Fußballer machen keinen Feierabend

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Ich klopfte einmal an der Tür. Auch nach einem zweiten Mal rührte sich nichts. Besorgt lehnte ich mich mit dem Rücken an die Tür und ließ mich auf den Boden sinken.

Zog die Beine an und umschlang sie mit meinen Armen. Legte mein Kinn auf meine Knie und schloss die Augen.

Mario wollte sicher seine Ruhe haben. Aber ich wollte nicht, dass er allein war. Nicht nach heute. Nicht nachdem solch fiese Sachen gegen ihn gesagt wurden.

Im eigenen Verein.

Von seiner eigenen Familie.

"Wenn du reden willst, ich werde den ganzen Abend hier sitzen und diese Idioten von deiner Tür fernhalten. Dir ein offenes Ohr spenden und für dich da sein, so wie Freunde es halt tun und ich möchte für dich eine Freundin sein und dir zuhören und-"

Mario öffnete die Tür, welche unglücklicherweise nach innen Aufging, sodass ich kurzer Hand nach hinten fiel und wie ein hilfloser Käfer vor Mario auf dem Rücken lag.

Marios Augen waren rot unterlaufen und angeschwollen. Keine Frage, er hatte geweint.

"Atme, Leo. Ich bin nicht so wie Hummels." Er lächelte mich an. Wieso lächelte er? Wieso lächelten immer Alle, obwohl es ihnen Scheiße ging?

Ich lächelte so schon kaum, aber wenn ich so verbal zerstört geworden wäre, dann...

Ach, ihr wisst schon.

Mario half mir hoch und ich schloss die Tür hinter mir. Schaute ihn getrübt an.

Sunny ließ sich aufs Bett fallen und starrte die Decke an. Wieso waren sie so zu ihm? Was hatte er ihnen getan?

Er war doch so ein netter, aufgeschlossener Mensch.

Mein Blick blieb auf seinem Arm hängen. Er hatte einen Verband um. Wann hatte er sich denn Verletzt?

Was hatte ich denn nicht mitbekommen? "Was hast du da getan?" Fragte ich verwirrt. Deutete auf seinen Arm.

"Zwing mich bitte nicht zu lügen..." er starrte weiter die Decke an. Kaute auf seiner Zunge. Schenkte mir keinen Blick.

"Mario, ich..." "Bitte." Er klang verzweifelt. Richtete sich auf. Setzte sich neben mich. Hielt sich am Bett fest.

"Meine Geheimnisse sind bei dir sicher." Sagte ich monoton. Schaute auf den Boden. Wusste nicht die richtigen Worte.

Er seufzte. "Ich weiß."

Ich sah stumm zu ihm rüber. Hoffte auf eine Antwort. Lächelte ihm zumutend zu.

"Kennst du das? Die innerliche Stimme, die sagt 'Versager'?" Er schaute zu mir rüber. Seine Augen leuchteten. Vor Wut, Enttäuschung, Frust.

"Und du setzte die Klinge zum Arm?" Nun kullerte ihm eine Träne über die Wange. Ich riss die Augen auf.

Er hatte doch nicht? Nein. Das konnte nicht sein.

"Ich bin ein Versager, Leo..." Sagte er dann kaum hörbar. Sah zu mir rüber.

Mit großen Augen schaute ich ihn an. Schüttelte langsam den Kopf. Nein, er war kein Versager. Nein, nein, nein.

Verdammt, Nein.

"Nein." Sagte ich monoton.

"Nein."

Und dann fiel mir etwas ein, was mein Vater einmal zu mir gesagt hatte. "Die Person, die die ganze Zeit lächelt und lacht, ist die Person, die sich nachts in den Schlaf weint..."

Und jetzt verstand ich diesen Satz. Ich verstand Alles. Er hatte mal wieder recht. Mein Vater hatte wieder recht.

Er hatte immer recht. Verdammt.

Und dann warf er einfach sein Leben weg. Sagte nichteinmal 'Auf Wiedersehen'.

Auch mir lief eine Träne über die Wange. Ich wollte stark sein. Stärker, als mein Vater es war.

Doch es klappte nicht.

Es hatte noch nie geklappt.

Ich breitete meine Arme aus und Mario legte seinen Kopf auf meine Schulter.

"Ich zerbreche innerlich, doch kann nichts Anderes machen, als so zu tun, als wäre meine Welt in bester Ordnung." Mario seufzte. Kuschelte sich näher an mich.

"Ich weiß."

"Es ist hart zu wissen, dass er mich gar nicht braucht." Mario schüttete mir seine Seele aus. Wir rührten uns nicht vom Fleck. Genossen die Zweisamkeit.

"Es tut weh. Ich weiß." Sagte ich wieder nur monoton. Der Satz hätte auch von mir kommen können.

Mats brauchte mich schließlich auch nicht. Er gab einen Scheiß auf mich.

Lange saßen wir noch so da. Keiner traute sich etwas zu sagen. Bis mir eine Idee kam.

Ich schob ihn weg und rannte aus dem Zimmer, holte unsere Laufschuhe und meine Box, einen Rucksack und schmiss dann sie Schuhe vor Mario.

"Anziehen." Befahl ich. Grinste ihn schief an. Er schaute nur Fragend zu mir hoch.

Bitte frag nicht, ich wusste selbst nicht woher auf einmal meine Motivation kam.

Er lächelte schief und zog seine Schuhe an. "Wieso?"

Ich überdrehte die Augen. War klar, dass er fragt. Männer konnten nie etwas unkommentiert lassen.

"Fußballer machen keinen Feierabend!" 

•••
Wie einigen eventuell aufgefallen ist, ist die Geschichte nach meinem BVBkader geschrieben und entspricht nicht der Wirklichkeit.

Größtenteils ist der Kader aus der Saison 12/13. Da habe ich den BVB richtig kennengelernt und er hat mich zu der Zeit überzeugt. Ich mochte den Kader damals sehr.

Außerdem ist mir gerade ein Logikfehler aufgefallen. Denn ich dachte, dass zwischen der WM14 und der EM16 Hummels und Götze sich beim BVB trafen.

Falsch gedacht. Die Zwei trafen sich auf Bayern.

Aber ich hoffe, es stört euch nicht!

Außerdem wird es bald eine Parallele Geschichte geben. Diese spielt 2014 zur WM und erklärt Mats Verhalten. Sie wird "Foot on the Ball!" Heißen. Fuß am Ball. Wieso, Werdet ihr sicher merken.

Naja, danke für 500 reads und viel Spaß weiterhin!

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