Kapitel 118

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Mario's Sicht:

Marco brach ab und senkte den Blick. Er sah so niedergeschmettert aus. Ich wartete auf eine Antwort. Sekunden verstrichen, bis ich es nicht mehr aushielt. Ich nahm ihn bei den Schultern und schüttelte ihn. "Was, Marco?! Was ist das Schlimmste?" sagte ich etwas zu laut. Manu stand ausnahmsweise mal nur stumm daneben. Ebenso meine Familie. Marco sah mir wieder in die Augen. "Sie haben gesagt, sie hatte einen Herzinfarkt." murmelte er leise. Meine Arme wurden von ihrer Kraft verlassen und sanken schlagartig. "Was?" presste ich hervor. "Nell hatte einen Herzinfarkt." wiederholte Marco, als bräuchte ich diese schreckliche Nachricht ein zweites Mal. Die Stille wurde zerrissen, als Manu leichenblass den Gang entlang verschwand. Fabi und Felix gingen ihm sofort hinterher. Wie wir Manu kannten, bestand die Gefahr, dass er die Kontrolle verlor und irgendetwas tat, was er hinterher bereuen würde. Meine Eltern dagegen traten zu mir und legten mir links und rechts die Hand auf meine Schulter. "A-aber... Nell ist doch erst 21. Ein Herzinfarkt in dem Alter... Das ist nicht wahr." flüsterte ich mit rauer Stimme. "Die meinten, das Zeug, was er ihr untergemischt hat, würde man normalerweise bei zu niedrigem Blutdruck verschreiben oder wenn jemand einen Herzkatheter hat, damit das Herz richtig arbeitet. Aber Nell's Herz war vollkommen gesund und so hat es zur Überlastung geführt." ratterte Marco hinunter, während ich nur die Hände vor mein Gesicht legte. Meine Mutter begann sofort, meinen Rücken zu streicheln und ich fühlte mich mal wieder so elendig und klein. Marco war meinen Eltern über meine Schultern einen Blick zu, bevor er mich in seine Arme zog. Er drückte mich fest an sich und ich roch sogar einen Hauch von Nell's Parfum an ihm. Ich schaffte es geradeso, die Umarmung zu erwidern, nicht einmal weinen konnte ich. Ich starrte nur die einzelnen Maschen von Marco's dunkelgrauem Pulli an. Aus meiner Kehle kroch ein Laut, der irgendwie nicht zu mir zu gehören schien. Es war ein leichtes Wimmern, das nur noch nach Verzweiflung klang. Marco zerquetschte mich nun beinahe. "Hey Bro, beruhige dich. Du weißt doch noch gar nicht, ob es Folgen für ihr Herz hat." tröstete er mich fürsorglich. Ich wich vor ihm zurück und schnappte hörbar nach Luft. "Folgen?" nuschelte ich. Marco blickte hilfesuchend zu meinen Eltern. Meine Mutter zog an meiner Schulter. "Komm Mario, es geht ihr bestimmt den Umständen entsprechend gut." wollte sie Marco aus der Notlage retten. "Den Umständen entsprechend?! Sie könnte einen Herzrhythmusstörungen haben! Oder was weiß ich!" sagte ich lauter. "Mario, reiß dich zusammen. Das bringt dir jetzt nichts." mischte sich mein Vater ein. Ich schüttelte den Kopf. Plötzlich kam eine Krankenschwester um die Ecke. Wir starrten sie alle an. "Sind Sie die Angehörigen von Elena Neuer?" fragte sie. "Ich bin ihr Freund." antwortete ich schnell. Sie zögerte kurz. "Es tut mir leid, wenn keine direkte Verwandschaft besteht darf ich Ihnen leider keine Auskunft geben." meinte sie bedauernd und wollte wieder verschwinden. Ich war kurz davor wie ein nasser Sack umzufallen. Marco hielt die Krankenschwester am Arm fest. "Bitte lassen Sie uns zu ihr. Sie sehen doch, wie nahe er ihr steht. Außerdem ist ihr Bruder auch hier und der kommt bestimmt gleich." bettelte er. Die Schwester warf mir einen besorgten Blick zu. "Also schön, folgen Sie mir bitte." gab sie schließlich nach. Marco packte mich und schob mich vorwärts. Ich trottete der Krankenschwester hinterher, bis wir vor einer Tür standen. Die Schwester klopfte und streckte kurz den Kopf durch die Tür. Ich hörte ein dumpfes Murmeln. Die Schwester trat zurück und ließ uns durch. Kaum hatte ich einen Schritt getan, hörte ich ihre Stimme. "Mario!" rief sie schwach aus und wollte sich sofort aufrichten. Der Mann im Arztkittel, der neben dem Bett auf einem Drehstuhl saß, drückte sie sofort zurück in ihr Kissen. "Frau Neuer Sie brauchen dringend Ruhe." warnte er, bevor er sich erhob und uns mit einem Nicken seinen Platz anbot. Obwohl es irgendwie unverschämt war, ging ich dem sofort nach und setzte mich hin, ohne Marco oder meine Eltern zu beachten. Nell lächelte darüber leicht. Dann sah sie hinüber zu meinen Eltern und Marco, der gerade herkam. "Na du? Findest du nicht, dass du in letzter Zeit etwas zu viel Zeit hier verbringst, Prinzessin?" machte er gute Miene zum bösen Spiel und kniff ihr leicht in die Wange. Nell griff nach Marco's Hand und drückte sie fest. "Danke, dass du mich mal wieder aus der Gefahrenzone gebracht hast." sagte sie zu ihm. Marco lächelte nur leicht. "Ist mein Job." erwiderte er. "Du hast seit damals - ganz am Anfang in Argentinien - nicht vergessen, dass Manu dich als Bodyguard beauftragt hat, oder?" meinte Nell grinsend. Marco presste die Lippen aufeinander und nickte. Nell's Blick wurde ernst. "Ist alles okay? Du guckst so komisch. Und du auch." stellte sie fest und sah mich an. Ich wandte mich zu dem Arzt um. "Weiß sie, dass...?" Noch bevor ich den Satz beenden konnte, schüttelte der Arzt den Kopf. Ich räusperte mich und wandte mich an meine Eltern und Marco. "Würdet ihr uns einen Moment allein lassen?" bat ich. Verständnisvoll nickten sie und auch der Arzt und die Krankenschwester verließen unaufgefordert den Raum. Ich widmete mich nun wieder Nell. "Also, es ist so..." setzte ich direkt zur Erklärung an, aber sie unterbrach mich. Sofort erfasste mich ein Kribbeln, als sie nun meine Hand nahm. "Bekomm ich nichtmal einen Kuss zur Begrüßung?" fragte sie. "Ich... ich äh... doch, nur... Ich dachte, du willst vielleicht nicht, weil wir gestritten haben..." stammelte ich leise. Sie blickte mir gequält in die Augen. "Es tut mir leid, Mario. Du hattest Recht. Ich weiß zwar nicht, ob die beiden unter einer Decke stecken, aber mein Vater will mich wirklich vergiften. Wahrscheinlich soll ich langsam...krepieren." nuschelte sie und die erste Träne überquerte ihre Wange, welche sie versuchte zurückzuhalten. Ich rutschte näher an ihr Bett und wischte ihr mit dem Daumen die Tränen weg. "Shhh." machte ich nur und gab ihr nun einen sanften Kuss. Ihre Tränen erreichten meine Oberlippe. Ich löste mich von ihr. "Nell, bitte beruhige dich, dein Herz ist..." begann ich, als mir mein Fehler auffiel. Sie schluchzte kurz auf. "Was ist mit meinem Herz?" wollte sie mit tränenerstickter Stimme wissen. Ich atmete tief durch. "Dieses Zeug hat dein Herz viel zu schnell schlagen lassen und... deshalb kam es zum Herzinfarkt." platzte ich heraus. Sie schnappte hörbar nach Luft. "Was?" brachte sie wie ich eben hervor. "Ich hätte sterben können." schob sie hinterher, als ich nichts sagte. Ich konnte nichts erwidern, schließlich hatte sie Recht. Plötzlich sprang die Tür auf und Manu stürmte herein. Zuallererst überfiel er natürlich Nell mit einer stürmischen Umarmung. Lange konnte er sie aber nicht nach ihrem Wohlbefinden ausfragen, denn der Arzt von vorhin betrat das Zimmer wieder. Er reichte Manu die Hand. "Herr Neuer, guten Tag. Ich bin der behandelnde Arzt dieser Station und ich möchte Ihnen die Ergebnisse der Untersuchungen überbringen, die wir bereits bei der Einlieferung Ihrer Schwester durchgeführt haben." Manu wirkte immernoch ziemlich nervös und fahrig. Keine Ahnung, wie Fabi und Felix es geschafft hatten, ihn etwas zu beruhigen, aber offensichtlich riss er sich Nell zu liebe zusammen. Der Arzt wandte sich nun an mich. "Und Herr Götze, Sie sind...?" wollte er wissen. "Ihr Freund. Ich bin mit ihr zusammen." antwortete ich und ließ heraushören, dass ich ebenso ungeduldig war wie Manu. "Also, Frau Neuer, Sie hatten wirklich großes Glück, dass Herr Reus so schnell reagiert hat. Die doppelte Dosis des Medikamentes, das verwendet wurde, hätte zu 95% tödlich für Sie geendet. Da es für diese Verhältnisse schwach dosiert war, hat es nur zu einem Herzinfarkt geführt. Wir haben Ihr Herz bereits gründlich kontrolliert und da Sie ja noch recht jung sind, werden sie folglich keine Beschwerden haben. Allerdings - wie Sie ja vielleicht wissen, da Sie selbst Ärztin sind - müssen sie erstmal ein paar Tage Bettruhe einhalten und auch danach nur vorsichtig agieren. Vor allem was ihren Beruf angeht." tadelte er mit einem mahnenden Blick. Anscheinend hatte Nell so etwas an sich, dass man ihren Ehrgeiz sofort bemerkte. Eins gefiel mir aber trotzdem nicht, was der Arzt gesagt hatte. "Angehende Doktorin." verbesserte ich ihn, worauf er mich zuerst verwirrt ansah, dann aber offenbar doch verstand. "Mario..." warnte Nell mich, blickte dann aber doch verlegen auf ihre Hände. "Ihr Freund hat durchaus Recht. Nur eins noch: Wenn Sie sogar eine Doktorarbeit schreiben, wissen sie vermutlich auch, dass körperliche Anstrengungen vorerst ausgeschlossen sind." meinte er. Nell nickte. "Dazu gehört auch eine Geburt und dem vorrausgehend der Akt der Liebe." schob er lachend hinterher und zwinkerte mir zu, bevor er den Raum wieder verließ. Fabi streckte derweil den Kopf zur Tür herein. "Dürfen wir?" fragte er und wartete, bis Nell erneut nickte. Während sie alle sich nun um Nell sorgten, zog mich Manu zur Seite. Ich dachte schon, dass jetzt irgendein strenges Intimitätsverbot ausgesprochen werden würde, weil der Arzt darauf hingewiesen hatte. Stattdessen kam etwas ganz anderes. Er legte freundschaftlich den Arm um meine Schulter. "Mario, hör zu. Ich habe dir in all der Zeit, in der du mit meiner Schwester... anbandelst, viel Unrecht getan. Unsere Freundschaft musste unter eurer Beziehung leiden, weil ich Sturkopf nur noch den großen Bruder spielen konnte und nicht bemerkt habe, wie gut du ihr tust. Ich will mich entschuldigen." sagte er. Ich lachte kurz auf. "Manu, wir waren vielleicht früher engere Freunde, aber ich war dir nie böse. Wenn man eine Schwester wie Nell hat, muss man die einfach beschützen. Außerdem hattest du ja auch die ganze Zeit Recht." entgegnete ich. Manu lächelte kurz, bevor er ziemlich ernst wurde. "Mario,... glaubst du mir alles? Glaubst du mir jetzt auch, dass mein Vater am Tod meiner Mutter beteiligt war?" wollte er meine Meinung hören. Ich zögerte. Ich war kurz davor zu antworten, als ein Klopfen alle Gespräche verstummen ließ...

Joa ihr Lieben, ich bin ein bisschen früher wieder da als gedacht. Ich hab gemerkt, dass ich nur eine Kleinigkeit ändern musste, damit es mir schon deutlich besser geht. (Mein Trio♡) Und ihr kennt das ja mittlerweile... Wer wird jetzt hereinkommen? :)

Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt