Kapitel 95

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Mario's Sicht:

Noch am selben Abend nach dem Spiel wurde ein gemeinsames Essen veranstaltet. Die anderen freuten sich sehr über mein Tor. Mehr sogar als ich selbst. Schließlich war es nicht wirklich mein Tor. Hätte der Argentinier seinen Körper nicht versehentlich in den Weg gestellt, wäre der Ball mit Sicherheit vorbeigeflogen. "Man Mario, es interessiert keinen Mensch, was passiert wäre, wenn und hätte und blablabla. Du hast den Ball geschossen und die Leute feiern dich dafür." wollte Marco mich überzeugen, der einen Platz weiter - zwischen uns André - saß. "Aber dann feiern sie mich zu Unrecht." murrte ich. Erik rechts von mir stieß mir den Ellbogen in die Seite. "Dein Perfektionismus geht einem echt auf die Eier. Im Finale war es ganz allein dein Schuss und der hat gezählt." Ich ließ nur den Kopf hängen. "Ist das beim Sex mit Nell genauso? Suchst du da auch den perfekten Winkel zum einlochen?" fragte Marco vollkommen ernst und etwas genervt. Während die anderen sich nicht mehr einkriegten vor Lachen, schüttelte ich nur ungläubig den Kopf. "Ich wusste, das sowas kommt." murmelte ich. "Haha, er hat 'kommen' gesagt." blödelte Kevin. "Maaaan Keviiin!" kam es einstimmig von uns. "Ich darf doch auch mal kleine Scherze machen." reklamierte er. Die folgende Stille bewies, dass wir uns genau kannten und auf folgenden Spruch warteten, der von Marco kam. "Genauso klein wie dein Schwanz?!" rief er durch den halben Raum, worauf wir alle losprusteten. Erik lag zum Schluss halb tot auf dem Fußboden. Wir blickten auf ihn hinab. Neben ihm tauchten plötzlich zwei Beine auf. Löw. Wir sahen ihn alle unschuldig an, wie Hunde, die gerade seinem Herrchen das Sofa zerfetzt hatten. Erik rappelte sich schnell auf und setzte sich brav auf seinen Stuhl. "Hach Jungs, wo ist nur euer Niveau geblieben?" seufzte Löw. "Welches Niveau?" fragte André, worauf wir erneut in Lachen ausbrachen. Löw nahm es uns nicht übel und verschwand wieder. Ich hatte plötzlich so ein komisches Gefühl im Bauch. Als hätte mich jemand getreten und gesagt: Hallo, fällt dir was auf?! Ich blickte mich im Raum um. "Hat jemand 'ne Ahnung, wo Nell ist?" fragte ich schließlich in die Runde. "Junge, kommst du keine 2 Stunden ohne dein Betthäschen aus?" lachte Mario, der ein Stück entfernt saß. "Betthäschen?! Nell ist keine billige Tusse, die man keine 2 Wochen halten kann!" motzte ich. "Sie arbeitet hier. Denkst du wirklich, das ist eine Sache für die Ewigkeit? Für so naiv hätte ich dich nicht gehalten." meinte er abwertend. Ich funkelte ihn wütend an. Was hatte er den auf einmal gegen mich? Auch Marco, André, Erik und Kevin sahen ziemlich schockiert aus. "Wir wollten heiraten!" sagte ich und betonte dabei jede einzelne Silbe. Er hob die Augenbrauen. "Was hat euch davon abgehalten? Die Kleine weiß, was sie will. Ob du in ihr Beuteschema passt? Ich weiß nicht..." gab er schnippisch zurück. Ich hätte ihn umbringen können. Ich wollte aufstehen, aber Erik und André hielten mich zurück. Mein Vorhaben wurde aber von einem anderen erledigt. Manu riss ihn von seinem Stuhl und packte ihn am Kragen. "Ich werde dich hier nicht schlagen, aber es gibt genug andere Orte auf der Welt, an denen es mir Spaß machen würde, dir den Hals umzudrehen. Ich habe absolut keine Ahnung, was mit dir los ist - waren es die Pfiffe im Stadion oder das Tor, das nicht du geschossen hast - aber du hast keine Ahnung. Es passt mir nicht, aber meine kleine Schwester liebt dieses Idioten über alles. Nichts konnte diese Liebe bisher aufhalten. So Verlierer wie du schon garnicht." zischte Manu. "Reg dich ab, Manu." wollte Mario noch einlenken. "Ich bin vollkommen ruhig, wenn du deine Klappe hältst. Blut ist dicker als Wasser, wie man so schön sagt. Und deshalb werde ich nicht davor zurückschrecken deine Wasserbirne unversehrt zu hinterlassen, Betthäschen." knurrte Manu wieder und ließ Mario's Kragen mit einem Ruck los. Mario entfernte sich mit einem grimmigen Blick. "Was erlaubt der sich eigentlich?" wollte Marco wissen. Die anderen waren so abgelenkt, dass ich dieses Mal ohne Widerstand aufstehen konnte. Als ich schon drei Schritte weiter war, bemerkten sie es. "Wo willst du hin?" rief Erik mir hinterher. "Raus. Ich will hier raus." schnaubte ich und war dabei schon halb zur Tür raus. Ich lief planlos durch die Gänge, bis mir plötzlich Nell in die Arme lief. Und das meinte ich wörtlich. Sie kam auf mich zugestürmt, schlang die Arme um meinen Oberkörper und schien vollkommen durch den Wind. Ich umarmte sie erst mal nur. Mein Gemütszustand war nach der Aktion eben extrem kritisch und ich wollte nicht aus Versehen etwas Falsches sagen. Das nahm sie mir aber ab. "Mario, lass mich nicht mehr los." sprach sie auf einmal. Ich erschrak, weil ihre Stimme zitterte und sie fast schon mit den Tränen kämpfte. "Was ist denn passiert?" fragte ich sie jetzt und war überrascht, wie gefasst meine Stimme klang. "Ich war eben unten im Untersuchungsraum und... Ich... Meine Erinnerungen..." erzählte sie stockend. Ich verstand nicht. "Was Nell? Was?" bohrte ich nach. Ihr Atem war zitternd und wurde schneller. "Ich hab mir eingebildet, er wäre da. Ich habe seine Hände gespürt, Mario. Überall." flüsterte sie mittlerweile nur noch. Ich schluckte, während ihr die erste Träne über die Wange lief. "Er hat mich angeschaut und angefasst und... Ich dachte, es würde mir nicht schaden. Aber als ich da so stand, kam alles zurück. Nur waren Marco und Mo nicht da. Diesmal hat er es geschafft. Er hat..." schluchzte sie weiter. Ich legte meinen Zeigefinger auf ihre Lippen. "Shhh, er hat dich nicht bekommen und er wird dich nie kriegen. Du brauchst keine Angst haben. Ich hab dir doch versprochen, dass ich dich beschützen werde." flüsterte ich. Sie sah mich mit großen Augen an. "Hilf mir, Mario." sagte sie fast schon flehend. "Was soll ich tun?" fragte ich bereitwillig. "Mach die Augen zu und sag mir, wo du uns beide in der Zukunft siehst." bat sie. Ich verstand zwar nicht, warum sie das wollte, aber ich tat es. Ich schloss die Augen, ließ sie aber nicht los. "Wir sitzen am See beim Restaurant. Unsere Hände sind miteinander verschlungen. Und..." Ich wusste nicht, woher dieser Gedanke auf einmal kam, aber er blitzte auf und kam über meine Lippen. "...und...du bist schwanger." Ich schlug die Augen auf. "Danke, mehr wollte ich gar nicht." wisperte sie an meinem Ohr. "Du bist voller Rätsel." murmelte ich. "Das ganze Leben ist ein Rätsel. Und es gibt immer einen Schwierigkeitsgrad." erwiderte sie. Ich machte nur den Mund auf, aber mir fiel nichts ein, was ich sagen könnte. Mein Blick fiel auf ihren Hals, wo immernoch die Kette vorzufinden war, die ich so lange getragen hatte. Nämlich mit ihrem ehemaligen Verlobungsring. Ich hatte die Auseinandersetzung drinnen vergessen. Mario hatte in keinster Weise Recht. Nell war ein echter Mensch und verstand was vom Leben. Und meine Gefühle für sie wurden Tag für Tag stärker. "Du bist unglaublich. Ich liebe dich." sagte ich leise. "Ich dich auch." antwortete sie. Warum hatte ich so lange gewartet? Ich war mir ständig unsicher, dabei vertraute sie mir blind. Ich hatte das nicht verdient. Aber es machte mich glücklich. Und ich wollte und würde sie nicht enttäuschen. Vielleicht sollte ich mich einfach trauen. Gemeinsam gingen wir zurück zum Essen. Als würde Nell meine Gedanken lesen, als Mario sich an den Tisch setzte, beugte sie sich herüber und küsste mich sanft. Er starrte nur aus dem Augenwinkel herüber.

Am nächsten Tag waren wir zurück im Teamhotel. Während wir trainierten, um die Fehler von gestern gegen Schottland nicht zu wiederholen, saß Nell am Spielfeldrand und war mal wieder in ein Buch vertieft. Daneben ihren Laptop, auf dem sie parallel ihre Doktotarbeit fortsetzte. "Sie sieht echt süß aus, wenn sie so konzentriert ist." kommentierte plötzlich Marco neben mir. "Hä?" gab ich auf diese bescheuerte Aussage zurück. "Du starrst sie die ganze Zeit an." erklärte er. "Tu ich nicht." wiedersprach ich und passte ihm den Ball zu. "Sei doch froh, dass ihr nach doch schon relativ langer Zeit noch so verliebt seid." meinte er und jonglierte ein Wenig mit dem Ball. "Wie meinst du das?" fragte ich. "Bei den meisten hört dieses 'frisch-verliebt-Getue' doch nach vielleicht einem Monat auf. Bei euch nicht." erzählte er. "Ist das so offensichtlich?" wollte ich wissen. Marco lachte. "Frag dich mal, was du für sie fühlst, dann weißt du, was ich meine." "Ich liebe sie." antwortete ich. "Das weiß ich, aber überleg mal, was du fühlst, wenn sie da ist, wenn sie nicht da ist, ihr euch küsst..." zählte er auf. Ich blickte nochmal zu Nell herüber. "Kribbeln wenn sie in der Nähe ist, Herzrasen wenn sie vor mir steht, Gänsehaut wenn sie mich berührt, ein Ziehen in der Brust wenn sie nicht bei mir ist und doch das glücklich sein weil ich weiß, dass sie wiederkommt." schwärmte ich. "Es reicht wenn du das selbst weißt, das brauchst du mir nicht zu sagen." lachte Marco. "Und mir geht's genauso." erklang Nell's Stimme hinter mir. Ich wandte mich ihr ruckartig zu. Sie lächelte nur, während ich - warum auch immer - rot wurde. Jemand - vermutlich Marco, dessen Grinsen ich förmlich im Rücken spürte - schoss mir einen Ball in den Rücken, sodass ich einen Schritt nach vorne stolperte, direkt in Nell's Arme. Wie ich eben gesagt hatte, kribbelte alles. "Mario, ich hab eben mit Miro telefoniert." sprach sie auf ein anderes Thema an, was mich anfangs kurz aus dem Konzept brachte. "Äh ja?" sagte ich dann. "Er hat mich eingeladen, den Tag mit ihm zu verbringen." verkündete sie. "Okay." sagte ich mit einem fragenden Unterton. "Ich wollte es dir nur sagen und nicht einfach abhauen." meinte sie lächelnd. "Du musst mich ja nicht um Erlaubnis bitten." lachte ich. "Gut, dann bin ich jetzt weg. Ich hab Jogi schon gefragt. Warte nicht auf mich, ich weiß nicht wie spät es wird. Ich komme dann direkt nach Kamen." grinste sie. "Pass auf dich auf." sagte ich noch. Sie nickte und drückte mir einen kurzen Kuss auf. "Hey komm schon, du bist den ganzen Tag weg, das reicht mir nicht!" beschwerte ich mich. Sie lachte nur und küsste mich dann nochmal lange. Ich sah ihr noch nach, bis sie im Gebäude verschwunden war. Dann drehte ich mich seufzend zu Marco um. Dieser schüttelte nur ungläubig grinsend den Kopf. "Es ist ein Tag, Mario. Den hältst du auch mit mir aus, oder?" Ich zuckte mit den Schultern, worauf mir Marco einen Schups verpasste. Wir blödelten eigentlich nur herum, bis Löw uns dann ermahnte. Wir mussten uns für die Fahrt fertig machen, die Nell eben schon angesprochen hatte. Wir fuhren nämlich für das Spiel gegen Schottland nach Kamen, wo wir uns für das Dortmunder Stadion fertig machten. Mir bangte es etwas davor, aber dort waren ja hoffentlich nicht nur die BVB-Fans, die mir meinen Wechsel immernoch mehr als übel nahmen. Schon wenige Stunden später waren wir dort und ich vertrieb mir die Zeit gemeinsam mit André im Hotelpool, während Marco auf eine Pressekonferenz musste. André versuchte mich mit einem Gespräch davon abzulenken, was Nell denn gerade machte. Aber das schaffte nur Marco. "Mensch Mario, du bist echt besessen von ihr." lachte André. "Ich fürchte da kann ich dir nicht wiedersprechen." grinste ich. Der Tag verging schleppend. Marco war relativ genervt von der Pressekonferenz zurück gekommen und so fiel uns nicht wirklich etwas ein, was wir unternehmen könnten. Wir saßen also im Garten hinter dem Hotel, neben einem kleinen Teich. Die langweilige Atmosphäre sollte sich aber schnell ändern. "Mario, dreh dich jetzt nicht sofort um, aber da hinten in den Bäumen steht seit einer Ewigkeit ein Typ. Ich glaube der beobachtet uns." meinte Marco plötzlich. Und was tat ich? Ich drehte mich direkt im Sitzen um. Der Typ senkte den Kopf und trottete ein paar Schritte davon. "Ach quatsch, du hast wieder so Fantasien." winkte ich ab. "Aber der guckt ständig herüber." meinte Marco wieder. Ich seufzte. "Dann gehen wir da jetzt eben hin." verkündete ich und rappelte mich auf. "Ey, warte. Was ist, wenn der ein Messer oder sowas dabei hat?!" warnte er. "Natürlich und ich bin Serien-Killer." entgegnete ich und ging stur weiter. Da tauchte auch Marco neben mir auf. Kurz bevor wir bei dem Typ ankamen, blickte er auf. Kalte, graue Augen blitzten auf. Dann ergriff er die Flucht. "Ey, bleib stehen!" rief Marco noch. Hatte natürlich keinen Sinn. Dann sah er mich von der Seite an. "Meinst du wir sollten die Polizei rufen?" schlug er vor. Ich reagierte erst Sekunden später. "Red keinen Unsinn. Das war bestimmt ein Paparazzi oder so..." gab ich von mir. Ich wusste nicht, ob man mir diese Aussage abnahm, aber Marco nickte nur. Den ganzen restlichen Abend gingen mir diese Augen nicht mehr aus dem Kopf. Ich kannte diese Augen. Aber ich konnte sie absolut nicht zuordnen...

HALLO LEUTE, HEUTE WIEDER ETWAS KÜRZER UND LANGWEILIGER. ABER ICH HAB IRGENDWIE EINE SCHREIBBLOCKADE. ICH WOLLTE EUCH NICHT BIS ZUM SPIEL AM SONNTAG WARTEN LASSEN, DESHALB DIESES (INFORMATIONS-/ÜBERBRÜCKUNGS-)KAPITEL.

Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt