Kapitel 26

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Nell's Sicht:

Ich starrte Löw nur mit offenem Mund an und wartete darauf, dass er das ganze nur als Scherz aufklären würde. Doch nichts dergleichen passierte. Mit einem Ruck sprang ich auf, sodass fast der Stuhl umfiel, auf dem ich gesessen hatte. "Ist das ihr Ernst?! Sie wollen mich rausschmeißen?! Diese Schlagzeilen haben Ihnen doch nicht einmal geschadet!" brüllte ich ihm in seine gefühllose Visage. Langsam erhob er sich. "Ich muss Sie jetzt bitten zu gehen." sagte er nur und deutete auf die Tür. "Was sind Sie nur für ein herzloses Arschloch?!" schrie ich ihn an. Sein Gesicht blieb völlig unbewegt. "Halten Sie sich zurück." riet er mir eindringlich. Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Von Löw kam keine weitere Reaktion, also stürmte ich aus seinem Büro. Während ich wie betäubt den Gang entlangtaumelte, merkte ich, wie mir dicke Tränen in die Augen stiegen. Ich ließ mich an der Wand hinunterrutschen und umschlang meine Beine. Mit dem Kopf auf den Knien ließ ich den Tränen freien Lauf. Ich hörte Schritte. Schon ging jemand neben mir in die Hocke. Als mich jemand am Arm berührte, schielte ich hervor und konnte Marco's tätowierten Arm erkennen. Langsam hob ich den Kopf und sah in seine mit Sorge gefüllten Augen. "Er hat mich gekündigt." erklärte ich mit zittender Stimme. "Er hat was?!" fragte Marco geschockt. Ich reagierte nicht, worauf Marco grob meine Schultern packte und mich schüttelte. "Nell sag was! Er hat dich rausgeworfen?!" schrie er mich jetzt an und sah mir in die Augen. Ich nickte stumm. Marco ließ meine Schultern los und legte den Kopf in die Hände. "Wo ist Mario?" nuschelte er dann. "Ich weiß es nicht. Bei seinem Bruder denke ich." antwortete ich leise. Etwas später öffnete sich Löw's Bürotür. Er blickte auf mich herab, als er vorbeikam. Marco sprang auf und baute sich vor ihm auf. "Was soll das?! Wir haben keine Ärztin!" zischte er. "Es geht dir nicht um die ärztliche Versorgung, Marco. Du bist mit ihr befreundet, das ist alles." entgegnete Löw kalt. "Das macht doch keinen Unterschied!" sprach Marco. Ich erhob mich und zog an Marco's Arm, ich wollte nicht, dass er wegen mir in Schwierigkeiten geriet. "Komm, das bringt nichts." flüsterte ich ihm zu. Widerwillig ließ er von Löw ab und ich zog ihn mit mir. Einige Meter weiter blieb ich dicht vor ihm stehen. "Tust du mir einen Gefallen?" fragte ich ihn und musste wieder die Tränen zurückhalten. Er sah mich an und nickte. "Bring mich in meine Wohnung." sagte ich. Eine steile Falte erschien zwischen seinen Augenbrauen. "Das kann ich nicht. Mario würde..." "Mario kann nichts mehr tun." unterbrach ich ihn. "Bitte Marco. Ich könnte ihm jetzt nicht in die Augen sehen." fügte ich hinzu. Er zögerte lange. "Also gut. Aber du weißt, dass er dich nicht aufgeben wird. Und ich genauso wenig." sagte er. Ich sah weg. Wenig später fuhr mich Marco also schweigend zu meiner Wohnung. Noch gehörte sie mir. Vor dem Haus stieg ich aus dem Auto und Marco bestand darauf, mich mit meinem hektisch und unordentlich gepackten Koffer nach oben zu begleiten. Vor der Wohnungstür kramte ich nach meinem Schlüssel und spürte dabei ständig Marco's Blick auf mir. Endlich hatte ich die Tür aufgeschlossen und wollte Marco schon meinen Koffer aus der Hand reißen, doch er ließ den Koffer unachtsam stehen und nahm mich fest in den Arm. Jetzt kullerten mir wieder die Tränen über die Wangen. Vorsichtig löste ich mich von ihm. "Leb wohl." sagte ich leise. Er schüttelte den Kopf. "Das lasse ich nicht zu." Ich starrte auf meine Füße. "Sag Mario dass ich..." begann ich doch Marco schüttelte erneut den Kopf und durchschnitt mir das Wort. "Das sagst du ihm schön selber!" Er nahm mein Gesicht in seine Hände. "Ich sorg dafür, dass du zurückkommst. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue." Meine Sicht war verschwommen vor Tränen. Ich wandte mich von ihm ab und lief in meine Wohnung. Ohne Marco noch einmal anzusehen, schloss ich die Tür. Mit zitternden Beinen schritt ich zur Couch und kauerte mich darauf zusammen.
Mario's Sicht:
Wenig später

Nach einer schönen Zeit mit meinem kleinen Bruder, kehrte ich jetzt fröhlich ins Hotel zurück. In meinem Zimmer blickte ich mich verwundert nach Marco um, aber er war anscheinend nicht da. Also beschloss ich, nach Nell zu sehen. Aber auch sie war nicht in ihrem Zimmer. Auf dem Gang begegnete ich Basti. "Hey Basti! Weißt du wo Nell oder Marco sind?" fragte ich ihn. "Ähm also Nell hab ich nicht gesehen. Marco war glaub ich im Park." antwortete er. Ich nickte und ging also in den Park. Schließlich entdeckte ich Marco mit ausgestreckten Beinen auf der Wiese sitzen. Ich lief zu ihm und ließ mich neben ihm im Gras nieder. Erst jetzt bemerkte ich seinen Gesichtsausdruck. "Hey Marco, was ist denn mit dir los?" fragte ich ihn. Er wich meinem Blick aus. "Hallo?! Was ist los?!" wiederholte ich nochmal. "Mario, versprich mir, dass du jetzt ruhig bleibst." meinte er jetzt. Misstrauisch musterte ich ihn. "Worauf willst du hinaus?" Er zögerte lange bevor er sagte "Nell ist... Löw hat... Sie ist weg." stotterte er. "Sie ist was?" Marco, was hat Löw getan?" Ich war jetzt ziemlich unruhig. "Er hat sie gefeuert. Sie ist in ihrer alten Wohnung." murmelte er. "WAS?!" schrie ich und sprang auf. Mein Herz raste. Ich war kurz davor auszurasten. "Ich muss zu ihr!" sagte ich und fuhr mir durch die Haare. Marco stand auf und stellte sich vor mich. "Mario, du weißt Löw bringt dich um, wenn du jetzt gehst." meinte er. "Das ist mir egal!" entgegnete ich und wollte an ihm vorbei, doch Marco hielt mich zurück. "Aber Nell ist es nicht egal! Das weißt du genau!" sagte er. Ich hielt an meinem Vorhaben fest. "Ich kann doch jetzt nicht hier rumsitzen und nichts tun!" "Ich weiß. Aber es hilft niemandem, wenn du jetzt durchdrehst!" entgegnete Marco. Ich atmete tief durch. "Na schön." "Mario, ich will das selbst nicht wahrhaben. Ich hab ihr versprochen, dass ich sie zurückhole." erzählte er mir. "Toll, dann bist du ja auch nicht besser als ich!" meinte ich und musste absurderweise grinsen. "Sieht so aus." sagte er und auf seinem Gesicht erschien jetzt ebenfalls ein kleines Lächeln. Aber es verschwand sogleich wieder. "Ich soll dir sagen, dass sie dich liebt." sprach Marco geknickt. "Danke, man." sagte ich und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. Marco verabschiedete sich auf sein Zimmer. Ich wartete bis er im Gebäude verschwunden war und lief dann zügig in die Tiefgarage. Ich schämte mich dafür, Marco etwas vorzumachen, aber ich konnte nicht zulassen, dass Löw Nell und mich auseinanderbrachte. Ich dachte überhaupt nicht darüber nach, bis ich irgendwann vor Nell's Wohnungstür stand. Ich klingelte. Niemand machte auf. Ich klingelte nochmal. Doch als wieder niemand öffnete, ging ich nach draußen und starrte auf ein bestimmtes Fenster. Nell's Wohnung lag im zweiten Stock. Das Haus war abgelegen und als ich mich umsah, war keine Menschenseele in der Nähe. Über den Balkon der Wohnung im ersten Stock kletterte ich also nach oben. Glücklicherweise konnte ich das Fenster problemlos aufstoßen und stieg dann in die Wohnung ein. "Mario?" Nell saß auf der Couch und hatte sich kerzengerade aufgerichtet. "Spinnst du? Was machst du hier?!" fuhr sie fort. Jetzt stand sie auf. Ich ging auf sie zu. Sie wich zurück, als ich vor ihr stand. "Mario, ich kann nicht zurückkommen. Mein Vertrag ist beendet." sagte sie. "Und was ist mit mir? Mit uns?" fragte ich und sah ihr in die Augen. Die Luft zwischen uns war wie elektrisiert. Ich streckte meine Hand nach ihr aus und legte sie an ihre Wange. Sie schloss die Augen und Tränen kullerten über ihre Haut. "Geh!" sagte sie leise. "Nicht ohne dich!" erwiderte ich. "Das geht nicht. Wir können nicht länger zusammen sein." meinte sie. Ich ließ meine Hand sinken. "Du machst Schluss?" fragte ich ungläubig. "Es geht nicht anders. Bevor wir beide daran kaputt gehen..." erklärte sie. Ich schüttelte den Kopf. "Ich geh kaputt, wenn du nicht bei mir bist!" Es schmerzte, sie so weinen zu sehen. Sie nahm mein Gesicht in ihre Hände und drückte ihre Lippen auf meine. Dann schob sie mich zur Tür und als sie die Tür hinter mir zuschlug wusste ich: Das war ein Abschiedskuss...

Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt