Nell's Sicht:
"Fuck." nuschelte Marcel an meinem Ohr. "Wir müssen hier raus." erwiderte ich starr vor Schock. "Und wenn es nur eine Probe ist?" fragte Marcel etwas lauter, als ich mich von ihm löste, zwei Bademantel aus dem Regal nahm und ihm einen davon zuwarf. "Hätte Löw angekündigt. Außerdem legt er nicht wegen einer Feuerprobe das Stromsystem lahm." widersprach ich. Marcel tastete im Dunkeln nach meiner Hand. "Okay, raus hier." flüsterte er und schon verließen wir in Windeseile das Zimmer. Für Schuhe oder wertvolle Sachen blieb keine Zeit. Im Gegensatz zu Marcel kannte ich jeden Winkel dieses Gebäudes in und auswendig, deshalb zog ich ihn einfach mit. Unsere Schritte hallten in immer kürzer werdendem Abstand wider, als uns bewusst wurde, dass außer uns niemand im Haus war. "Wir müssen die Treppen nehmen, der Aufzug ist wohl auch defekt wegen dem Stromausfall." erzählte ich Marcel. Er gab keine Antwort, deshalb schleppte ich ihn einfach weiter. Noch immer dröhnte der Alarm aus allen Gängen. Die Angst trieb mich an und Marcel musste so oder so mithalten. Erst als wir an die frische Nachtluft gelangten, stieg mir leichter Rauchgeruch in die Nase. Jetzt übernahm Marcel die Führung, aber ich drehte mich um und starrte am Gebäude hinauf, wo lodernde Flammen hinter den Fenstern züngelten und dichter Qualm sich aus allen Ritzen drängte. Starker Wind ließ das Feuer noch höher entfachen. "Oh Gott." entfuhr es mir. Ich musste zusehen wie ein Teil meines Zuhauses abbrannte. Marcel zerrte an meiner Hand, doch ich stemmte meine nackten Füße in die Erde unter mir. "Nell, bitte komm da weg. Sieh es dir nicht an." flehte Marcel verzweifelt. Nur langsam wandte ich mich ab, doch Marcel riss mich herum und schob mich vor sich her, bis ich im Park die vielen Leute sehen konnte, die sich zusammendrängten und wie ich eben dort hoch starrten. Marcel zog mich an sich und drückte meinen Kopf auf seine Schulter, damit ich es nicht sah. Nicht sah, wie eine Naturgewalt an meinen Erinnerungen zerrte und kratzte, um sie mitzunehmen. Wie orangerot gleißende Hitze Dinge zu Asche zerfallen ließen, die ich vielleicht noch vor wenigen Stunden unbewusst berührt hatte. Angestrengt versuchte ich, zum Quartier zu schielen und dann war ich mir sicher. Das war meine WG. Unsere WG. Und Mario und Marco standen irgendwo mitten unter den anderen und dachten vielleicht dasselbe. Aber erstmal gab es da ein anderes Problem. Ein lautstarkes Wortgefecht drang zu mir herüber. "Lasst mich gefälligst los, meine Tochter ist noch da drin!" brüllte mein Bruder verzweifelt, während Jerome und Lukas versuchten, ihn davon abzuhalten, noch einmal das Gebäude zu betreten. Ich löste mich derweil von Marcel und sah entsetzt in Manu's Richtung. In der nächsten Sekunde war ich losgerannt, wollte zu Manu. Ihn anschreien, dass er log, dass das alles nur ein dummer Scherz war, aber was ich spürte, war nur der Aufprall, als sich jemand direkt in meinen Weg stellte. Es war Marco. Ich sah nur kurz zu ihm hoch, aber Marah war wichtiger. "Nell, bist du in Ordnung?" fragte Marco aber und hielt mich an den Schultern fest. Ruckartig sah ich ihn an. Ich hatte das Gefühl, wir würden im selben Moment exakt das gleiche denken. Das Kriegsbeil war für jetzt begraben. "Mir geht's gut. Aber Marah. Ist sie da noch drin?" fragte ich aufgelöst und hektisch. "Sie muss davon gekrabbelt sein. Aber es ist schon jemand auf der Suche nach ihr." beruhigte er mich. Es klang irgendwie komisch, was er da sagte. "Sind sonst alle draußen?" hakte ich misstrauisch nach. "Nell... Er...weiß, wie es sich anfühlt ein Kind zu verlieren. Und er weiß, wie sehr du sie liebst. Es ist Mario. Mario ist da rein, um sie zu finden." gab er zu. Mein Herz begann sofort zu rasen. "Ist das dein Ernst?" stieß ich hervor. Marco sah mich mitleidig an. Er wusste genau, dass ich Mario...dass er mir nicht egal war. "Wieso hast du ihn nicht aufgehalten?" fuhr ich nun Marco an, der seine Hände von meinen Schultern nahm. Er schüttelte leicht den Kopf. "Er war nicht aufzuhalten." murmelte er und senkte den Blick. Der Wind peitschte um meine Beine. Als wollte er mich animieren. Und ich gehorchte dem Wind. Ehe Marco irgendwie reagieren konnte, rannte ich los, an den Jungs vorbei, die mit Manu beschäftigt waren. Ausgerechnet dieser sah mich aber. "Nell!" schrie er, als ich durch den Eingang flitzte. Ich spürte zig Blicke in meinem Rücken. Ich hetzte die Treppen hoch, bis ich im dritten Stock vor der Glastür stand, hinter der sich dichter Rauch zusammendrängte. Aber es war der einzige Weg und Marah und Mario waren wahrscheinlich genau da drin. Ich atmete tief durch und riss dann mit einem Ruck die Tür auf. Zuerst taumelte ich kurz zurück, weil der beißende Geruch meine Sinne benebelte, aber dann rappelte ich mich auf und rannte einfach durch. Ich lief geduckt, weil der Rauch nach oben stieg und die Luft so unten besser war. Meine Augen brannten fürchterlich. "Mario!" schrie ich, doch sofort kratzte mein Hals und eine Antwort bekam ich dennoch nicht. Und dann sprang ich einen großen Schritt zurück, als mir die Flammen entgegen schlugen. Ich presste mich an die gegenüberliegende Wand und umging das Feuer. Überall brannten ein paar Stellen, aber wenigstens war der Rauch somit hier nicht ganz so dicht. Es war nur unglaublich heiß. Ich stand vor der Tür der WG. Sie stand halb offen. Als ich hindurch ging, hörte ich sofort Marah's herzzerreißendes Geschrei. Als ich zwei Schritte weiter lief, hörte ich auch das Husten, das sich darunter mischte. "Mario!" schrie ich erneut aus vollem Halse. Überall knisterte und knackte es, doch ich nahm trotzdem wahr, wie das Husten verstummte. Ich stolperte ein paar Schritte weiter, bis ich die Gestalt am Boden entdeckte. Mario hatte dieselbe Idee wie ich. Unten konnte man freier Atmen, außerdem schützte er Marah, indem er sie im Schutz seines Körpers hielt. Mario und ich sahen uns im selben Moment. Während ich auf sie zustürzte, setzte er sich leicht auf. Ich ließ mich auf die Knie fallen. "Mario..." gab ich zitternd von mir. Er drückte mir Marah in die Arme. "Bring sie raus." krächzte er und hustete erneut. "Nein, komm mit! Steh auf! Du musst hier raus!" schrie ich. Tränen liefen in Strömen über meine Wangen. "Ich schaffe es allein hier raus, aber bring dich und Marah in Sicherheit." brachte er hervor. Ich drückte Marah ganz nah an meinen Körper. Sie kreischte immernoch wie verrückt. "Ich geh nicht ohne dich." widersprach ich stur. Mario nahm mein Gesicht in seine Hände, zog mich heran und küsste mich. Zwar kurz, aber sehr intensiv. "Ich liebe dich." sagte er. "Ich...ich..." stotterte ich, doch Mario unterbrach mich. "Hau ab! Geh jetzt!" forderte er. Ich zögerte. "Verschwinde!" jagte er mich fort. Ich rappelte mich schluchzend auf und rannte los, ohne mich noch einmal umzudrehen. Ein Schrank an der Wand hatte Feuer gefangen und schien nun förmlich zu explodieren. Jeder Weg zurück war jetzt abgeschnitten. Aber dafür auch Mario's Weg nach draußen. Ein brennender Holzsplitter traf hart auf meine Wade. Ich schrie kurz auf und drohte wegzuknicken, biss mir dann aber auf die Unterlippe und rannte weiter. Humpelnd stürmte ich die Treppe hinunter. Ich brach endlich an die frische Luft. Sofort wurde ich von allen Seiten belagert. Manu zerquetschte mich in seinen Armen, Marah zwischen uns. Jemand berührte mich an dem Bein, wo ich verletzt war und welches ich nicht belastete, aber ich ignorierte es. "Nell, wo ist Mario?" drang auf einmal Marco's Stimme zu mir durch. Ich löste mich von Manu, übergab ihm dabei Marah und drehte mich humpelnd zu Marco um. Er griff nach meiner Hand, worauf ich einfach meine Arme um seinen Oberkörper schlang. "Er ist noch drin. Es tut mir leid. Er hat mich rausgeschickt. Er hat gesagt, er kommt hinterher. Marco, es brennt überall." schluchzte ich. Er drückte mich fester an sich. "Okay. Er...er schafft das schon." wollte er mich trösten, was aber nicht sehr zuversichtlich klang. "Die Feuerwehr ist da. Lass uns mal nach deiner Wunde sehen." murmelte er dann. Ich löste mich schniefend von ihm. Auf einmal war Marcel da. Zog mich stürmisch in seine Arme. Über seine Schulter hinweg sahen Marco und ich uns an. Doch Marco senkte den Blick schnell. "Oh Gott, mach sowas nie wieder, ja?" flüsterte Marcel mir zu. Er küsste meine Wange und löste sich dann ein paar Zentimeter von mir, um mich auf den Mund zu küssen. Ich erwiderte den Kuss kaum. Noch vor wenigen Minuten hatte Mario mich geküsst. Sollte ich Marcel davon erzählen? Oder sonst wem? Nein. Ich würde es vorerst für mich behalten. Erstmal mussten alle in Sicherheit sein. "Nell?" sprach mich Marco wieder an. Ich löste mich von Marcel und ließ mich von den Beiden zu einer Liege führen, wo daneben ein Sanitäter stand. Ich legte mich auf dem Bauch darauf. Der Sanitäter kam sofort mit einer Sprühflasche Desinfektionsmittel. Ich krallte die Finger in die Polster der Liege. "Könnte einer von Ihnen beiden..." meinte der Sanitäter, worauf eine Hand in meiner Kniekehle platziert wurde, sodass ich mein Bein nicht wegziehen konnte. Ich biss die Zähne zusammen und machte mich darauf gefasst, tausend Tode zu sterben. Ich hörte, wie die Sprühflasche betätigt wurde. Und dann durchzuckte ein fürchterlicher Schmerz mein Bein und bahnte sich durch meinen ganzen Körper. Ich schrie sofort auf und begann wieder zu weinen. Noch weitere Male sprühte der Sanitäter die Wunde ein und jedes Mal schrie ich voller Qual auf. Die Hand an meiner Kniekehle drückte mich fester auf die Liege, als ich meine Unterarme auf die Liege stützte und mein Körper sich aufbäumte. Aus Instinkt wollte ich einfach nur weg. Alles, was der Sanitäter danach tat, bekam ich nicht mehr mit.
Mario's Sicht:
Ich zögerte tatsächlich einen Moment, bevor ich mich entschied, einen Weg nach draußen zu suchen. Ich bekam kaum noch Luft, mein Schädel tat höllisch weh und ich war kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren. Komm schon, du hast gesehen, dass sie dich liebt. Du hast sie geküsst. Soll das das letzte Mal gewesen sein? "Nein." flüsterte ich vor mich hin. Ich rappelte mich schwerfällig auf und tastete mich mit einer Hand an der Wand abgestützt durch den Rauch. Ununterbrochen wurde mein Körper vom Husten erschüttert. An der Tür zum Gang musste ich stoppen. Alles stand in Flammen. Hoffentlich war das erst ausgebrochen, nachdem Nell diese Stelle passiert hatte. Die Hitze schien die Haare auf meiner Haut zu versengen. Ich wich zurück und auf einmal stand ich in undurchdringlichem, schwarzgrauen Qualm. Einmal atmete ich ein, dann wurden meine Sinne dumpf und ich sank auf den Boden. Undeutlich nahm ich war, wie das Feuer vor mir plötzlich erlosch. Schrille Stimmen prasselten auf mich ein. Dann war ich weg. Warme Luft strömte in meine Lungen, als ich langsam mein Bewusstsein wiedererlangte. In regelmäßigen Abständen blähten sich meine Lungen auf. War das Wasser auf meiner Haut? Immer mehr meiner Sinne erwachten zu neuem Leben. Ich spürte Kälte. Ich war nicht mehr zwischen den Flammen. "Mario, bitte." sagte eine schwache Stimme, dann kam erneut ein Luftstoß in meiner Lunge an. Eine Hand lag an meinem Kinn, die andere hielt mich davon ab, durch die Nase zu atmen. Mein Hals war leicht überstreckt. Und da waren diese Lippen, die meine streiften. Es war reines Verlangen, dass ich mein Husten unterdrückte und stattdessen diese Lippen küsste. Sofort löste sie sich von mir. "Mario. Mario, mach die Augen auf." flehte sie. Langsam blinzelte ich. "Wenn irgendwelche meiner Gliedmaßen verbrannt sind, sag es mir bitte gleich." krächzte ich. Sie schüttelte den Kopf. "Du bist so scheiße." schluchzte sie, wobei ihre Tränen auf meine Wangen tropften. Ich bewegte langsam den Kopf. Ich war umgeben von den anderen. Unter anderem Manu mit Marah auf dem Arm. Ruckartig setzte ich mich auf, worauf sich gleichzeitig Nell und Marco neben der Liege platzierten, die ich besetzte. "Geht's ihr gut?" fragte ich voller Sorge. "Sie hat von dem Rauch nichts abbekommen. Dank dir." antwortete Manu. Ich sah zu Nell. "Und dank dir." murmelte ich und legte meine Hand auf ihre, die sie auf der Liege abstützte. Langsam zog sie ihre Hand weg. Hinter ihr trat Marcel auf die Bildfläche. Achja, der war ja auch noch da. Nell drehte sich um und humpelte zu ihm. Moment... humpelte? Mein Blick wanderte zu ihrem Bein, wo ein dicker weißer Verband um ihre Wade gewickelt war. Ein ganz leichter roter Schimmer war allerdings zu sehen. "Was ist passiert?" wandte ich mich leise an Marco. "Nichts dramatisches. Ein brennendes Stück Holz muss sie irgendwie getroffen haben. Der Sanitäter meinte, es wird vermutlich keine Narben geben. Aber du hättest sie hören sollen, als der die Wunde behandelt hat. Wie am Spieß hat sie geschrien." erzählte er. Ich nickte nur abwesend. Mein Blick war auf Nell gerichtet, wie sie sich an Marcel schmiegte. Sie schien ihm nichts von dem Kuss erzählt zu haben. Aber als er meinen Blick erwiderte, glaubte ich zu erkennen, dass er so langsam resignierte. Aber eben glaubte ich das nur...
Rabea du bist ein Schmierlappen.
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Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}
FanfictionAuf ihrer Hüfte kam ein kleines tätowiertes M zum Vorschein. "Ich habe mir immer eingeredet, es würde für Manu stehen. Aber ich glaube es stand und steht nur für dich, Mario." FanFiction mit Mario Götze und vielen Anderen