Kapitel 82

10.7K 314 29
                                    

Nell's Sicht:

Als ich hinter der Couch stand, auf der Marco gespannt nach vorne gebeugt saß, erblickte ich Mario's Gesicht auf dem Fernseher. Daneben ein Mann, der offenbar ein Journalist war. "Herr Götze, Sie haben sich nach Ihrem Widersehen mit Elena Neuer heute bei uns gemeldet, weil Sie sich dazu äußern möchten." sprach dieser gerade. Mario hob jetzt den Kopf und sah direkt in die Kamera. "Ja das ist richtig. Was ich hier und jetzt sage, geht an Nell, aber auch an alle anderen Menschen, die erfahren sollen, wie ich wirklich bin." sprach Mario. Es kam mir vor, als würde er mich direkt ansehen. Marco warf mir einen kurzen Blick zu, den ich versuchte zu ignorieren. "Ich habe Fehler gemacht, die ich mit Blumen, Pralinen oder einer einfachen Entschuldigung nicht mehr rückgängig machen kann. Ich war einfach dumm und habe nicht verstanden, dass ich mir damit alles kaputt mache, was wir uns aufgebaut haben. Aber das Schlimmste ist, es geht dabei nicht mehr nur um meine große Liebe, sondern auch um meinen besten Freund und alle meine Mannschaftskollegen. Mit meinen Fehlern habe ich auch bei anderen Schaden angerichtet und ich kann garnicht sagen, wie leid mir das tut. Ich kann nur weiter an der Hoffnung festhalten, dass mir die wichtigsten Menschen in meinem Leben irgendwie und irgendwann verzeihen können. Ich überlege mir mittlerweile immer mehrmals, was ich in der Öffentlichkeit sage oder tue, aber bei der Wahrheit kann ich hoffentlich nichts falsch machen. Ich liebe dich, Nell." verkündete Mario. Im Fernseher. Vor Millionen Zuschauern. Der Journalist räusperte sich kurz. "Da sie ja offensichtlich noch an Ihrer Ex-Verlobten hängen, wie ist es Ihnen in der ganzen Zeit ohne sie ergangen?" "Wenn ich das im Fernsehen sagen darf: Beschissen. Es tut weh, unter einer Trennung zu leiden, aber dann noch zu wissen, dass es seinen engsten Vertrauten genauso schadet, ist noch schlimmer." antwortete Mario. "Warum haben Sie sich ausgerechnet jetzt an die Öffentlichkeit gewandt, wo Sie sich sonst zurückhalten?" fragte der Journalist wieder. "Viele hassen mich, denken ich sei arrogant oder sonst was. Ich weiß nicht, ob ich wirklich so rüberkomme, aber ich wollte nie, dass es so ist. Deshalb spreche ich nicht gerne über mich. Meine Worte werden egal was ich sage falsch verstanden und das möchte ich nicht. Für andere bin ich wieder das große Vorbild. Auch das möchte ich, oder kann ich nicht sein. Ich schäme mich für meine Fehler und da sollte sich niemand ein Beispiel daran nehmen. Deswegen bin ich hier. Die Leute sollen ein wahres Bild über mich bekommen." Der Journalist nickte verständnisvoll. "Vielen Dank für Ihre ausführliche Stellungname, wir wünschen Ihnen alles Gute und dass Ihre Liebsten Ihre Botschaft erhört haben." "Danke, ebenfalls." erwiderte Mario. Dann ging es in die normalen Nachrichten über. Ich hatte mich mit den Händen auf der Rückenlehne der Couch abgestützt. Im nächsten Moment spürte ich Marco's Hand auf meiner. "Du weinst." stellte er fest. Ich berührte mit den Fingerspitzen mein Gesicht, wo tatsächlich Tränen waren. Ich wischte sie mir energisch weg. Marco sah zu mir hoch. "Was?!" fragte ich ihn, wobei meine Stimme ganz heiser klang. "Er berührt dich mit seinen Worten." meinte er. "Warum sagt er das im Fernsehen?" fragte ich ihn leise. "Weil du ihn nicht an dich ranlässt und weil er seine Fehler nicht vor der Öffentlichkeit leugnen will. Du kennst ihn. Er lädt alle Schuld auf sich und nimmt damit in Kauf, dass ihn alle hassen, nur damit er dich zurück bekommt." antwortete mir Marco. "Aber,..." begann ich, doch Marco unterbrach mich, worüber ich froh war, weil ich sowieso nicht wusste, was ich sagen sollte. "Nichts aber. Ich weiß, dass du Angst hast, er könnte dich wieder verletzen. Aber Mario würde sein Leben für dich geben. Nur, damit du glücklich bist. Du kannst froh sein, dass er sich nicht längst im Keller erhängt hat, nachdem du ihm gesagt hast, dass du ihn nicht mehr liebst!" "Red keinen Blödsinn!" winkte ich ab. Er sprang auf und holte meine Jacke von der Gaderobe, um sie mir zuzuwerfen. "Was soll das werden?" fragte ich verwirrt. "Wir fahren jetzt sofort zu Mario. Und dann sagst du ihm nach dieser Aktion ins Gesicht, dass du ihn nicht liebst.Ichkann nämlich nicht mehr warten, ihn zu sehen. Weilichihm verzeihe." meinte er. Ich schüttelte den Kopf. "Ich will nicht zu Mario." murmelte ich leise. "Das ist mir scheißegal." entgegnete er gleichgültig. "Du kannst mich nicht zwingen." warf ich ein. Er lachte auf. "Und wie ich das kann." Bevor ich reagieren konnte, warf er mir meine Jacke über die Schultern und schob mich Richtung Wohnungstür. Ich sträubte mich dagegen. "Wenn du nicht freiwillig mitkommst, trag ich dich persönlich hier raus." drohte er. Ich schnaubte trotzig und ließ mich dann doch von ihm mitschleifen. Er zwang mich in sein Auto zu steigen und fuhr dann los. Ich sah stumm aus dem Fenster. Meine einzige Hoffnung war, dass Mario nicht zu Hause war. Was würde passieren? Mario würde sich doch nur Hoffnungen machen, wenn ich jetzt bei ihm auftauchte. Als wir dann schließlich tatsächlich am Abend vor Mario's Wohnung standen, stieg ich widerwillig aus. Marco klingelte und hielt mich dabei am Arm fest, damit ich nicht weglief. "Ja?" ertönte Mario's Stimme aus dem Lautsprecher. "Du hast Besuch." sagte Marco trocken. Der Summer  erklang. Marco zerrte mich nach oben. "Warum nimmst du nicht den Fahrstuhl?!" beschwerte ich mich, weil ich mehrmals kurz vor dem Stolpern war. "Du bist doch fit!" gab er zurück. Als wir schließlich oben waren, stand Mario schon vor der Tür. "Marco? Nell?" fragte er verwirrt. Marco ließ jetzt meinen Arm los und nahm Mario in den Arm. "Richtig süß, was du im TV gesagt hast, man!" grinste Marco und schupste Mario freundschaftlich. Mario schupste ebenfalls grinsend zurück. "Also dass es so schnell wirkt, habe ich nicht erwartet!" lachte er. Ich musste kurz über ihre beiden strahlenden Gesichter lächeln, sah dann aber auf die Treppenstufe, auf der ich immernoch stand. "Tut mir leid, dass ich dich verprügelt hab, Bro." sagte Marco jetzt. "Schon vergessen, Woody." erwiderte Mario. Ich spürte jetzt die Blicke der beiden auf mir. "Kommt doch erst mal rein." bat Mario schließlich. Ich öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber Marco warf mir einen warnenden Blick zu, sodass ich dann doch meine Klappe hielt. Mit gesenktem Kopf lief ich an Mario vorbei in seine Wohnung und erschrak fürchterlich, als ich seine Hand auf meinem Rückem spürte. "Setzt euch, ich hole eben etwas zu trinken." verkündete er und verschwand in der Küche. "Worauf wartest du?! Sag es ihm!" raunte mir Marco sofort zu. "Was soll ich ihm sagen? Dass du mich gezwungen hast, herzukommen und ich eigentlich gar nicht mit ihm reden wollte?" fragte ich zurück. "Aber du liebst ihn, verdammt!" drängte er weiter. "Tu ich nicht!" gab ich trotzig zurück. Plötzlich tat Marco einen Schritt auf mich zu, legte seine Hände um mein Gesicht und küsste mich. Er drückte mich gegen die Wand hinter mir schob seine Hände sofort unter mein Shirt. Ich stieß ihn von mir. "Sag mal, spinnst du?!" fuhr ich ihn an. Dann warf ich einen Blick Richtung Küche, wo Mario zum Glück nicht aufgetaucht war. "Ha! Ich wusste es!" freute sich Marco. Ich sah ihn wütend an. "Du hast als erstes rüber geguckt, ob Mario uns gesehen hat, hast den Kuss nicht erwidert. Das ist der Beweis: Du liebst ihn." verkündete er triumphierend. Ich sah zu Boden. Er hatte recht. Es hätte mir egal sein können, wenn Mario sieht, wie Marco mich küsst, aber es war mir nicht egal. Es war mir alles andere als egal. "Ich will ihn nicht verletzen." murmelte ich. Marco schüttelte den Kopf. "Red dich so viel raus, wie du willst. Wir beide kennen die Wahrheit." "Welche Wahrheit?" hörte ich Mario plötzlich sagen. Ruckartig fuhr ich zu ihm herum. "Dass sie dich liebt." erklärte Marco und deutete auf mich. Mario's Blick wanderte jetzt weiter zu mir. Doch ich brachte keinen Ton heraus. "Ja, los! Sag ihm ins Gesicht, dass du nichts für ihn empfindest!" drängte Marco wieder. Ich sah jetzt beide abwechselnd an. "Ich..." begann ich, brachte aber weiterhin nicht mehr heraus. "Ist das denn so schwer?!" beschwerte Marco sich. Direkt darauf ratterte ich die Lüge meines Lebens herunter. "Ich liebe dich nicht. Ich habe keinerlei Gefühle für dich." Dabei sah ich Mario an. Während Marco ungläubig die Hände in die Luft warf, sich abwandte und irgendetwas murmelte von wegen 'Ich glaub' das nicht', erschien auf Mario's Gesicht ein verbitterter Ausruck. "Danke Marco, das hab ich jetzt echt nochmal gebraucht." murrte er. "Mario, wir haben dich im Fernsehen gesehen, sie hat vor Rührung geweint. Nell, jetzt sag die Wahrheit!" wandte er sich dann wieder an mich und kam einen Schritt auf mich zu. Ich stand da nur noch völlig am Ende und starrte zu Boden. Mario stellte sich jetzt schützend vor mich. "Marco, hör doch auf sie zu bedrängen." wollte er ihn beruhigen, aber er schüttelte nur wieder den Kopf. "Jeder Blinde sieht, dass ihr euch liebt, nur ihr selbst scheint es anscheinend nicht zu verstehen!" meinte er aufbrausend. "Selbst wenn, Marco, ich kann sie nicht zwingen." entgegnete Mario. Marco entspannte sich jetzt ein Wenig und ließ sich auf Mario's Couch fallen. Mario berührte mich jetzt am Arm und sah mich besorgt an. Wie schon eben an der Tür zuckte ich zusammen. Auch Marco fiel das auf, worauf er mir nur einen 'Siehst-du-ihr-könnt-euch-nichtmal-normal-anfassen-Blick' zuwarf. "Also schön. Dann machen wir es so: Wir wohnen jetzt eine Woche zusammen in einer WG, wie früher im Hotel. Wir schlafen, essen, trainieren und feiern zusammen. Und dann will ich sehen, wie normal euer Verhältnis wirklich ist." schlug er vor. "Das ist doch Schwachsinn." rettete Mario mich. "Dann will ich sehen, wie Nell hier rausgeht. Da unten stehen nämlich ne Menge Presseleute." entgegnete Marco. "Also gut." stimmte ich zu. Mario sah mich verwirrt an, doch ich ignorierte es. Ich sah keine andere Möglichkeit. Marco grinste. "Sehr schön. Mario, wo können wir schlafen?" fragte er sofort...

Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt