Kapitel 56

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Nell's Sicht:

.  .  .
Mario's Sicht:

"Bevor Sie da jetzt hineingehen, muss ich Sie noch über ein paar Dinge aufklären." meinte der Arzt. Manu und ich sahen uns ängstlich an. Dann fuhr er fort. "Da wir Frau Neuer in ihrem jetzigen Zustand nicht überstrapazieren wollen, können wir nicht feststellen, ob ihr Gehirn den Unfall unbeschadet überstanden hat. Ihre Gehirnaktivität ist momentan sehr gering, was sich aber auch auf das Koma zurückführen lässt. So gerne ich würde, ich kann Ihnen nicht voraussagen, wann sie aufwacht. Wir müssen abwarten, bis ihre Verletzungen soweit behandelt sind. Dazu kommt natürlich noch die Umstellung, weil sie ihr Baby verloren hat." Ich hörte zwar nur noch mit halbem Ohr zu, weil ich durch die Glasscheibe einige Ärzte und Schwestern um ein Bett stehen sah. Es war das Einzige in diesem Raum, also lag da wohl Nell. Trotzdem versetzte mir der letzte Satz einen Stich ins Herz. Ich wollte ehrlichgesagt gar nicht hören, wann oder ob Nell aufwachen würde. Viele Hoffnungen schienen sie einem ja nicht zu machen. Irgendwie verspürte ich gerade den Drang, irgendetwas kaputtzuschlagen. Mats bemerkte wohl, dass ich total angespannt war. "Mario, das wird schon, Nell schafft das." raunte er mir zu. Ich wartete kurz, bis der Arzt aus dem Vorraum verschwunden war. "Du weißt aber schon, dass ich gerade erfahren habe, dass unser Kind tot ist und ich demnächst vielleicht sogar meine Verlobte begraben muss?!" zischte ich. Manu mischte sich jetzt ein. "Spinnst du?! Nell wird nicht sterben!" Der Kloß in meinem Hals war zurückgekehrt. "Ich... Ich..." begann ich und knickte dann ein. Ich ließ mich bitterlich weinend auf den nächstbesten Stuhl nieder. "Ich halte das nicht nochmal aus. Ich wüsste nicht, was ich machen sollte, wenn ich auch noch sie verliere." schluchzte ich. Manu verlagerte unruhig das Gewicht immer und immer wieder vom einen auf das andere Bein. Als ich aus meinem Tränenmeer zu ihm hochsah, hatte er den Mund zu einem schmalen Strich zusammengepresst. "Was soll ich da sagen?! Meine Mutter ist tot und mein Vater landet demnächst im Gefängnis. Kannst du mir sagen, was ich tun soll, wenn mein Ein und Alles, meine kleine Schwester, das hier nicht überlebt?" meinte er dann mit aufgebrachter Stimme. Mats blickte nur zwischen uns beiden hin und her. Er sog scharf die Luft ein. "Ich kann ja verstehen, dass ihr schreckliche Angst habt, aber es hat keinen Sinn sich jetzt hier noch zu streiten. Nell braucht jetzt Unterstützung. Und zwar die voneuch beiden." Ich sah nur auf den Boden. "Er hat recht. Ich geh da jetzt rein. Kommst du mit?" verkündete Manu und wartete kurz ab. Ich nickte und atmete noch einmal tief durch, bevor ich dann aufstand und hinter ihm her ging. Ich hatte das Gefühl meine Beine nicht mehr zu spüren, als ich zu ihrem Bett trat. Das wohlige Kribbeln, das sich bei ihrer Anwesenheit immer in mir ausbreitete schien mir völlig unpassend. Manu stand jetzt neben ihrem Bett und schnappte nach Luft. Ich warf einen Blick durch die Glasscheibe zu Mats. Er nickte mir aufmunternd zu. Ich wandte meinen Blick dem Überwachungsmonitor über dem Bett zu. Er zeichnete die Linien auf, die Nell's Herz erzeugten. Schließlich trat ich auf die andere Seite des Bettes und konnte Nell jetzt komplett sehen. Zumindest das, was von ihr noch übrig war. Nicht, dass sie beim Unfall irgendwelche Gliedmaßen verloren hätte, nein. Aber sie sah einfach nicht mehr aus wie sie selbst. Nicht mehr wie die fröhliche junge Frau. Ihre Haut war nicht blass, sie war weiß und mit Schürfwunden bedeckt. An ihrer Schläfe klebte ein großes Pflaster über der Platzwunde. Das Blut war zwar nicht mehr auf ihrer Wange verschmiert, aber trotzdem sah sie schrecklich aus. Selbst mit geschlossenen Augen schien so viel Traurigkeit und Schmerz in ihrem Gesicht zu liegen. Zögerlich streckte ich meine zitternden Finger nach ihrem Gesicht aus. Ich streifte nur ganz leicht ihre Wange. Sie war eiskalt. Und das trotz der Tatsache, dass wir hier in Brasilien waren und sie in eine dicke Decke eingewickelt war. Jetzt legte ich meine Hand komplett an ihre unverletzte Wange und strich sanft über ihre Haut. Ich bemerkte erst, dass ich schon wieder weinte, als meine Tränen auf ihr Dekoltée tropften. Manu versuchte sich zusammenzureißen und setzte sich auf die andere Seite auf einen Stuhl. Weil aus ihrer Hand eine Nadel ragte und eine Sauerstoffsättigung an ihrem Finger befestigt war, legte er nur die Hand auf ihren Arm. Ich senkte den Kopf und starrte auf die klinisch-weiße Decke. Plötzlich aber erschrak ich fürchterlich, weil Manu leise ein Lied summte. Ich sah ihn an. Auch ihm liefen die Tränen über die Wangen, doch er summte immer weiter. "Was ist das?" fragte ich leise. Er unterbrach das Lied. "Meine Mutter hat es uns immer vorgesungen. Man...Man sagt doch, Koma-Patienten würden Stimmen wahrnehmen und da dachte ich-..." Ich unterbrach ihn mit einem Nicken, weil er die Worte nur mit Mühe hervorbrachte. Ich ließ meinen Kopf wieder auf die Bettkante sinken und küsste Nell's Hand, was ich schon seit gefühlten Stunden machte. "Mats winkt." meinte Manu dann plötzlich. Ich drehte mich um. Er winkte tatsächlich und deutete dann auf mich. Nur schweren Herzens erhob ich mich und ließ ihre Hand los. Dann ging ich zu Mats. "Mario, ich weiß der Zeitpunkt passt gerade überhaupt nicht, aber wir sollten zurück, wir haben Training." Ich schüttelte den Kopf. "Ich kann hier jetzt nicht weg." Mats sah mich mitleidig an. "Mario,bitte. Die Anderen wollen auch wissen, was los ist. Jeder aus der Mannschaft hat mich mindestens zwei mal angerufen. Du kannst danach direkt wieder hierher." wollte er mich überzeugen. Ich starrte an irgendeinen verlorenen Punkt auf dem sterilen Boden. "Du weißt, was sie sagen würde, wenn du wegen ihr nicht zum Training gehst." Ich sah nochmal durch die Glasscheibe. "Na gut." murmelte ich. Wir sagten Manu Bescheid, der sowieso nie mitgegangen wäre und fuhren dann zum Camp. Als ich dort in unserem Bungalow stand, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken, weil ich direkt auf Nell's leeres Bett starrte. Ich setzte mich darauf, doch irgendetwas war unter der Decke zu spüren. Ich erhob mich noch einmal und schlug die dünne Decke zurück. Dort kam ein Triko zum Vorschein. Mit der Nummer 19 und dem Namen Götze. Ich war so gerührt. Weil Löw es verboten hatte, dass wir im selben Bett schliefen, hatte sie sich jede Nacht mein Trikot mit ins Bett genommen. Der Geruch aus einer Mischung meines After-Shaves und ihrem atemberaubenden Duft flog mir entgegen. Ich hielt mir das Trikot vor das Gesicht und schloss die Augen. Plötzlich öffnete sich die Tür.Ich musste ziemlich schrecklich aussehen, denn mein Anblick verursachte nicht gerade gute Laune oder hoffnungsfrohe Gesichter unter Miro, Kevin, Thomas, Basti und André. Ich räusperte mich und legte das Trikot wieder auf das Bett. "Ich komm schon." sagte ich schnell und stand auf. Mit gesenktem Kopf ging ich zwischen den Fünfen durch und bekam dabei von links Kevin's und von rechts Thomas' Hand auf die Schulter. "Mats hat uns alles erzählt." meinte Thomas. Ich nickte nur knapp und ging dann stur weiter bis zum Fußballplatz. Dort begann auch direkt das Training. Nicht einmal das Geschreie von Löw lenkte mich ab. Ich dreschte einfach irgendwie auf den Ball ein, wenn ich ihn mal hatte. Löw sagte allerdings nichts, was wohl daran lag, dass die Anderen sich auch nicht viel mehr reinhängten. Schließlich hatte ich das Training überstanden und suchte jetzt nach irgendjemandem, der mich sofort wieder in die Klinik fuhr. Thomas erklärte sich bereit und fuhr mich dann von Basti und Miro begleitet dorthin. Als wir ankamen lief ich schnurstracks richtung ITS. Dort angekommen kam gerade Manu aus dem Zimmer. Er sah echt scheiße aus. Fragend sah ich ihn an. Er schüttelte nur den Kopf und ging an mir vorbei, um sich dann halbherzig von Thomas, Basti und Miro trösten zu lassen. Ich ging in das Zimmer und direkt zu Nell's Bett, wo ich mich auf den Stuhl setzte, auf dem Manu eben noch gesessen haben musste. Ich nahm ihre Hand wieder in meine. Obwohl es schrecklich weh tat, sie so zu sehen, wollte ich sie am liebsten keine Sekunde aus den Augen lassen. Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr und sah hoch. Die drei schoben Manu aus dem Vorraum. Bis auf das leise Rauschen der Infusion und dem elektronischen Summen des Überwachungsmonitors war es jetzt totenstill. Ich überlegte mir, sie zu küssen. Es war absurd, aber schließlich hatte es schon einmal geklappt. Ich schob den Gedanken beiseite. Doch je länger ich ihr Gesicht -die geschlossenen Augen, das blasse Gesicht, wunderschön geschwungene, leicht bläuliche Lippen- betrachtete, desto mehr rebellierte mein Herz. Ich sah noch einmal nach oben. Nirgends war jemand zu sehen. Dass ich totmüde und fertig war, ignorierte ich einfach. Ich stand auf. Wegen den ganzen Schläuchen und Kabeln, die unter der Bettdecke hervorragten musste ich vorsichtig sein. Ich beugte mich über sie und umfasste ihr Gesicht mit meinen Händen. Dann schloss ich meine Augen und küsste ihre trockenen, sonst so warmen und weichen Lippen. Nur vorsichtig, weil ich Angst hatte, ihr selbst damit wehzutun. Die Schmetterlinge in meinem Bauch tanzten Harlem Shake. Ganz im Gegenteil zu Nell, die sich nachdem ich mich von ihr löste keinen Millimeter bewegte. Was hatte ich auch erwartet? Niedergeschlagen ließ ich mich wieder auf den Stuhl fallen. Dabei erblickte ich die Anderen durch die Glasscheibe. Alle Vier hatten Tränen in den Augen.Muss ja rührend ausgesehen haben, als ich sie geküsst habe. Wie bei Titanik oder so, nur dass mir das meine Verlobte und mein Kind auch nicht zurückbrachte.dachte ich mir und wollte jetzt auf keinen Fall meinen verbitterten Gesichtsausdruck im Spiegel sehen. Ich ignorierte die Anderen des weiteren und verschrenkte die Arme auf der Bettkante, um dann den Kopf darauf zu legen. Jetzt überkam mich doch die Müdigkeit und schlief irgendwann ein. Ich schreckte aus dem Schlaf hoch, weil eine Hand sich auf meine Schulter legte. Die Sonne strahlte hell durch das Fenster, als ich zu der Person herumwirbelte. Vor mir stand Marco. Ich sprang auf und umarmte ihn. "Wie geht's dir? Hast du die ganze Nacht hier verbracht?" fragte er an meinem Ohr. Ich löste mich von ihm. "Ja, ich bin wohl eingeschlafen... Und mir geht es... Naja, relativ beschissen." gab ich zu. Er nickte nur, dann fiel sein Blick auf Nell. "Und wie geht's ihr?" wollte er wissen. "Hast du schon mit den Anderen gesprochen?" stellte ich die Gegenfrage. Er schüttelte den Kopf. Ich ließ ihn jetzt auf meinen Stuhl sitzen, weil er mit seinen Krücken deutlich ungern stand. Fragend sah er mich an. Ich zögerte, weil ich mich nicht traute, diese Worte über meine Lippen kommen zu lassen.
Nell's Sicht:

. . . Mario und Marco . . .
Mario's Sicht:

Schon lief mir eine Träne über die Wange, wodurch Marco's Gesichtsausdruck immer ängstlicher wurde. "Jetzt sag schon!" drängte er. Ich holte tief Luft. "Sie hat das Baby verloren." sagte ich leise und sofort stach es mir in die Herzgegend. Marco schlug sich Hand vor den Mund. "Ach du Scheiße... Ich meine, Mario, es tut mir so leid!" nuschelte er dann. Ich schluckte nur den Kloß in meinem Hals hinunter. "Aber sie wacht doch wieder auf?" fragte er dann mit einem Blick auf diese zerbrechlich wirkende Gestalt im Bett. Ich sah auf den Boden. "Die Ärzte sagen, sie ist von selbst ins Koma gefallen und sie wissen nicht, ob und wann sie aufwacht." erzählte ich. Marco fuhr sich durch die Haare. Dann legte er die Finger auf Nell's Arm. "Du musst aufwachen Nell. Wir wollen doch wieder zu dritt Scheiße bauen!" sagte er schon fast flehend und musste auch die Tränen zurückhalten. Ich wartete auf Nell's Kommentar, der wohl lauten würde:Du meinst wohl, du willst Scheiße bauen.Aber dieser kam natürlich nicht. "Wie lange bleibst du?" fragte ich dazwischen. Langsam zog er seine Hand von ihrem Arm. "So lange es nötig ist." meinte er. "Denkst du es ist sinnvoll, sie nach Deutschland zu bringen?" fragte ich vorsichtig weiter. "Nach Deutschland? Warum? Ich denke du willst bei ihr sein?" entgegnete er. "Das will ich auch. Auch in Deutschland." erwiderte ich. Er riss die Augen auf. "Du versuchst nicht gerade, mir zu sagen, dass du aus der WM aussteigen willst?" Ich sah ihn nur an, sodass er jetzt etwas lauter wurde. "Mario, das kannst du nicht machen! Ein ganzes Land zählt auf dich und die Mannschaft!" "Und die Frau, die ich liebe?!" konterte ich. "Nell würde dich umbringen, wenn du das tust. Stell sie nicht über deine Karriere, das würde sie nicht wollen." meinte er. "Sie bedeutet mir aber mehr als meine Karriere!" schrie ich. Marco wollte etwas erwidern, doch unsere Köpfe fuhren Augenblicklich in Nell's Richtung, weil der Monitor einen leisen Alarm von sich gab. Sofort waren wir beide bei ihr. Ihre Muskeln zuckten und ihre Augenlieder begannen zu flattern. Ich legte meine Hände an ihre Wangen und tätschelte sie leicht. "Nell, hörst du mich?" sagte ich. Der Alarm wurde lauter. "Hol einen Arzt!" rief ich Marco zu, der zur Tür humpelte, wo ein Knopf für Hilfe war. Jetzt blinzelte Nell und wandte den Kopf immer wieder hin und her. Marco humpelte hektisch zurück und sah über meine Schulter. Plötzlich schlug Nell komplett die Augen auf, die voller Schmerz standen. Sie wollte ihre Hand heben, schien es aber wieder aufzugeben. Ich nahm ihre Hand. "Mario..." flüsterte sie fast tonlos. "Ja! Ja, ich bin hier." bestätigte ich und drückte ihre Hand. Ihr etwas zielloser Blick glitt zu Marco. "Gleich kommt ein Arzt." sagte er und strich ihr kurz die Haare aus der Stirn. Ihre kalten Hände wanderten über meine Arme. Der Monitor schlug immer lauter Alarm. Erschrocken blickte ich darauf hoch und dann zu Marco. "Was ist da los?" fragte ich hektisch, doch er zuckte nur hilflos mit den Schultern. Dann blickte ich wieder auf Nell hinab, weil sie an meinem Shirt zupfte. Ihr Blick glitt immer wieder an mir vorbei und ihre blauen Augen waren glasig. "Ich liebe dich..." flüsterte sie. "Ich dich auch, Nell, aber du musst jetzt wach bleiben!" sagte ich ängstlich. Im nächsten Moment fielen ihre Augen zu und ihre Hände rutschten von meinen Armen. "Nell?!" sagte ich verzweifelt, doch sie reagierte nicht. Dann gab der Monitor nur noch einen dauerhaften Piep-Ton von sich...

HALLO LEUTE, ICH WILL GARNICHT VIEL SAGEN: SCHREIBT WIEDER EURE TIPPS IN DIE KOMMIS: DEUTSCHLAND VS. ALGERIEN? UND NOCH WAS: SCHREIBT DOCH BITTE TROTZDEM WIE IHR DAS KAPITEL FINDET :)

Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt