zwischen Blitz und Donner

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"Du bist der Blitz und die Menschen um dich herum der Donner."

"Lukas, wie meinst du das?" Doch bevor er mich hörte, war er auch schon wieder aus dem Zimmer gelaufen und wahrscheinlich schon wieder komplett in seiner eigenen Welt versunken. So wie, ein Lukas Podolski eben.

Wie Blitz und Donner, aber was war, wenn man zwischen Blitz und Donner stand. Was war, wenn man zwischen der hellen Seite der Macht und der Dunklen stand? Ein Kopfgeldjäger, der durch Bezahlung lebte? Oder war man einfach nur ein bemitleidenswertes Häufchen Elend?

Egal was das zu bedeuten hatte, Lukas hatte meine Stimmung nicht unbedingt in eine bessere Richtung bewegt. Nun saß ich hier, auf dem Balkon und lauschte den Regentropfen und den Himmelsstimmen.

Draußen stürmte es. Es stürmte so sehr, dass ich meine Haare nicht mehr von meinem Gesicht fern halten konnte und mir langsam kalt wurde. Ich hatte noch nie einen solchen Sturm gesehen. Irgendwie fande ich es wunderschön. Es sah so aus, wie es auch in mir aussah. Kaputt und grau und verlassen.

Vielleicht hatte Lukas recht. Vielleicht war es so. Vielleicht war ich wirklich der Blitz und die anderen der Donner. Aber was war das für eine Metapher? Was hatte ich, was mich zum Blitz machte?

Und als ich mich aufschwang, um ins Zimmer zurück zugehen, sah ich den Dunkelhaarigen aufs Tor klettern. Beinahe hätte ich ihn für verrückt erklärt, aber dann beschloss ich, es ihm gleich zu tun.

Also ging ich durch den langen Flur, immer in der Hoffnung, niemanden sehen zu müssen. Ich wusste immer noch nicht, wie ich mit den einzelnen Profis umgehen sollte. Ich wusste schließlich nicht einmal, wie ich mit Mats umzugehen hatte, also ging ich schnellen Schrittes und mit dem Blick auf den Boden, nach unten.

"Leonie!"

Ruckartig blieb ich stehen. Mir lief ein Schauer über den Rücken und ich wagte es nicht, mich umzudrehen und mich meinem Gegenüber zu stellen.

"Wo willst du hin?" Toni kam angelaufen und legte seine kalte Hand auf meine Schulter, dann drehte er mich, um mir in die Augen zu sehen, doch ich schwieg weiter hin und sah nur auf den Boden.

"Hey, was ist los, Süße?" Etwas beunruhigt sah er mich an, schob seine rechte Hand unter mein Kinn, um es leicht anzuheben und mir in die Augen zu sehen.

Ich zuckte mit den Schultern und wollte mich aus seinen Griffen befreien, doch es gelang mir nicht. Schließlich seufzte ich nur und sah ihn monoton und kraftlos an.

Ich konnte nicht mehr. Das war wieder alles zu viel für mich. Woher sollte ich wissen, wer Blitz und wer Donner war, wenn ich mir selbst nichtmal sicher war, wo ich hingehörte und wonach ich die ganze Zeit strebte?

Woher sollte ich wissen, was ich falsch mache, wenn ich zwischen zwei von einander abhängingen Welten lebte. Ich lebte dazwischen, mich trennte etwas von ihnen und ich wusste nicht, was es war und wie ich es loswerden würde.

"Wenn du reden willst...-"

"Danke." Ich konnte mich schließlich aus Tonis Griffen befreien und das ließ mich erleichtert ausatmen. Ich war nicht mehr so der Typ für Körperkontakt und Rechtfertigungen. Und egal wie diese Europameisterschaft ausgehen würde, ich hätte auf jeden Fall einiges gelernt. "Aber nein..." beendete ich noch meinen Satz, ehe ich zu Laufen begann.

"Was ist los, Leo?" Der blonde Standartprofi rief mir hinterher, doch ich lief einfach weiter. Ich musste jetzt herausfinden, wo ich war und was ich sein wollte.

"Ich muss wissen, wo ich bin!" Und damit begann ich, viel schneller zu Laufen. Ich wusste nicht wieso. Entweder, weil mein Körper einen Geistesblitz erlangte, ohne, dass mein Bewusstsein davon etwas mitbekam, oder, weil ich weiteren Fragen entgehen wollte.

Draußen angekommen, beobachtete ich ein letztes Mal die Himmelslichter. Ich sollte der Blitz und die anderen der Donner sein, aber wieso? Was hatte das mit mir zutun?

Wenn ich einen Blitz beschrieben würde, würde ich sicherlich sagen, dass er wunderschön war,( was schonmal nicht auf mich zutraf), dass er schnell war, (Was auch nicht unbedingt auf die Fähigkeiten eines Torwartes zurückzuführen war) und dass er faszinierend und mysteriös war, aber ob das auf mich zutraf, konnte ich schlecht beurteilen.

Obwohl es wahrscheinlich stimmte. Ich war die Stille Seite des Teams. Die mysteriöse Seite, mit dem Geheimnis. Ich war die, die leichtfüßig und schnell ihre eigenen Wege durch die Europameisterschaft nahm, ich war die, die nie richtig gewusst hatte, wo sie hin gehörte. Wie ein Blitz eben.

Die Jungs dagegen, waren die laute, muntere Seite des Teams. Immer für Krach und Spaß zu haben. Immer auffällig. Die Seite, die ohne Probleme durch die Welt lief. Die Seite, die einfach Spaß haben wollte, die Aufmerksamkeit wollte. Wie ein Donner.

Und plötzlich machte alles einen Sinn.

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