Kommentarlos

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Ich saß gerade auf meinem Bett, hatte einen extremen Tiefpunkt erreicht. Ich hatte eingesehen, dass heute der Tag gekommen war, vor dem ich mich immer gefürchtet hatte. Ich hatte eingesehen, dass Menschen nicht immer nett waren und ich musste einsehen, dass ich es nicht allen hier recht machen konnte, egal wie der ich es versucht hatte.

Heute war der Tag gekommen, an dem ich mich damit abfinden musste, dass ich es verkackt hatte. Heute musste ich realisieren, dass ich es nicht schaffte, mit meinen Problemen umzugehen.

Es musste heute irgendwie enden.

"Josh!" Marco kam ins Zimmer gestürmt und sah den Bayer mit großen Augen an. "Hier, hilft gegen Liebeskummer!" Breit grinste der Dortmunder und warf dem Jüngeren eine große Flasche Jägermeister zu.

Mit großen Augen sah ich Marco an, der schon um einiges mehr an Promille hatte, als ich erwartet hätte.

"Was? Willste auch was?" Er grinste pervers, ging dann aber, nach dem ich mit einem Kopfschütteln verneinte, aus dem Raum.

"Ich nehm auch was!" Grummelte dann Jonas, ging auf den Bayer zu und begann einige Schlucke zu trinken, setzte dann ab und verzog angeekelt das Gesicht. "Ja. Schmeckt immer noch Scheiße."

Ich musste leicht schmunzeln, machte mich dann aber auch daran, mir einen Pullover an zu ziehen. "Jonas?" Fragte ich, ging einen Schritt auf den Verteidiger zu. "Es tut mir leid..." grummelte ich dann, hatte Hoffnungen, dass er es absegnete, doch er ging einen Schritt zurück.

"Steck dir das sonst wo hin..." fauchte er und ging dann endgültig aus dem Raum. Ich seufzte nur schwer.

Ich hatte Verdammte Herzschmerzen. Jonas war der letzte, den ich hier verlieren wollte, oder den ich in irgend einer Weise verletzen wollte.

"Läuft nicht mehr, nicht?" Joshua legte den Kopf schief und sah mich merkwürdig und neugierig an.

Ich schüttelte den Kopf und seufzte dann. "Irgendwie nicht, nein." Dann sah ich zu ihm runter.

Er lächelte nur leicht und hielt mir den Jägermeister hin. "Hier, hilft sicher." Doch auch den Alkohol lehnte ich dankend ab. Nein, es hatte sich ein für alle Male ausgesprochen.

Alkohol war keine Lösung und ich hatte kein Recht mich aus meinen Problemen rauszutrinken. Ich musste das jetzt allein Schaffen.

Obwohl das leichter gesagt, als getan war.

Ich war heute wortwörtlich Kommentarlos.

In meinen Gedanken versunken, ging ich in die Mensa, in der die Stimmung nicht viel besser war. Wieso sollte sie auch? Wir waren raus. Es war aus und vorbei für uns. Die Deutsche Nationalmannschaft hatte diese Saison nichts auf die Reihe bekommen.

"Halt deine Klappe!"

"Du bist auch nicht mehr der Jüngste, Neuer!"

Normal.

Ja, ich empfand es gerade für vollkommen normal, dass Benedikt Höwedes und Manuel Neuer einige Kampfworte äußerten.

Mittlerweile ging hier doch alles drunter und drüber und mittlerweile wussten wir doch alle nicht mehr, wo wir hingehörten und was wir hier noch zu suchen hatten.

"Leo, Maus!" Marco kam auf mich zu getolket, japste und lallte und lachte und war so Euphorisch wie nie zuvor.

"Du bist betrunken, Marco..." erwiderte ich etwas angeekelt. Ich fand den Weg, den einige hier wählten, definitiv nicht richtig.

Eigentlich wollte ich hier nur in Ruhe sitzen, Basti und Poldi mit meiner Anwesenheit einen Gefallen tun und einfach hoffen, dass dieser schreckliche Tag endlich ein Ende nahm.

Denn ich war ein für alle Mal Kommentarlos.

Doch völlig überraschend nahm Marco mein Gesicht zwischen seine warmen Hände und lächelte süß. Er kam mit seinem Gesicht näher und küsste mich. Aber es war kein einfacher Schmatzer, es war ein gefühlvoller seiner Seits und damit warf er mich direkt in ein Chaos der Gefühle.

Dieser Kuss war so wunderschön, so unerwartet und ich fühlte mich so sicher. Doch die Schmetterlinge im Bauch fehlten. Da war nichts.

"Leo? Marco?!" Mario und Mats standen am Eingang der Mensa und sahen abwechselnd zu Marco und dann zu mir.

Auch der Blonde und ich sahen uns an. Ein wenig erschrocken, ein wenig unbeholfen. Und dann viel mir alles ein, was ich an Marcos Seite nicht hatte. - Mats.

Doch der Verteidiger war schon über alle Berge, also sprintete ich ihm direkt hinter her.

"Mats! Bitte warte doch!" Ich rannte. Erreichte gerade noch seinen starken Arm.

Der Dunkelhaarige drehte sich ruckartig um. "Was zum?!" Er stoppte. Schüttelte enttäuscht den Kopf. Sah auf den Boden.

Fuck, Fuck, Fuck! Was hatte ich getan? Was hatte er getan? Wieso musste es denn auch passieren?

Ich wusste nicht, was ich jetzt tun sollte. Ich hatte gerade an einem Tag alles verloren, auf das ich über Monate hin gearbeitet hatte.

"Mats, ich... lass es mich erklären! Es bedeutete mir rein gar nichts!" Ich versuchte die passenden Worte zu finden. Hielt immer noch seinen Arm.

Doch nichts brachte etwas. Ich war Kommentarlos. Es hatte sich ausgesprochen. Es gab nichts mehr zu sagen.

-"Es hat dir nichts bedeutet?" Der blonde Stürmer kam auf mich zu. Scheiße verdammt.

Und nun musste ich mir eingestehen, dass ich mir selbst ein Bein gestellt hatte und dass ich hier nie wieder rauskommen würde.

"Marco, ich..." auch hier versuchte ich eine Erklärung zu finden. Verdammt.

-"Du bist es, oder?" Fragte er dann.

Mein Herz pochte so schnell, wie noch nie. Mir wurde auf einmal extrem kalt. Nun war es soweit. Ich konnte einpacken. Ich hatte verkackt.

"Sieh mich an, Leo!"

Ich nickte nur verlegen.

"Verdammte Scheiße Leo! Wieso?" Mats war aufgebracht. Verständlich. Ich hatte der ganzen Mannschaft etwas vorgelogen. Das Karma hatte zugeschlagen. 

Das Karma war schon ein mieses Arschloch.

"Es...es tut mir leid... ach verdammt..." Ich stotterte. Meine Beine zitterten. Meine Augen füllten sich mit Tränen.

"Ach, weißt du was? Vergiss es. Ich wechsel sowie so..." Mats winkte ab. Drehte sich, ging.

Meine Hände ließen seinen Arm los.

Ich blickte ihm noch hinter her. Meine Augen waren schwer von Tränen und nun fühlte ich mich wirklich von allen verlassen.

Jemand legte mir eine Jacke über die Schultern, erschrocken drehte ich mich um. Bastian Schweinsteiger stand versetzt hinter mir und lächelte leicht und aufmunternd.

"Ich hab's Verkackt, oder?"

Doch er nickte nur. - Dann ging auch er.

"Ich kommentiere nur."  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt