich in dieser Minute des Schweigens etwas zu sagen. Wir alle hatten ein Stimmungstief. Es ging uns allen nicht gut, davon abgesehen, mussten wir zusehen, wie wir Höwedes in der Innenverteidigung ersetzen konnten, denn Wir alle wussten, dass es Bene nicht gut ging.

Ganz und gar nicht gut.

Jedenfalls hatte das Stimmungstief nun auch mich erreicht, denn ich war angepisst. Angepisst auf die Spieler, die sich verhielten, als wären sie Teenager, die sich über einen kaputtgegangenen Ball stritten und angepisst darüber, dass meine letzten Zwei Kommentationen unvorbereitet waren und einfach in die Hose gingen, da die Jungs sich dachten, sie müssten Looney Tunes auf dem Platz spielen.

Aber ich mochte mein Stimmungstief. Wie gesagt, ich hatte gern schlechte Laune und konnte so meine Hormone so richtig ausleben.

"Ich möchte doch einfach nur, dass ihr einfach mit einander auskommt und wir nicht unbedingt in der Vorrunde ausscheiden." Der Bundestrainer seufzte und schaute in die Runde.

Setzte wieder zum laufen an, wurde jedoch von Leno aufgehalten, denn der Keeper hatte sich in den Gang gestellt und schaute gespannt in die Runde.

"Seht mich bitte an." Monoton begann er zu sprechen. "Was seht ihr? Einen König? Einen Bettler? Einen Eisverkäufer? Einen Zauberer?" Er stoppte und sah in die Runde.

Sogar Mats hatte seinen Blick auf den Leverkusener gerichtet und hörte gespannt auf dessen Ansprache.

"Ihr seht Bernd Leno, einen Menschen mit Geburtsurkunde und Namen. Einen Menschen, der Fehler macht, falsche Entscheidungen trifft und nicht immer zur richtigen Zeit, am richtigen Ort ist. Aber ihr seht auch den Keeper mit der Nummer 12 auf dem Rücken, der nach Marć und Manu immer nur die Nummer Zwei bleiben wird und der trotzdem versucht, euch immer die Kiste sauber zuhalten, denn Männer, für die Bälle, die hinten ankommen, können wir Alle etwas. Ob es der Stürmer ist, der den Konter zulässt, ob es der Mittelfeldspieler ist, der den Pass zu hoch ansätzt, ob es der Abwehrspieler ist, der die Lücken nicht schließt, oder ob es letztendlich der Keeper ist, der in die falsche Ecke springt. Wir machen doch alle Fehler."

Leno gestikulierte wild und beendete schließlich seine Rede mit einem Seufzten.

"Ist ja ekelhaft..." Lukas neben mir verzog das Gesicht und starrte Leno angeekelt an.

Doch Bernd ließ sich davon nicht abbringen und beendete endgültig seine Rede.

"Und jetzt... geht spielen."

"Ich kommentiere nur."  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt