Kapitel 148

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Nell's Sicht:

"Wir haben uns am heutigen Tage hier versammelt, damit zwei Menschen eine Ehe eingehen, die oft kurz vor dem zerbrechen war. Trotz vieler Rückschläge, sind wir nun in der Gegenwart angekommen, um das Glück dieser zwei Menschen vor Gott besiegeln zu lassen." Der Pfarrer nickte uns zu, worauf wir uns erhoben. "So frage ich nun Sie, Elena Neuer, wollen Sie mit dem hier anwesenden Mario Götze den Bund der Ehe eingehen, ihn lieben und ihn ehren, ihm treu sein, in guten, wie in schlechten Tagen, bis dass der Tod euch scheidet? So antworten Sie mit 'Ja.'" forderte der Pfarrer mich auf. Ich sah Mario an, seine Augen strahlten. "Ja." sagte ich mehr zu ihm, als zum Pfarrer. Wie er die Frage für Mario wiederholte, rauschte an mir vorbei, nur seine Antwort drang an mein Ohr. Nein falsch, drang bis zu meinem Herz vor. "Ja." Der Pfarrer nahm mit einem sanften Lächeln unsere Hände und wandte sich dann an unsere Familien und Freunde zu unseren Rücken. "Wer gegen diese Ehe etwas einzuwenden hat, der möge jetzt sprechen, oder für immer schweigen." erfüllte er auch noch die letzten Formalitäten. Sarah tauchte neben mir auf, ihre Tochter auf dem Arm, die in ihren Händen ein weißes Samtkissen hielt, an dem mit Schlaufen zwei Ringe befestigt waren. "Ich habe etwas dagegen einzuwenden." wurden wir unterbrochen. Marah ließ das Kissen fallen, einer der Ringe - der kleinere, also meiner - löste sich und rollte auf unnatürliche Weise durch den kompletten Mittelgang bis zum Eingang der Kirche, bis er von einem Fuß gestoppt wurde. "Und ich ebenfalls." Mich durchfuhr der Schock bis ins Mark. Meine Lunge, meine Luftröhre, mein Hals war wie zugeschnürt. Manu, der in der ersten Reihe saß, erhob sich ruckartig. "Was suchst du hier?!" knurrte mein Bruder unseren Vater an, der dort in Begleitung von Marcel stand. Mein Vater grinste nur teuflisch, bückte sich und hob meinen Ring auf. Er betrachtete ihn kurz und stolzierte dann unter vielen Augenpaaren langsam durch den Mittelgang auf uns zu. "Du bist so naiv, mein Kind. Dachtest du wirklich, ich lasse zu, dass du diesen Schnösel da heiratest? Meinen Namen abgibst und mich damit einfach so fallen lassen kannst? Den Mund sollte man dir verbieten, hinterhältiges Miststück! Du bist nichts, warst du schon immer. Und du wirst hier und heute gar nichts tun. Du bleibst eine Neuer, meine Tochter. Das wolltest du doch immer, oder? Einen richtigen Vater. Tja, da bin ich. Und jetzt nehme ich mir das, was mir zusteht." Er warf einen kurzen, gehässigen Seitenblick zu Manu. Dieser wollte ihm am liebsten den Hals umdrehen, aber Miro, der neben ihm stand, hielt ihn am Arm zurück. Mein Vater ignorierte das gekonnt und wandte sich wieder an mich. "Ich wollte ja eigentlich den guten Herrn Schiebler mitbringen, aber da der ja nicht mit dir verwandt ist und zu deiner traumhaften Hochzeit keinen Freigang bekommen hat, musste ich mit Fornell Vorlieb nehmen. Marcel? Bitte bitte, keine Scheu." Das einzige, was den totenstillen Raum erfüllte, war die widerlich ruhige Stimme meines Vaters. "Mario?" erklang Marcel's Stimme plötzlich hinter uns. Gleichzeitig drehten wir uns um, als Marcel auch schon ausgeholt hatte. Seine Faust traf mit einem schrecklichen Knacken auf Mario's Knochen auf, welcher sogleich zu Boden sank. Ich fiel neben Mario auf die Knie, schrie seinen Namen, umfasste sein regloses Gesicht mit meinen Händen und tätschelte seine Wange, aber er war nicht ansprechbar, bewusstlos. Aus seinem Mundwinkel rann tiefrotes Blut. Ich wurde von Mario getrennt, auf die Beine gezerrt und fand mich in Marcel's Armen wieder. "Du gehörst mir." raunte er mir zu. "Nein! Nein, ich liebe Mario!" schrie ich ihn an und versuchte, mich los zu reißen. "Mario ist tot." erwiderte Marcel energisch und hielt mich so grob gepackt, dass es schon schmerzte. Die Hände vor mich haltend, versuchte ich, mich noch irgendwie zu schützen, aber mein Widerstand ließ schnell nach, als ich nur Mario's Blut an meinen Händen sah. Marcel riss mich an den Handgelenken zu sich heran. Ich wimmerte. Dann presste er seine Lippen auf meine. Im richtigen Moment trat ich ihm zwischen die Beine und rannte los. Ich hastete an meinem Vater vorbei nach draußen und plötzlich wusste ich, wo ich mich befand. Ich hob mein Kleid an, um besser rennen zu können, als mir auffiel, dass es nicht weiß war, sondern tiefschwarz. Meine Sicht verschwamm vor Tränen und doch fand ich diesen einen Weg. Ich fiel vor dem Grab meiner Mutter auf die Knie. "Mum, bitte hilf mir! Mum! Hilfe!" schluchzte und schrie ich. Nein, ich war längst nicht mehr bei klarem Verstand. Verzweifelt, hysterisch, panisch, verrückt, was auch immer. Auf einmal wurde ich von hinten gepackt, in eine sitzende Position gebracht und mein Kopf nach oben gerissen. Ich starrte geradewegs in die eisigen Augen meines Erzeugers, an dessen Beinen ich lehnte. "Endlich." flüsterte er bedrohlich. Die Klinge eines Messers blitzte auf und schon spürte ich das kalte Edelstahl an meiner Kehle. Ich schloss die Augen. "Noch irgendwelche letzten Worte?" fragte er. "Du vielleicht?" erklang plötzlich eine weitere Stimme, die ich im ersten Moment nicht erkannte. Ich schlug die Augen auf. "Mum." keuchte ich. Sie stand vor mir, auf ihrem eigenen Grab, eine Pistole fest mit beiden Händen umklammert. "Mum. Mum, bitte schieß auf mich. Bring es zu Ende bevor er es tut. Dann kann ich bei dir sein und bei Mario." schluchzte ich. Meine Mutter hob beide Arme und zielte mit dem Lauf der Pistole direkt auf meine Stirn. "Mario lebt. Und du solltest es auch. Bis dass der Tod euch scheidet, mein Schatz." erwiderte sie schließlich, hob ihre Arme im letzten Moment etwas höher und drückte ab.

Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt