Kapitel 98

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Mario's Sicht:

Pech. Dieses verdammte Pech. Ich war kurz davor, meiner Freundin zum zweiten Mal einen Antrag zu machen und dann sowas?! Nicht nur dass ich unterbrochen wurde, es war auch noch fraglich, was es bedeutete, dass ihr Vater auf freiem Fuß war. Es machte mir jetzt schon Angst. Und zwar aus dem Grund, dass Nell - genau wie Manu - den ganzen Tag verschwunden war. Im Teamhotel war sie nicht. Ich fuhr sogar extra zu mir nach Hause, aber natürlich war sie auch da nicht. Und ich Idiot war einfach zu feige, sie anzurufen. Ich hätte kotzen können, war auf 180. Alles hatte ich geplant, mir so viel Mühe gegeben. Und in den entscheidenden Minuten ging alles schief. Ich konnte es nicht hinnehmen, dass das mit Nell einfach nicht sein sollte. Das wäre schwachsinnig. Beinahe hätte ich mal wieder zum Alkohol gegriffen, aber wer wusste, was ich dann wieder anstellte. Die kleine Schachtel mit dem Ring steckte noch immer in meiner Jackentasche, als ich mich dazu entschloss, zu Marco zu fahren. Er hatte vermutlich ganz andere Sorgen aber ich war kurz vor dem verzweifeln. Schließlich fand ich mich vor Marco's Tür wieder und mein Finger landete auf der Klingel. "Wer stört?" ertönte der Lautsprecher. "Ein verzweifeltes Arschloch." murrte ich. "Ach, Mario, komm hoch!" freute er sich und drückte den Summer. Als ich die Stufen hochgestapft war, stand Marco schon grinsend in der Tür. Wortlos stürmte ich an ihm vorbei in die Wohnung. "Komm ruhig rein." forderte er den leeren Flur auf. Dann schloss er kopfschüttelnd die Tür. Ich ließ mich auf die Couch fallen. Er ebenfalls. "Ich hab ein Problem." begann ich. Marco hob die Augenbrauen und lehnte sich in meine Richtung, um mein Kinn zu packen, meinen Kopf einmal nach links und nach rechts zu wenden und mich dabei kritisch zu mustern. "Bist du krank? Seit wann gibst du das freiwillig zu?" meinte er dabei. Ich schlug seine Hand weg. "Lass!" fuhr ich ihn an. Er lehnte sich seufzend zurück. "Geht es um Nell?" durchschaute er mich. "Wo-woher weißt du das?" entgegnete ich verwirrt. "Also zum einen kommst du immer zu mir, wenn es Schwierigkeiten mit ihr gibt und zum anderen hast du diesen 'na-toll-Liebe-ist-scheiße-Blick' drauf." meinte er. Ich sah ihn nur schweigend an. Bis er sich schließlich nochmal erhob und in der Küche verschwand. Mit zwei Bierflaschen kehrte er zurück. "Ich hab Zeit." sagte er und reichte mir die eine Flasche. Ich betrachtete sie kurz, weil ich eigentlich noch Autofahren musste. Dann trank ich den ersten Schluck, weil es mir am Arsch vorbei ging. "Das schmeckt beschissen." meckerte ich. Marco warf die Hände in die Luft. "Oohh, das tut mir jetzt aber leid. In Bayern gibt es nunmal viel besseres Bier." rief er sarkastisch aus. Dann schüttelte er den Kopf. "Was hast du also wieder angestellt?" fragte er dann. "Ich hab nichts getan!" rechtfertigte ich mich sofort. Marco lachte. "Okay, was dann?" wollte er weiter wissen. Ich zögerte. "Mario, auch wenn ich mich manchmal blöd verhalte, du kannst mir alles sagen, wir sind doch Bros." versicherte mir Marco schließlich und schlug mir mit der Faust auf die Schulter. Ich zögerte immernoch. Er stöhnte genervt auf. "Also gut, dann ein Ratespiel: Ist sie schwanger?" war sein erster Vorschlag. "Nein!" antwortete ich ein wenig geschockt. "Hmm... Sie hat dir 'nen Orgasmus vorgespielt? Du hast keinen hochgekriegt?" riet er weiter. "Marco, verdammt! Bleib beim Thema!" tadelte ich ihn. "Ja, dann sag doch endlich wo das Problem liegt!" drängte er und trank einen Schluck Bier. "IchhabihreinenAntraggemacht." ratterte ich kurz und schmerzlos herunter. Marco verschluckte sich und begann zu husten. Dann blickte er mich mit großen Augen an. "Sag bloß, sie hat Nein gesagt." meinte er geschockt. "Nein, so weit kam es nicht einmal. Ich war kurz davor sie zu fragen, da hat ihr Handy geklingelt." erzählte ich. Marco stellte die Bierflasche auf dem Couchtisch ab und stützte den Kopf in die Hände. "Was ist bitteschön so wichtig, dass man sowas unterbricht?!" nuschelte er in seine Handflächen. "Ihr Vater ist aus dem Knast raus." erklärte ich. Wieder hob Marco seinen Kopf und sah mich schockiert an. "Du hast sie doch aber nicht zu ihm gehen lassen, oder?" hakte er nach. "Nein, selbstverstänlich nicht. Sie wollte mit Manu reden. Seitdem ist sie spurlos verschwunden." erklärte ich. Marco blieb einen Moment still. "Meine Fresse... Und ich dachte, ich hätte Pech." murmelte er schließlich vor sich hin. "Kannst du mir sagen, was ich jetzt machen soll?" fragte ich verzweifelt. Eine steile Falte erschien auf Marco's Stirn. "So gerne ich auch was anderes behaupten würde, ich...ich hab echt keine Ahnung." gab er zurück. Ich gab eine Art leisen Verzweiflungsschrei von mir. Auf einmal störte mich die Schatulle in meiner Jacke, also zog ich sie energisch heraus und pfefferte sie auf den Couchtisch. Marco nahm sie sofort an sich und klappte den Deckel auf. "Eigentlich habt ihr das echt nicht verdient." stimmte er mir zu, während er den Ring betrachtete. "Gefällt er dir? Kannst ihn haben." murmelte ich und erhob mich. Marco sprang auf und humpelte mir hinterher. "Spinnst du?! Den brauchst du noch!" meinte er und drückte mir die Schachtel an die Brust. "Du wirst deine Traumfrau bekommen, glaub mir. Aber jetzt musst du erst mal dafür sorgen, dass ihr nichts passiert." erinnerte er mich und spielte damit einerseits auf Nell's Prügel-Vater an, aber andererseits auch auf den Typen, der mir in letzter Zeit solches Unbehagen bereitete. Der mit den kalten grauen Augen. Natürlich konnte er auch einfach ein Paparazzi sein, schließlich war es mit ziemlicher Sicherheit auch er gewesen, der vor dem Hotel in den Bäumen gelauert hatte. Genau diese Bilder waren ja vom Winkel her aus seiner Sicht entstanden. Und als ich mit Nell darüber geredet hatte, war auch er es, der dort gelauert hatte. Es war absurd, aber mein Instinkt sagte mir, ich müsste meine Freundin vor ihm schützen. Und auch wenn ich wie heute in der Realität oft versagte, ich würde meinem Instinkt Glauben schenken.

Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt