Kapitel 96

11.2K 288 17
                                    

Nell's Sicht:

Ich hatte einen wirklich schönen Tag mit Miro gehabt. Allerdings hatte das jetzt so seine Nebeneffekte. Und bevor jetzt alle meinen, ich wäre verkatert: Wir hatten nichts getrunken. Es war nur, wir hatten viel unternommen. Zuerst Kino, dann irgendein kleines Dorffest mit Riesenrad, Box-Auto und so weiter und schließlich hatte er mich zu sich zum Abendessen eingeladen, wo wir einfach nur über Gott und die Welt redeten. Und so war ich zum Schluss zienlich fertig. Eigentlich wollte er mich gar nicht gehen lassen, weil es inzwischen dunkel war und er meinte, er könnte keinem fragwürdigen Taxifahrer ein hilfloses Mädchen wie mich anvertrauen. Manu hätte wohl genau das selbe getan. Schließlich hatte ich ihn dann so weit, dass ich die Wohnung verlassen durfte - er begleitete mich. Wir warteten dort kurz auf ein Taxi. "Ach weißt du was? Ich fahr dich einfach gleich persönlich." sagte er plötzlich und schob mich schon zu seinem Auto. Es hatte ja doch keinen Sinn. Ich seufzte. "Wenn es dein Gewissen beruhigt..." Auf der ruhigen Fahrt durch die Nacht, sprach er dann etwas an, was den ganzen Tag kein Thema gewesen war. Und eigentlich auch sonst nicht. "Ist eigentlich wieder alles in Ordnung bei dir und Mario?" Ich sah ihn kurz an - zuvor hatte ich in die Dunkelheit gestarrt. "Ich denke schon. Wieso fragst du?" gab ich zurück. "Naja... Die Kette. Das ist doch dein Verlobungsring, oder? Willst du ihn immernoch heiraten? Irgendwann?" wollte er wissen. Ich berührte mit den Fingerspitzen die Kette an meinem Hals. "Ja, das ist der Ring. Momentan scheint alles so perfekt zu sein. Aber ich habe Angst, dass der Schein nur trügt, verstehst du?" entgegnete ich. "Mit Angst verschwendest du viel zu viel Zeit im Leben. Und Mario müsste schon vollkommen hirnlos sein, dich schon wieder zu verletzen." meinte Miro. "Ich habe nicht gesagt, dass es was mit Mario zu tun haben muss. Aber ja, du hast recht. Es läuft super." sagte ich und lächelte. Er sah mich kurz misstrauisch an, als hätte ihn mein erster Satz verwirrt, dann lächelte er zurück. In Kamen an unserem Hotel angekommen, ließ sich Miro weiter nicht davon abbringen, mich ins Gebäude zu begleiten. In der Lobby saßen noch einige aus der Mannschaft und aus dem Team hinter dem Team beisammen. "Nell! Da bist du ja! Mario wartet schon ganz sehnsüchtig auf dich." rief mir Thomas entgegen. "Na, dann solltest du wohl nicht noch länger auf dich warten lassen." sagte Miro und zog mich in eine herzliche Umarmung. "Pass auf dich auf, Maus." murmelte er. "Nenn mich nicht immer Maus." meckerte ich leise. Wir lösten uns voneinander. "Bis hoffentlich bald." verabschiedete ich mich. Er nickte nur. Ich nickte im Vorbeigehen noch den Jungs zu und wollte zum Aufzug. "Zimmer 119!" rief mir Thomas hinterher. Das hätte ich fast vergessen. "Dankeschön!" flötete ich zurück. Ich lief den Flur entlang. 117, 118, Ende. Also ein Stockwerk höher. Ich musste Treppen steigen, weil der Fahrstuhl nicht höher fuhr. Schnaufend, weil ich einen erlebnisreichen und trotzdem anstrengenden Tag hinter mir hatte, kam ich oben an. Die erste Tür war ein Personalraum, dann kam direkt die 119. Weil ich ja keine Schlüsselkarte hatte, klopfte ich. "Ist offen!" erklang Mario's Stimme. Ich sah mir die futurische Türklinke - oder was auch immer das war - genauer an. Man konnte sie tatsächlich von außen öffnen. Vorausgesetzt es war nicht abgeschlossen. Ich betrat langsam das Zimmer. Es war ziemlich dunkel, weil alle Lichter aus waren. Stattdessen flutete aber das momentan sehr grelle Mondlicht den Raum. Ich staunte nicht schlecht. Im Gegensatz zum Flur, der eher im altmodischen Stil mit Stuck an der Decke und rotem Teppichboden gehalten war, war das Zimmer modern gestaltet. Alle Möbel in schwarz-weiß, das überdimensionale Bett nicht eckig, sondern rund. Dazu war eine ganze Front aus Glas. Und vor dieser Front stand Mario, mit den Händen in den Hosentaschen und dem Rücken zu mir. Ihn schien es anscheinend nicht sonderlich zu interessieren, wer da gerade den Raum betreten hatte. Ich schlich mich langsam an ihn heran, bis er vermutlich meinen Atem in seinem Nacken hätte spüren müssen. Aber er reagierte nicht. Ich wollte ihm zunächst einfach meine Hand auf die Schulter legen, verwarf das aber wieder und küsste ganz vorsichtig seinen Nacken. Er wirbelte zu mir herum. "Man, hast du mich erschreckt!" meinte er dann. "Ich hab doch geklopft." lachte ich. "Ach, weißt du, Marco, Kevin und Erik machen den ganzen Abend Flur-Running und klopfen an jede Tür. Ich dachte es wäre wieder einer von ihnen." meinte er. "Darf ich fragen, warum du hier so im Dunkeln stehst?" grinste ich. Er packte mich an den Hüften, drehte uns und drückte mich vorsichtig gegen die kühle Glasfront. "Villeicht damit niemand mitbekommt, wie ich dich um den Verstand bringe." raunte er mir verführerisch ins Ohr. Er küsste ganz leicht meinen Hals. Er bewegte seine Küsse in eine bestimmte Richtung, sodass ich gezwungen war, den Kopf in den Nacken zu legen, als er mit den Lippen nur leicht meine Kehle streifte. "Du weißt aber schon, dass wir nicht jedes mal miteinander schlafen können, wenn du ein Spiel hast." keuchte ich, um ihn abzulenken. "Kann mir das jemand verbieten?" erwiderte er leise, ohne seine Lippen von meiner Kehle zu lösen, um dort dann mit Küssen fortzufahren. "Ich zum Beispiel." warf ich ein. Im nächsten Moment landeten seine Hände an meinen Brüsten. Ich zuckte schrecklich zusammen und mein Keuchen wurde zu einem kurzen Luftschnappen. "Sieht aber nicht aus, als würdest du das hier gerade wirklich so schrecklich finden." konterte er. Dann ließ er seine Hände von meinen Brüsten zu meinem Po gleiten, wo er mich dann hochhob. Wir küssten uns und Mario ging das alles andere als ruhig an. Der Kuss war verlangend und ließ uns beide schwer atmen. "Hast du getrunken?" sicherte ich ab, weil das für Mario absolut untypisch war. "Nein, habe ich nicht. Angst vor meiner dunklen Seite?" grinste er. Bevor ich antworten konnte, öffnete er blitzschnell die ersten drei Knöpfe meines roten Karohemdes. Beim vierten stoppte ich seine Hand. "Für sowas ist unsere Beziehung noch zu jung." sagte ich. "Du lässt dich aber auch leicht verarschen." meinte er plötzlich grinsend und setzte mich ab. Ich blickte ihn nur verwirrt an. "Och Prinzessin, als würde ich dich so flachlegen wollen! Dich muss man doch wie einen Engel behandeln." lachte er. Ich stieß ihm leicht zwischen die Rippen. "Du bist so gemein! Das heißt, deine 'dunkle Seite' existiert gar nicht?" hakte ich nach. "Naja, ich denke, so einen dreckigen Kuss kann man nicht spielen. Und ich muss schon sagen: mit dir kostet mich das überhaupt keine Überwindung." grinste er und drückte mir noch einen kurzen Kuss auf. Ich knöpfte jetzt meine Bluse doch ganz auf und zog sie aus. Ich bemerkte natürlich, wie Mario jeder meiner Bewegungen folgte und schließlich schlucken musste. "Komm schon das ist jetzt aber auch... gemein..." meinte er, sagte das letzte Wort aber nur verzögert und ganz leise. Seine Augen blitzten im Mondlicht auf. Er sah über meine Schulter hinweg. "Mario?" wollte ich seine Aufmerksamkeit wieder auf mich lenken, doch er reagierte nicht. Erst, als ich mich umdrehen wollte, um zu sehen, was er sah, kehrte sein Grinsen zurück und er nahm mich mit Schwung im Brautstyle auf die Arme und ließ sich mit mir aufs Bett fallen und begann mich zu kitzeln. Wir lachten beide und ich flehte um Gnade. Doch er hörte erst auf, als ich vom vielen Lachen so erschöpft war, dass ich Sekunden später einschlief und somit auch sein seltsames Verhalten eben vergaß. Was es damit auf sich hatte, sollte ich schon am nächsten Tag erfahren. Übrigens auch der Tag des EM-Qualifikationsspiels gegen Schottland. Wie es nämlich schon einmal der Fall war, saßen so gut wie alle mit der BILD-Zeitung an den Frühstückstischen. Als ich aufgewacht war, war Mario bereits verschwunden. Jetzt erblickte ich ihn neben Marco, der ebenfalls das Schmalzblatt studierte und von Mario leise auf sich einreden ließ. Marco hob jetzt den Kopf und blickte mich direkt an, worauf er Mario warnend in die Seite stieß. Als auch dieser mich bemerkte, hielt er den Mund. Ich wollte gerade zu ihnen, als ich am Handgelenk zur Seite gerissen wurde. "Kannst du mir mal erklären, was das ist?!" zischte Manu auf mich hinab und drückte mir die BILD in die Hand. Ich blätterte die erste Seite um. Heiße Nächte im Teamhotel lautete die Schlagzeile. Darunter ein Bild, wo man deutlich die Umrisse zweier Personen sehen konnte. Eng umschlungen, die Lippen am Hals der Frau. Der Frau, die ich war. Und das Schlimmste war, es war noch ein zweites Bild zu sehen. Dort erkannte man, wo Mario seine Hände hatte. Ich las den Artikel gar nicht, sondern knüllte diese verdammte Zeitung zusammen und warf sie auf den Boden, weil mich das so sauer machte. Darum war Mario also kurz so verunsichert gewesen und hatte mich zum Bett gebracht, wo man uns nicht mehr sehen konnte. "Nicht dass meine brave, kleine Schwester es offensichtlich wild mit ihrem Freund treibt, nein, sie muss sich auch noch dabei fotographieren lassen!" regte sich Manu weiter auf und gestikulierte dabei wild mit den Armen. Es war schon sehr kritisch, wenn er von mir in der dritten Person sprach, obwohl ich direkt vor ihm stand. "Was kann ich denn bitte dafür?!" motzte ich. "Auch wenn ich nicht begeistert bin: Hab deinen Spaß, probier jede erdenkliche Stellung mit ihm aus, aber verdammt nochmal nicht in einem Hotel direkt vor einer kompletten Wand aus Glas!" fuhr er mich an. "Also erstens geht es dich gar nichts an, was Mario's und mein Sexleben angeht und zweitens ist es jetzt eh schon zu spät." fauchte ich und ließ ihn damit stehen. Ich ging zu Mario, stellte mich hinter seinen Stuhl und legte die Hände auf seine Brust. "Wir müssen reden." flüsterte ich in sein Ohr. Er nickte nur. "Es gibt hier einen kleinen Gartenteich, da stört euch niemand." unterstützte uns Marco mit einem ausnahmsweise ernst gemeintem Ratschlag. Ich nickte nur. Dann ging ich Richtung Ausgang. "Und, fühlen sich ihre Möpse gut an?" hörte ich Lukas lachen. Ich drehte mich nochmal um. Er stand bei Mario, der gerade aufstehen wollte, um mir zu folgen und ihn jetzt böse anfunkelte. Auch Lukas bemerkte, dass ich noch in Hörweite war und hörte sofort auf zu lachen. Ich warf ihm einen tötenden Blick zu und wartete diesmal auf Mario, der eine Hand auf meinen Rücken legte, um mich hinaus zu befördern. Als wir dann schließlich am besagten Gartenteich saßen, zupfte ich energisch an den Grashalmen. "Das hätte nicht passieren dürfen." meinte Mario aus zusammengekniffenen Augen. "Du hast den Paparazzi gestern schon bemerkt, oder?" sprach ich ihn darauf an. Er blickte auf eines der ersten Gänseblümchen hier in der Wiese. Völlig herzlos riss er es ab. Ganz so schlimm war es dann doch nicht, weil er mir das zarte Blümchen ins Haar steckte. Er lächelte kurz, dann verfinsterte sich sein Blick wieder. "Ja, ich hab jemanden gesehen. Ich wollte dich aber nicht beunruhigen. Der Artikel wäre so oder so erschienen." gab er zu. "Ist schon okay. Was sagen wir den Anderen?" fragte ich. Er nahm meine Hände in seine. "Ich mach das schon." nahm er es auf sich. "Nein, ich will nicht, dass die Jungs dich verurteilen. Ich mach das." verkündete ich. Ich sah ihm an, dass er wieder etwas erwidern wollte, da sah er wieder an mir vorbei. Im nächsten Moment sprang er mit einem knappen 'Ok' auf, um mich dann hektisch mitzuziehen. Erst als wir im Gebäude waren, verlangsamte er seine Schritte. "Was ist denn los?" wollte ich wissen. Er wollte nicht antworten. Er sah nur unsicher auf den Boden. Ich hob sein Kinn an. "Sag es mir." befahl ich, während ich ihm eindringlich in die Augen sah. "Ich...ich..." druckste er herum. "Du vertraust mir doch, oder?" erinnerte ich ihn. Er nickte nur. "Darum geht es auch nicht. Es ist nur... Hör zu Nell, pass bitte einfach auf dich auf, ja?" sagte er dann schnell und ließ mich stehen, bevor ich antworten konnte. Was war denn nur los mit ihm? Was war da draußen, das ihn schon wieder so aus dem Konzept brachte? Ich verspürte den Drang, im Garten nachzusehen, aber die Dringlichkeit, mit der er mich gebeten hatte, auf mich Acht zu geben, hielt mich irgendwie davon ab. Schließlich folgte ich Mario zurück in den Essenssaal. Mario saß wieder an seinem Platz neben Marco und schien äußerlich gefasst. "Jungs, hört ihr bitte kurz zu, es geht um den Artikel." begann ich. "Sag mal, wie feige ist das denn?! Schickt einfach seine Freundin vor, um seine Fehler auszubaden." beschwerte sich Mats. Mario 2.0 hielt sich offenbar auf einmal zurück. Mario warf Mats einen kalten Blick zu. "Das stimmt nicht. Ich wollte es so. Er hatte keine Chance zu widersprechen, ihr kennt mich." flunkerte ich ein Wenig, weil es mich ja eigentlich absolut gar keine Überzeugungskraft gekostet hatte. Daraufhin warf mir Mario einen dankbaren Blick zu. "Auch wenn das, was in der BILD steht, zu 95% Schwachsinn ist, ihr habt die Fotos ja selbst gesehen. Trotz dem, dass diese Szenen, die ihr da sehen könnt, keinerlei Ernsthaftigkeit besaßen, sind sie in dieser Zeitung garantiert falsch. Mario und ich haben herumgeblödelt - zugegeben auf eine sehr dumme Weise - und das kann natürlich niemand wissen, geschweige denn rückgängig machen. Ich weiß, dass viele Schlagzeilen auftauchen, seit ich hier bin, vor allem seit Mario und ich zusammen sind," Ich warf einen kurzen Blick zu Jogi, der mich ja damals deswegen gefeuert hatte, aber er nickte mir nur aufmunternd zu. "Aber dann nervt doch mich damit und nicht ihn. Ihr leidet doch selbst darunter, wenn sich alle zerstreiten. Schiebt es auf mich. Schließlich ist es ja meine Schuld." So war das sicher nicht geplant und Mario schüttelte schon den Kopf. "Das ist Schwachsinn. Setzt sie nicht noch mehr unter Druck!" warf er ein. Jetzt mischte sich auch Marco ein. "Leute, das ist alles Schwachsinn. Jeder von uns hat doch schonmal Scheiße gebaut. Und wir wissen alle, was zwischen den Beiden hier passiert ist und was da abgeht. Das ist nunmal die Liebe. Wollen wir sie einzeln und unglücklich oder zusammen und mit bester Laune?" Zustimmendes Gemurmel erfüllte den Raum. "Er hat recht. Es geht um Fußball hier. Wenn es schon die Presse tut, brauchen wir sie nicht auch noch ärgern." brachte sich Mario 2.0 überraschenderweise ein. "Danke Leute." sagte ich. "So und da das jetzt alles geklärt ist, geht's zum Abschlusstraining." verkündete Jogi und klatschte in die Hände. Die Jungs stöhnten genervt auf. Jogi hatte recht. Die Stimmung war um einiges entspannter nach diesem gemeinsamen Gespräch gerade. Mit voller Konzentration beendeten sie später ihr Abschlusstraining. Während ich mal wieder an meiner Doktorarbeit saß, bemerkte ich, dass Mario, egal wo ich war, immer wieder auftauchte. Er war zwar nicht ständig offensichtlich an meiner Seite, aber sein Verhalten verunsicherte mich. Er wollte mich vor irgendwas schützen. Doch waren das tatsächlich nur die Paparazzis? Als er mich dann auch noch in die Hotellobby verfolgte, wohin ich mich endgültig verzogen hatte, um endlich in Ruhe schreiben zu können, reichte es mir. Mit einem dementsprechend lauten Geräusch klappte ich den Laptop zu und überfiel ihn, wie er gerade 'zufällig' mit Marco hier redete. "Was ist dein Problem Mario?" fragte ich direkt. Marco war offenbar eingeweiht, denn er kaute unruhig auf seiner Unterlippe. "Ein Problem? Ich hab keins. Du vielleicht, Marco?" erwiderte unglaubwürdig. Statt einem schnippischen Kommentar schüttelte Marco den Kopf. "Du verfolgst mich durch das komplette Hotel? Vorhin die Aktion von wegen 'geheimnisvoller Beschützer'?" erklärte ich nochmal für Dumme. Mario verlagerte das Gewicht vom einen auf das andere Bein und öffnete mehrmals den Mund, sagte dann aber doch wieder nichts. "Äh weißt du Mario will dich vor der Presse schützen." brachte Marco jetzt für ihn hervor. "Aber doch nicht so." widersprach ich. "Naja, vielleicht ist es einfsch nur Ablenkung. Ich habe ein bisschen Angst, im Signal Iduna Park zu spielen, verstehst du? Die Fans machen mich fertig. Und wenn ich dann noch verkacke?" schob er es jetzt auf ein anderes Problem. Sein Blick stand dabei so voller Schmerz, dass ich ihm das sogar abnahm. Und ich wurde weich. "Mario es gibt genug Leute, die dich lieben. Und wenn diese 'Fans' dich auspfeifen, dann sind das doch nicht deine Fans. Die dürfen dich also nicht kümmern. Du bist in ganz Deutschland ein Held. Das sollen auch diese Leute anerkennen." wollte ich ihn aufmuntern. "Das ist nicht so einfach. Wenn man den Hass und die Missgunst von tausenden Menschen auf sich spürt, kann man das nicht abblocken. Ich will es nicht an mich heran lassen, aber ich tue es. Weil ich weiß, dass die Dortmunder ein recht haben, mich zu verurteilen." konterte er. "Aber nicht so. Denn das ist unsportlich. Sowas nennt man fair?" sagte ich. "Ich finde sie hat recht, Mario." mischte sich Marco ein. Mario nickte nur knapp und verschwand mit gesenktem Kopf. "Es geht ihm nicht darum, oder?" sprach ich Marco auf meinen Verdacht an. Nach kurzem Zögern schüttelte dieser den Kopf. "Ich kann dir das nicht sagen. Ich hab es ihm versprochen, Nell." schob er hinterher. "Ja, verstehe schon. Männerfreundschaft und so." murmelte ich. Marco blickte mich entschuldigend an. Den ganzen Tag ging mir das nicht mehr aus dem Kopf. Auch beim Spiel nicht. Ich war nicht ganz bei der Sache, bis ich mich im Spielertunnel wiederfand. Mario war in der Startelf. Er sprach mit Marco, der ihn aufbaute, während Mario's Gesichtsausdruck versteinert wirkte. Ich konnte mir das nicht mit ansehen. Eigentlich war es mir verboten und die Jungs mochten das auch nicht, aber ich ging trotzdem zu Mario. Ich wollte ihn gar nicht lange aufhalten. Er sah mich nur an und wirkte auf mich in diesem Moment wie ein 18-Jähriger, der zum ersten mal in der Nationalmannschaft spielen darf und alles andere als Selbstbewusstsein besitzt. "Vergiss nicht, dass du deinen größten Fan auf deiner Seite hast." flüsterte ich. "Genau hier." schob ich hinterher und legte meine Hand auf seine Brust, irgendwo in der Herzgegend. Er lächelte mich eine Millisekunde lang an. "Und mindestens einen Dortmunder Fan hast du auch." warf Marco hinter ihm ein. Jetzt lächelte er wirklich. Seine Augen strahlten plötzlich wieder. Aber dann ging es auch schon los. Ich trabte zur Ersatzbank und setzte mich neben Kevin. Das Spiel begann super. Die Jungs fanden sich im Gegensatz zum Spiel gegen Argentinien gut ein. Immer wieder gelangen ihnen Chancen und sie hatten deutlich die Überzahl an Ballbesitz. Mein Bruder musste mal wieder den Libero spielen. Dann in der 18. Minute schoss Thomas das erlösende 1:0. Es gab natürlich Pfiffe im Stadion, aber man konnte nicht wirklich definieren, gegen wen diese gerichtet waren. Die erste Halbzeit blieb der Ball überwiegend in der schottischen Hälfte. Dann war Pause. Alle waren fit, alle gut drauf. Und so starteten sie in die zweite Halbzeit. Ohne Auswechslungen. Allerdings hatte sich die Taktik der Schotten geändert. Sie spielten jetzt offensiver. Leider kam es ausgerechnet durch einen Fehlpass von Mario in der 66. Minute zum Ausgleich. Und schon gingen die Pfiffe los. Ich konnte Mario's zurückgekehrte Unsicherheit förmlich spüren. Er wollte es ihnen jetzt zeigen. Und bekam dafür Unterstützung von den deutschen Fans, die gegen die Pfiffe hielten. Wie ein ganzes Stadion auf einmal seinen Namen rief, rührte mich fast zu Tränen. Es half. Mario kam zu Chancen. Leider aber nicht zum Abschluss. Thomas dagegen traf ein zweites Mal und rettete somit vorerst unsere 3 Punkte. So blieb es auch. Bis kurz vor Schluss. Ausgerechnet Marco, der irgendwie in letzter Zeit vom Pech verfolgt schien und inmer nur den Pfosten oder den Torwart oder eben knapp vorbei getroffen hatte, knickte in einem Zweikampf um. Die Szene vom Spiel gegen Armenien blitzte in meinem Kopf auf. Es war absolut gleich. Die Situationen von damals und genau jetzt vermischten sich. Marco, der vor Schmerz das Gesicht verzog und mit der Hand auf den Rasen eindreschte. Ich stand kurz unter Schock. Bis ich Mario's lautes Rufen hörte. Er gestikulierte wild mit den Armen und beugte sich dann wieder besorgt zu Marco runter. Meine Beine bewegten sich jetzt fast von allein. In Begleitung eines weiteren Sanitäters aus dem Team kam ich bei ihnen an. Ich sah, dass Marco sich den linken Fuß hielt. Schon wieder. "Worauf wartest du denn?!" fuhr Mario mich an. Auch wenn es unglaublich niedlich war, wie Mario sich für seinen besten Freund einsetzte, es passte mir nunmal überhaupt nicht in den Kram. "Bring ihn weg." befahl ich Erik, der ebenfalls bei uns stand. Erik tat, was ich sagte, aber Mario hatte schon eine neue Beschäftigung gefunden. Gemeinsam mit Thomas stellte er den Schotten zur Rede. Eine sehr untypische Geste für Mario, da er sich sonst möglichst raushielt. Durch meinen Befehl an Erik hatte auch Marco mitbekommen, dass ich da war. Er blickte mit dem selben angsterfüllten Blick zu mir hoch, den er mir auch bei der Diagnose damals zugeworfen hatte. "Hilf mir, Nell. Bitte, nicht schon wieder." flehte er und schlug dann wieder die Hände vor das Gesicht. "Alles wird gut, Marco. Ich tu, was ich kann." antwortete ich. Ich tastete jetzt vorsichtig seinen Fuß ab. Er wollte sich zusammenreißen, aber ihm entfuhr trotzdem ein schmerzerfülltes Stöhnen zwischen zusammengebissenen Zähnen. Es war unmöglich, ihn spielen zu lassen. Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Der Schiedsrichter. "He cannot play anymore." verkündete ich, worauf nur ein unterdrücktes Schluchzen von Marco kam. "Marco bitte steh auf." bat ich ihn. Er hörte nicht auf mich. Stand er etwa unter Schock? Ich klatschte ihm leicht gegen die Wange, worauf er mir direkt in die Augen sah. "Je schneller du aufstehst, desto größer ist die Chance, dass egal was es ist, es nicht so schlimm ausfallen wird." erzählte ich ihm. Plötzlich war er voll da und kämpfte sich auf die Beine. Mario tauchte wieder neben uns auf. "Halt jetzt bloß die Fresse." fauchte Marco direkt. Ganz vorsichtig, aus Erfahrung seiner vorigen Verletzung, versuchte er aufzutreten. "Ah, fuck." fluchte er. Er musste jetzt vom Feld runter. Wortlos nahm ich seinen Arm über meine Schulter und führte ihn gemeinsam mit dem anderen Sanitäter über die Linie. Mario kam mir ein paar Schritte hinterher. "Kannst du schon sagen, wie schlimm es ist?" fragte er hektisch. "Du hast noch ein Spiel zu spielen, verdammt!" regte sich Marco in seinem Frust auf und ließ sich auf den Boden fallen. "Aber..." wollte Mario wieder ansetzen. "Wenn du jetzt noch einmal fragst, verschlimmert sich das noch, weil du die Behandlung aufgehalten hast!" gab ich zurück. Das überzeugte ihn. Sofort war er zurück auf seiner Position. "Nein! Verdammt nochmal, nein!" jammerte Marco jetzt wieder. "Marco du musst jetzt dringend mal tief durchatmen." riet ich ihm. Der Sanitäter legte Marco jetzt ein provisorisches Kissen unter den Kopf, während ich mich um seinen Fuß kümmerte. Roman und Kevin kamen jetzt von der Ersatzbank herüber und erkundigten sich nach Marco's Wohlbefinden. "Ich sterbe gleich." murmelte Marco. "Alter, jetzt mal mal nicht den Teufel an die Wand! Du hast bis jetzt alles geschafft." munterte Kevin ihn auf. "Ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr einfach alle mal den Mund halten würdet." Gut, dass ich so konzentriert war, sonst hätte ich selbt noch angefangen zu heulen. "Du bewegst dich jetzt keinen Millimeter, kapiert?" befahl ich Marco. Er nickte nur niederschlagen. Eigentlich aus rein psychologischer Maßnahme kniete ich mich hinter ihn und massierte seinen Nacken. Er schloss die Augen und hob immer wieder die Wasserflasche an, die ihm Roman eben gereicht hatte. So langsam beruhigte er sich. Das Spiel war mittlerweile vorbei. Einige der Jungs kamen herüber. Ich ignorierte alle, genau wie Marco. "Ich steh jetzt auf." meinte er auf einmal entschlossen und schlug die Augen auf. Er richtete sich direkt auf und ließ sich von den anderen auf die Beine helfen. "Ich muss einfach." redete er immer wieder vor sich hin und quälte sich ein paar Scbritte weit. Ohne die richtige Technik konnte ich vorerst nichts feststellen, aber es war ein gutes Zeichen, dass er einigermaßen auftreten konnte. "Gib mir noch mehr von diesem Eis-Spray." befahl er mir. Wortlos nahm ich die Dose und kniete mich vor ihn. Sein Fuß war nicht geschwollen, auch ein gutes Zeichen. Ich tat also wie befohlen, worauf Marco gleich die nächsten Schritte in Anlauf nahm...

BAAAH IHR KÖNNT SAGEN, WAS IHR WOLLT, BIS AUF DAS SPIEL SELBST, IST DAS KAPITEL SO... SCHNARCH EY! NAJA DAMIT MÜSSEN WIR ALLE LEBEN. EIGENTLICH WOLLTE ICH WOANDERS EINEN CUT MACHEN, ABER ICH BIN EINFACH HUNDEMÜDE. UND OMG ICH HAB FAST GEHEULT WEGEN MARCO :'( ABER WIE JA SCHON IM KAPITEL ERWÄHNT: DAS WAR JA MAL SOOO SÜß, WIE MARIO SICH FÜR IHN EINGESETZT HAT *0* HABT IHR DAS GESEHEN??? OKAY, FANGIRL ENDE XD

Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt