Kapitel 99

9.6K 263 19
                                    

Mario's Sicht:

Neben mir im Bett lag nicht Nell. Nicht meine Freundin. Der ich alles anvertrauen konnte und die ich so sehr liebte, dass es manchmal schon weh tat. Es war eine Fremde, über dir ich meinen Arm gelegt hatte, um sie zu schützen. Die Vertrautheit war plötzlich verflogen und mir war einen Moment lang nicht klar, dass ich ihr einen Heiratsantrag machen wollte. Sie war völlig kalt zu mir und der Kuss. Der Kuss war ein Kuss. Nicht mehr und nicht weniger. Keinerlei Gefühl, als wäre er für einen Werbespot gewesen. Und das tat weh. Was würde aus unserem Haus werden? Und würde ich wirklich noch einmal den Mut aufbringen, sie zu fragen, ob sie mich heiraten will? Es war komisch, dass ich nach diesem Minuten-Gespräch so sehr an unserer Beziehung zweifelte, aber sowas hatte ich eben noch nie erlebt. Meine Fantasie reichte nicht dafür aus, zu überlegen, ob Nell je so zu mir gewesen war. Sie spielte mir etwas vor, zeigte aber trotzdem deutlich ihre Abneigung. Am nächsten Morgen die nächste Überraschung. Oder eher Schock. Es fühlte sich an wie ein Schlag ins Gesicht. Nell lag nicht mehr im Bett. Ruckartig setzte ich mich auf. Als ich meinen Kopf nach rechts wandte, erblickte ich sie. In Marco's Bett. Mit dem Rücken zu mir. Ich stand auf. "Nell?" Sie zuckte leicht, reagierte aber nicht. Ich hätte schwören können, dass sie wach war. Aber sie stellte sich schlafend. Ich schritt zu ihr herüber. Dann schob ich meine Hand unter die Decke und legte sie auf ihre Taille. Jedes einzelne Härchen auf ihrem Körper stellte sich auf. Ich ließ meine Hand langsam nach unten gleiten, über ihren Oberschenkel. Ich wusste, dass ich das durfte. Sonst hatte sie sogar mehr zugelassen. Aber jetzt zog sie stattdessen grob ihr Bein weg. "Ist ja gut, ich bin wach." murmelte sie. Ich wollte meine Nell zurück. Ich musste sie nur aus ihr herauskitzeln. Wortwörtlich. Ich sprang auf das Bett und begann sie zu kitzeln. Sie lachte, aber es war ein gequältes Lachen. "Lahahaass mich los!" forderte sie. Doch ich ließ nicht von ihr ab. Irgendwann schnappte sie nur noch nach Luft. "Lass mich!" meinte sie nun fast schon wütend. Sie stieß mich von sich herunter und ich spürte, dass sie dabei all ihre Kraft aufbringen musste. Bevor ich sie aufhalten konnte, stürmte sie ins Bad und knallte die Tür hinter sich zu. Ich rappelte mich perplex vom Bett auf und ging zur Badezimmertür. Täuschte ich mich oder weinte sie? Plötzlich wurde es still. Der Schlüssel drehte sich im Schloss und die Tür wurde geöffnet. Nell stolperte rückwärts, als sie fast in mich reingelaufen wäre. Ihre Pupillen waren geweitet und ihr Brustkorb hob und senkte sich schnell. "Nell, was ist los? Hab ich dir was getan?" wollte ich wissen. "Nein." meinte sie nur leise. Ich ging einen Schritt auf sie zu. Ich sah ihr an, dass sie zurückweichen wollte, aber ich sah ihr auch an, dass sie sich zwang es nicht zu tun. "Was ist es dann? Du bist so abweisend zu mir." sagte ich. "Abweisend? Ach, red keinen Unsinn." winkte sie ab. "Dann macht es dir ja bestimmt nichts aus, mich zu küssen." konterte ich. Sie schnaubte genervt. Dann trat sie trotzig auf mich zu, legte eine Hand an meine Wange. Eben diese Hand zitterte wie verrückt. Dann legte sie ihre Lippen auf meine. Es war, als würde... Ich konnte es einfach nicht beschreiben. Es war nichts. Natürlich waren meine Gefühle noch genauso ungebändigt wie zuvor aber von ihr kam einfach nichts. Statt dass sie wie sonst sanft an meiner Unterlippe knabberte, tat es einfach nur weh. Ich packte ihr Handgelenk. "Hör auf." sagte ich. Sie ließ von mir ab und starrte auf meine Hand, die ihr Handgelenk fest umschlossen hielt. "Liebst du mich nicht mehr?" fragte ich. "Doch, natürlich liebe ich dich! Was soll die Frage?!" erwiderte sie. "Warum merke ich dann seit gestern kein Fünkchen mehr von dieser Liebe? Du hast regelrecht Angst vor mir! Sag mir, was seit gestern anders ist!" drängte ich. Für einen klitzekleinen Moment sah ich wieder meine Nell vor mir, welche mit Tränen in den Augen wie ein Häufchen Elend vor mir stand. Dann baute sie ihre bröckelnde Fassade wieder auf. "Das geht dich gar nichts an!" zischte sie, riss sich los und stürmte an mir vorbei, direkt aus dem Zimmer. Was zum Teufel verheimlichte sie mir?

Nell's Sicht:

Ich war völlig verzweifelt. Und dumm. Mein Gott, ich war so dumm. Ich benahm mich Mario gegenüber so dreckig, dabei wollte ich doch nur, dass ihm nichts passierte. Er war mein ein und alles! Trotzdem überwiegte die Angst. Ich hatte das nicht schadlos überstanden. Statt dass am nächsten Tag alles beim Alten war, herrschte in meinem Kopf nur noch mehr Durcheinander. Ich hatte kaum geschlafen, denn immer wenn ich die Augen schloss, formte sich ein neuer schrecklicher Traum in meinem Unterbewusstsein. Ich konnte nicht mehr zwischen Traumwelt und Realität unterscheiden. Das war wohl das Problem, wenn man krank in Kopf war, ein Trauma mit sich herum trug. Es war, als würde mir Schiebler Tag und Nacht auflauern. Ich dachte ununterbrochen an seine widerlichen, großen, schwitzigen Hände und seine perverse Stimme. Und obwohl Mario natürlich das absolute Gegenteil war, wollte ich nicht angefasst werden. Von Niemandem. Ich wollte ihm nicht weh tun. Er musste denken, ich wäre eine kaltgerzige Kuh oder schlimmeres. Aber ich hielt es einfach nicht aus, seine Hände zu spüren, seine Küsse und alles andere. Ich ertrug dieses dreckige Gefühl nicht. Mama würde mich umbringen, wenn sie sehen könnte, wie schrecklich ich mich verhielt. Sie wusste wie es war, Opfer einer Vergewaltigung zu werden und hatte seitdem immer gesagt, ich solle stark sein und auf mich aufpassen. Jetzt hatte ich einen Kriminellen am Hals, der mich und somit auch meine große Liebe ins Unglück stürzen würde. Ich fand mich im Park wieder. Ich saß auf der Bank, auf der gestern noch eine der Rosen gelegen hatte, mit der Mario mir seine Liebe bewies. Und ich trat sie mit Füßen. Mit einem kräftigen Druck legte sich eine Hand auf meine Schulter. Ich schrie auf. "Um Gottes Willen, ich bin es, Nell!" beruhigte Manu mich und lief um die Bank herum, um sich neben mich zu setzten. "Warum bist du allein hier draußen? Ich dachte, wir hätten das besprochen..." meckerte er. Ich beschloss, ihm die Wahrheit zu sagen. Zumindest halb. "Ich hatte Streit mit Mario." Manu sah mich besorgt von der Seite an. "Wieso das denn?! Ich dachte, alles würde perfekt laufen. Und gestern wollte er dich doch überraschen." meinte er. "Erstens: Ist... einfach eine kleine Ausseinandersetzung." log ich und fuhr dann fort. "Zweitens: Du wusstest davon?" Er nickte. Dann starrte er auf meine Hände. "Habt ihr deshalb Streit? Weil du Nein gesagt hast?" wollte er wissen. "Nein? Wozu sollte ich Nein sagen?" bohrte ich nach. Manu klappte die Kinnlade auf. "Naja ich dachte er wollte...äh... dir das Haus zeigen und dich dann fragen ob du seine Frau..." begann er, stoppte dann aber, als er meinen Gesichtsausdruck bemerkte. "MARIO WOLLTE MIR EINEN ANTRAG MACHEN?!" rief ich aus. Manu legte mir eine Hand auf die Schulter, was mir momentan zum Glück ziemlich egal war. "Shhh, das soll doch nicht die ganze Welt mitbekommen!" raunte er mir zu. "Ja, anscheinend hab nichtmal ich es mitbekommen. Deshalb also auch die Rosen und die Rede." murmelte ich vor mich hin. "Also hat er dich doch nicht gefragt?" wollte Manu wissen. "Nein, dein Anruf hat uns ja unterbrochen!" jammerte ich. "Dann würde ich sagen, du gehst besser mal zu ihm." riet mir Manu. Ich nickte und sprang sofort auf. Ich rannte nach drinnen und zurück zu meinem Zimmer. Gerade als ich die Tür aufmachen wollte, tauchte André auf. "Mario wollte zum See." erklärte er mir. "Na super. Danke!" rief ich ihm zu und rannte wieder raus. Ich fuhr wie gestern mit dem Rad zum See. Als ich durch das Tor des Restaurants lief, beschlich mich das selbe Gefühl wie gestern, als ich anscheinend schon von Schiebler verfolgt wurde. Bitte nicht. flehte ich. Kaum erblickte ich Mario auf dem Steg, wurde ich am Arm gepackt und in den kleinen Geräteschuppen rechts von mir gerissen. Er hielt mir den Mund zu. "So mutig, dass du schon wieder allein unterwegs bist?" lachte er leise in mein Ohr. Ich schnaubte nur. Er verdrehte meinen Arm nach hinten, sodass ich hinter seiner Hand ein Ächzen ausstieß. "Fresse halten, wenn ich dich jetzt loslasse, kapiert?" forderte er. Ich kniff nur wütend die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und gab keinen Mucks von mir. Er stieß mir sein Knie in den Rücken und beförderte mich so zu dem kleinen verdreckten Fenster. Ich hatte perfekte Sicht auf Mario, der den Kopf hängen ließ. "Wie ich sehe hast du dich mit deinem Fraund schon genug gezankt. Es wäre doch zu schade, wenn ihm auch noch was passiert." drohte er und deutete auf das Gebüsch links von Mario. Erst jetzt fiel mir der bullige Schlägertyp auf. Mit Narben im Gesicht. "Also nochmal: Fresse halten!" motzte er. "Mhm mhm." brachte ich nur hervor. Er ließ mich also los. Ich rieb mir mein Handgelenk. Er kam wie gestern auf mich zu. "So, meine Liebe. Ich habe ein Anliegen." begann er mit bedrohlich gesenkter Stimme. "Ich kann Ihnen mein Gehalt abdrücken." bot ich an. Er lachte hämisch. "Dein Geld brauche ich nicht. Zumindest noch nicht. Das wäre ja viel zu langweilig. Achso und noch was: Lass doch bitte dieses alberne 'Sie'." "Ich duze nur meine Freunde und glaube nicht, dass ausgerechnet Sie dazu gehören." zischte ich und funkelte ihn an. Sein überheblicher Gesichtsausdruck verwandelte sich in Wut, wenn nicht Hass. Er schupste mich gegen ein Regal, welches wohl blaue Flecken auf meinem Rücken hinterlassen sollte. Ich stöhnte vor Schmerz auf, da baute sich Schiebler wieder vor mir auf. Er packte grob mein Kinn und riss es nach oben. "Hast du es immernoch nicht kapiert?! Ich bestimme, was du zu tun und zu lassen hast." warnte er mich mit erhobener Stimme und spuckte mir dabei beinahe ins Gesicht. Meine Knie waren wie Wackelpudding. Ich hörte meinen eigenen Atem, der sich eher wie ein rasselndes Keuchen anhörte. "Was willst du?!" fragte ich also erneut. "Geht doch." meinte er und ließ mein Kinn los. "Ich habe morgen ein interessantes Treffen mit Kollegen. Du wirst mich doch bestimmt gerne begleiten." grinste er. "Ich bin nicht dein Eskort-Service." fauchte ich. "Da muss ich dir zustimmen. Du bist viel mehr als das. Aber das hat dich nicht zu interessieren." sagte er. "Was hast du davon?" wollte ich wissen. Ich erstarrte, als er seine Hand hob und diese an meinen Hals legte. Dann senkte er den Kopf und küsste meinen Hals auf der anderen Seite. "Das erfährst du schon noch." wisperte er. Noch einmal küsste er meinen Hals. "Morgen Abend, 18 Uhr bist du hier im Restaurant. Falls nicht..." befahl er mir, löste sich von mir und deutete aus dem Fenster zu Mario. Mir liefen die Tränen über die Wangen. "Bitte tu ihm nichts." flehte ich. "Erstaunlich wie schwach die Liebe einen macht. Ihm wird nichts passieren, solange du meine Anweisungen befolgst." meinte er und trat zur Tür. Dann wandte er sich mir noch einmal zu. "Zieh dir morgen was nettes an. Und hör auf zu flennen, deine Schminke verschmiert. Und das sieht scheiße aus." beleidigte er mich noch und verschwand dann endgültig. Mit einem Schlag wich alle Kraft aus mir und ich sank in mich zusammen. Ich zog die Beine an und schlang die Arme um diese. Die Küsse seiner rauen Lippen brannten an meinem Hals. Als ich mich wieder etwas beruhigt hatte, rappelte ich mich auf und ging mit zitternden Beinen zur Tür. Meine Hand berührte schon fast das schwere Holz, da hörte ich Schritte. Die einen von links vom Parkplatz, die anderen vom See, also vermutlich Mario's. "Hey, und was ist so wichtig?" erklang Marco's Stimme. Mario seufzte. Ich hielt die Luft an. "Nell dreht völlig ab. Sie war richtig seltsam, ist heute Nacht in dein Bett abgehauen und als ich sie darauf angesprochen habe, hat sie mich angezickt." erzählte Mario. Ich biss mir auf die Unterlippe. Ich konnte Marco beinahe vor mir sehen, wie er die Augenbrauen hob. "Das klingt aber so ganz und gar nicht nach Nell. Hast du ihr das mit dem Antrag erzählt?" "Nein, ich war zu feige. Wie oft soll es denn noch schiefgehen?" entgegnete Mario. "Aller guten Dinge sind drei, sag ich da nur." meinte Marco. "Man Marco, der Antrag ist nichtmal mein größtes Problem. Was ist, wenn sie jetzt immer so ist? Sie spielt mir was vor, das weiß ich. Ich hab ihr angesehen, dass sie für einen Moment überlegt hat, mir etwas zu sagen, aber dann ist ihr Verhalten wieder umgeschlagen und da war sie schon weg. Das kann doch jetzt nicht jeden Tag so gehen. Ich darf sie noch nicht einmal anfassen!" beschwerte sich Mario weiter. Es tat weh, sowas von ihm zu hören. "Mario...Du weißt, dass du sie so nicht lange halten kannst. Wenn es gar keinen Sinn macht, musst du Schluss machen." redete Marco leise auf ihn ein. Ich schnappte nach Luft. "Spinnst du?! Ich hab doch nicht so lange gekämpft, nur um sie wegen kleinen Differenzen wieder ab zu servieren! Außerdem liebe ich sie." entgegnete Mario glücklicherweise. "Ja, du hast ja recht. Sollen wir was unternehmen? Zur Ablenkung?" schlug Marco vor. Als Mario antwortete, entfernten sich ihre Stimmen schon. Ich wartete noch einige Minuten, dann schlich ich aus dem Geräteschuppen und raste mit dem Fahrrad zurück zum Teamhotel. Dort verbarrikadierte ich mich in meinem Zimmer. Ich schloss alle Vorhänge, deckte mich auf dem Bett zu und hörte mit Handy und Kopfhörern Musik. Endlich konnte ich Schiebler zumindest halbwegs vergessen. Ich musste wohl kurz eingedöst sein, denn ich schreckte aus dem Schlaf hoch, als es an der Tür Zimmer laut klapperte. Ich schlug die Augen auf und tapste zur Tür. Es könnte jeder sein. warnte mich die Stimme in meinem Kopf. Ich schloss auf und öffnete langsam die Tür. Mario's braune Augen blickten mir entgegen. Er drängte sich an mir vorbei. "Wieso schließt du ab?" fragte er emotionslos. "Ist das verboten?" motzte ich, was mir sofort wieder leidtat. "Mario?" sagte ich leise. Er sah über die Schulter zu mir. "Was?" fragte er kalt. Ich überwand meine Angst und beschloss sie zu nutzen. Ich drehte es einfach um und versuchte Mario als meinen Beschützer zu sehen, was er ja eigentlich auch war. Ich ging langsam auf ihn zu. "Es tut mir leid." sagte ich. Sein Kopf hob sich, dann drehte er sich um. "Was tut dir leid?" wollte er wissen. Ich nahm vorsichtig seine Hände. "Wie ich mich benommen habe. Du musst denken, ich wäre reif für die Klapse." murmelte ich. Er schloss kurz die Augen, atmete langsam aus und erwiderte dann meinen sanften Händedruck. Daraufhin zog er an meinen Händen und legte sie um seine Hüften, um seine Arme fest um meinen Körper zu schließen. Sein Duft und seine Wärme umgaben mich und mir wurde klar, dass ich mir nichts einreden musste. Mario war mein Beschützer und er würde nie zulassen, dass ein anderer Mann mich anrührte. Schiebler war schlimm und es war nicht vorbei, aber wenn ich an der Liebe zu Mario festhielt, würden mich auch die Grapschversuche oder Schlimmeres nicht zerstören können. Ich wischte mir mit dem Handrücken über die Augen, bevor meine Tränen Mario's Shirt erreichten. Er küsste meinen Scheitel. "Woher die plötzliche Einsicht?" wollte er wissen. Ich zögerte. Ich musste lügen. "Mir ist die ganze Sache mit meinem Vater über den Kopf gewachsen. Ich kann nicht weiter mit dir darüber sprechen, verstehst du, Mario?" sagte ich leise. "Okay. Aber jag mir bitte nie wieder so einen Schrecken ein. Ich dachte, du hasst mich." bat er. "Ganz im Gegenteil. Ich liebe dich über alles." gestand ich ihm. Er löste sich ein Stück von mir und senkte den Kopf. Er zögerte, also ergriff ich die Initiative und legte meine Lippen auf seine. Wir küssten uns nur schüchtern, aber es reichte, um ihm zu zeigen, dass ich es ernst meinte. Ich fühlte mich natürlich immernoch beschissen, dass ich sein Vertrauen missbrauchte. Aber jetzt konnte ich wenigstens das Gefühl besiegen, sich so klein zu fühlen, wenn man geschlagen, missbraucht und genötigt wurde. Vorbei war das natürlich lange nicht. Das bekam ich auch am nächsten Tag zu spüren. Mit aller Gewalt versuchte ich jede Minute voll auszukosten, bis ich mich Schiebler und seinen 'Kollegen' stellen musste. Viel zu schnell war es so weit. Während die Jungs trainierten, machte ich mich fertig. Ich würde auf keinen Fall eins der Kleider anziehen, mit denen ich eine Erinnerung an Mario verband. Leider hatte ich nur halbwegs schöne Kleider, trotzdem suchte ich das hässlichste heraus. Es war marineblau und trägerlos. Ganz normal geschnitten. Hohe Schuhe im selben Farbton, dann verschwand ich unbemerkt aus dem Hotel. Fast. "Du hast doch tausendmal schönere Kleider, um mit Mario auszugehen." hielt mich mein einstiger Verbündeter auf. Ich wandte mich ihm zu. Er musterte mich. "Ich gehe nicht mit Mario aus." gab ich zu. Er hob die Augenbrauen. "Schiebler hat mich herbestellt." erzählte ich weiter. Er riss die Augen auf. Er kam auf mich zu, packte mich an den Schultern und schob mich in den Schutz der Bäume im Park. "Bist du bescheuert?! Du kannst doch da nicht hingehen! Ganz allein?!" raunte er mir zu. "Du weißt, was der macht, wenn ich es nicht tue." gab ich zurück. "Und was macht er, wenn du es tust? Ich denke nicht, dass er dich nur zum Essen einladen will, oder?" erinnerte er mich und machte mir damit wirklich Angst. "Dann kommst du eben mit." verkündete ich. Er blieb einen Moment still. "Gut, ich bin gleich wieder da." sagte er und stürmte ins Hotel. In hochwertiger Jeans und weißem Hemd kehrte er zurück. "Du sollst nicht posen, du sollst mich undercover beschützen." meckerte ich. "Ich darf doch währenddessen trotzdem gut aussehen, oder?" erwiderte Mario 2.0 schulterzuckend. Ich schüttelte nur den Kopf. Er führte mich zu seinem teuren Sportwagen, sonst hätte ich ein Taxi nehmen müssen. Galant öffnete er mir die Tür. Mit aufheulendem Motor brausten wir davon. Beim Restaurant angekommen, stieg ich aus und wollte es so schnell wie möglich hinter mich bringen und ging somit los. Mario 2.0 hielt mich am Handgelenk zurück. "Ich bleibe in deiner Nähe." versicherte er mir. Ich nickte nur und ließ ihn vor gehen. Es war knapp, denn fast im selben Moment tauchte Schiebler auf. Mit zwei Männern, wahrscheinlich seine 'Kollegen', die genauso widerlich wirkten wie er selbst. "Ah, meine Hübsche ist auch schon da!" freute Schiebler sich und kam mit ausgebreiteten Armen auf mich zu. Ich hätte mich fast übergeben. Der eine Grund waren seine verlogenen Worte, der andere die Überdosis Parfum, die ihn wie eine Gaswolke einhüllte. Er drückte mich fest an sich und ich machte gute Miene zum mehr als bösen Spiel. Seine nicht sehr vertrauenserweckenden Kollegen begrüßten mich mit Küsschen links und rechts. "Dann wollen wir mal, oder Schatz?" Er betonte das Schatz wie eine Drohung. Ich nickte lächelnd. Schiebler legte den Arm fest um meine Taille. Er wollte mich quälen, mich leiden lassen. Genau wie er gesagt hatte. Wir setzten uns zum Glück an einen Tisch, an dem ich Mario und er mich genau im Blick hatte. Die Männer sprachen eine Weile über irgendwelche Geschäfte. Dann kam unser Essen. Ich hatte absolut keinen Appetit und würde ihm sicher nicht die Genugtuung schenken, etwas anzunehmen, was von ihm kam. "Isst du nichts, Schatz?" säuselte er. "Ich hab keinen Hunger." entgegnete ich. "Du bist auch ein wenig blass heute. Vielleicht bist du ja schwanger." scherzte er und lachte mit seinen Kollegen. Mich überkam ein Würgereiz. "Entschuldigen Sie mich, ich gehe mich kurz frisch machen." sagte ich schnell und stürmte zur Damentoilette. Kaum war ich darin, klopfte es an der Tür. "Nell? Ich bin es." sprach Mario 2.0. Ich trat heraus. "Was sind das für Typen?" wollte er wissen. "Er behauptet, das wären irgendwelche Kollegen." antwortete ich. "Ich trau der Sache nicht. Du solltest dich nicht zu lange bei denen aufhalten." riet er mir. "Oh, du bist ja ein ganz Schlauer! Zur Erinnerung: Er zwingt mich dazu." fuhr ich ihn an. "Ja, ist ja gut. Trotzdem..." wollte er wieder ansetzten, wurde aber unterbrochen. "Ey, die Frau ist vergeben." erklang Schiebler's Stimme. Mario schnaubte nur und entfernte sich. "Hab ich Sie irgendwo schonmal gesehen?" fragte Schiebler. "Ich denke nicht." murrte Mario 2.0 und drängte an ihm vorbei. Schiebler kam auf mich zu. "Was fällt dir ein, dich so zu verhalten?!" zischte er. "Ich hab nichts getan!" rechtfertigte ich mich. Er sah sich nach hinten um. Da war anscheinend niemand, denn er stieß mich in die Tür zur Herrentoilette. Er schloss die Tür hinter sich. "Du sollst dich verdammt nochmal als meine Freundin ausgeben! Ich hab meinen Kollegen von einer heißen Affäre erzählt!" meckerte er. "Wieso die ganze Show?! Du könntest Geld verlangen oder sonst was!" fragte ich ihn. "Du hast recht. Diese Show ist Schwachsinn. Aber wie schon gesagt: Dein scheiß Geld will ich nicht. Aber vielleicht hast du ja einen anderen Nutzen." zischte er. Er nahm meine Handgelenke und drückte zu. "Nein!" rief ich und versuchte loszukommen. Er lachte nur abwertend und schob mich auf die Wand zu. Meine Handgelenke riss er nach oben und drückte sie oberhalb meines Kopfes an eben diese Wand. Weil er selbst ja keine Hand frei hatte, stieß er mit dem Kopf gegen Mein Kinn, sodass ich es anhob. Er küsste meine Kehle mit schnellen und gierigen Küssen. "...Nein..." schluchzte ich leise. Ich versuchte, an Mario zu denken. Gleich würde er die Tür aufreißen und mich retten. Aber natürlich geschah nichts dergleichen. Schiebler stöhnte auf. Es war so widerlich. Seine Zunge glitt über meine Kehle bis zu meinem Kinn, dann suchte er mit seinen Lippen meinen Mund. Ich versuchte, meinen Kopf von ihm abzuwenden, aber er packte wieder grob mein Kinn. Dadurch ließ er aber meine rechte Hand los. Ich tat etwas, was mich mehr Überwindung kostete, als alles andere, was ich je getan hatte. Ich griff ihm fest zwischen die Beine. Er zuckte kurz erregt und ließ meine zweite Hand los. Ich klappte zusammen. Na los, steh auf! rief die Stimme in meinem Kopf wieder. Erst Sekunden später reagierten meine Muskeln wieder auf das Signal meines Gehirns. Ich rappelte mich auf. Doch es war zu spät. Schiebler raufte mir in die Haare und riss mich zurück. Schmerz durchzuckte meinen Hinterkopf, weil ich gegen die Wand geprallt war. Ich brachte nicht mehr als ein Schluchzen hervor. "Hier wird nach meinen Regeln gespielt." fauchte Schiebler. Er baute sich vor mir auf, ich saß schwächlich an die Wand gelehnt vor ihm. Und schon begann er, seinen Gürtel hastig zu öffnen. Ich hörte sein lustvolles Keuchen und war kurz davor, mich zu übergeben. Jetzt war es vorbei. Er zog seine Hose runter und auch die Unterhose wäre fast gewichen. Aber eben nur fast. Mit einem lauten Ruck ging die Tür auf und Mario 2.0 stürmte den Raum. Als hätte er noch Zeit dazu, schloss er die Tür wieder und zerrte erst dann Schiebler von mir weg. "Du armseliges Schwein! Wie kann man einer Frau sowas antun?!" brüllte er und haute ihm eine rein. Schiebler's Unterlippe platzte auf. Ich brachte mich zuerst auf alle Viere und konnte dann langsam aufstehen. Was Mario Schiebler alles vorwarf, bekam ich nicht mehr mit. Meine Sicht verschwamm immer wieder. Ich griff mir an den Hinterkopf. Blut. Ich hörte noch, wie Schiebler ein Ächzen von sich gab, dann wurde mir schwarz vor Augen und ich kippte um. Das erste, was ich wieder mitbekam, war ein nasser Waschlappen auf meiner Stirn. Jemand befühlte mit dem Handrücken meine Wangen. Ich blinzelte vorsichtig. Düsteres Licht über mir. "Nell, hörst du mich?" fragte Mario 2.0 mich. "Ja." krächzte ich nur und musste dann husten. Wenige Sekunden später rann kaltes Wasser meinen Hals hinab. Aus Reflex schluckte ich. Ich versuchte, mich mit geschlossenen Augen aufzurichten, aber ich war zu schlapp. "Schiebler ist abgezogen. Ich hab ihn ziemlich übel zugerichtet. Und du sagst keinen Mucks, wirst einfach bewusstlos." meinte er leise. Schiebler. Ruckartig schreckte ich hoch. Mein Atem ging schnell, ebenso wie mein Puls. Mario nahm mich bei den Schultern. "Hey, ganz ruhig. Langsam..." bat er sanft. Ich sah mich um. Bis auf die kleine Funzel fast direkt über uns war es dunkel. "Du hättest mich umgebracht, wenn ich dich ins Krankenhaus gebracht hätte, also keine Angst: Ich hab keine Polizei und keinen Krankenwagen gerufen. Auch wenn ich keinerlei Verständnis dafür übrig habe. Aber jetzt hast du ja gesehen, wozu der fähig ist. Der hätte dich vergewaltigt, Nell. Diesmal hätte er es getan." sagte er. "Danke." murmelte ich. Er hob die Augenbrauen. "Dass du mich gerettet hast. Und für alles andere auch." erklärte ich. Er musterte mich nur besorgt. "So kann das nicht weitergehen." begann er wieder mit dem Thema. "Es ist doch nochmal alles gut gegangen." brachte ich hervor. "Alles gut gegangen?! Dass ich nicht lache! Du solltest ihm einen blasen, verdammt! Checkst du es nicht? Der treibt dich in den Tod!" schrie er mich an. "Warum hast du mich dann gedeckt?" konterte ich. "Weil ich genau wie jeder andere Angst um dich habe!" sagte er. Ich blieb still. "Wie spät ist es?" Er zeigte mir sein Smartphone. 2:45Uhr in der Nacht. "Wir fahren jetzt ins Hotel, parken in der Tiefgarage und übernachten hier im Auto. Wenn wir dann das Hotel betreten, kann ich für nichts garantieren." verkündete er. Ich betrachtete seine rechte Hand, deren Fingerknöchel mit Blut befleckt waren. Dann nickte ich. Noch während der Fahrt ins Hotel schlief ich ein. Am Morgen wachte ich in Mario 2.0's Armen auf. Ich starrte direkt an die Fahrstuhldecke. Mit einem Schlag zappelte ich so, dass Mario mich beinahe fallen ließ. "Was soll das?!" fuhr ich ihn an. "Sobald es Frühstück gibt, schaltet sich in der Tiefgarage automatisch das Licht an und die Kameras zeichnen jede noch so kleinste Bewegung auf. Willst du das?" entgegnete er. Ich schüttelte den Kopf. Er nickte mir zu und setzte mich vorsichtig ab. Als die Fahrstuhltüren sich öffneten, stürmte ich sofort in mein Zimmer. Mario war nicht da. Es war ja auch Frühstückszeit. Ich schlüpfte ins Bad, wusch mir am Waschbecken grob das Blut aus den Haaren am Hinterkopf. Dann wusch ich mein Gesicht. Ich wollte mir schnell neue Anziehsachen für nach dem Duschen holen. Also ging ich ins Zimmer zurück. Eine Zeitung landete mit einem lauten Geräusch vor meinen Füßen. Geworfen wurde sie von Mario, der mich aus etwa zwei Metern Entfernung mit einem eisigen Blick begutachtete. "Was ist das?" fragte ich. "Lies." befahl er. Langsam hob ich die Zeitung auf. Die BILD, mal wieder. Titelseite, riesige Überschrift: War das schon damals der Trennungsgrund? Ist die Neuer eine Fremdgeherin? Und dann das Bild darunter. Man konnte undeutlich erkennen, wie ich jemanden umarmte und später Seite an Seite mit diesem Jemand im Restaurant verschwand. Dieser Jemand war Schiebler, aber das konnte niemand wissen. Ich sah zu Mario auf. "Wer ist der Typ?" wollte Mario knapp wissen. "Das ist die BILD. Du wirst das doch wohl nicht glauben!" gab ich zurück. "Du bist auf dem Foto, Nell!" schrie er mich an. Ich blieb einen Moment still und schüttelte nur den Kopf. "Ich kann dir das nicht sagen." murmelte ich. "ACH JA?! WIESO?! SPIELST DU DEM TYPEN AUF DEM BILD AUCH DIE GROßE LIEBE VOR?! WIE MIR?! UND DAS VORGESTERN? WAS WAR DAS? HATTEST DU MIESE LAUNE, WEIL DU DICH MIT DEM DA GESTRITTEN HAST?!" brüllte er. Die ersten Tränen gelangten an die Freiheit. "Das ist echt erbärmlich. Schön, dass du dich wenigstens schämst. Du siehst auch aus, als hätter er dich bis heute Morgen so richtig durchgevögelt." zischte er. Das tat weh. Mario drehte sich um und ging. Ich brauchte einen Moment, bis ich mich gefasst hatte. Dann rannte ich ihm hinterher. Gerade war er dabei, die Tür aufzureißen. "Warte!" flehte ich und hielt ihn am Arm fest. Er riss sich los und starrte mich mit stählernem Blick an. "Was?!" knurrte er. Ja, was? ...

SOOO UIUIUI, ÜBERTREIBE ICH ES MIT DER BRUTALITÄT? ODER NOCH AKZEPTABEL? ODER ZU WENIG? XD (NE RANDOM USER, DEINE ATOMBOMBE GIBTS NICHT) ALSO, WAS DENKT IHR: SAGT SIE ES IHM???

Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt