Kapitel 126

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Nell's Sicht:

Mein Mund war wie ausgetrocknet. "Auszeit?" wiederholte ich krächzend. "Ja, eine Auszeit." bestätigte er. Ich spürte wie sich in meiner Brust etwas zusammenzog, als die eisige Stimme mein Ohr erreichte. Ich hörte meinen eigenen Atem rasselnd. Meine Augen brannten fürchterlich, auch als die ersten Tränen von meinem Kinn tropften. "Wieso machst du nicht einfach Schluss?" fragte ich ihn bitterlich schluchzend. Er antwortete nicht. Hätte ich nicht so geweint, hätte ich vermutlich auch die Regungen in seinem Gesicht gesehen, die ich gut genug kannte. Ich ging auf ihn zu und packte verzweifelt sein Shirt. Er hob abwehrend die Hände, als Hätte er die Befürchtung, ich würde ihm eine scheuern - typisch für mich, wenn ich sauer war. "Warum eine Auszeit? Du weißt genauso gut wie ich, dass das keinen Sinn hat! Wieso machst du nicht einfach Schluss?!" wiederholte ich und rüttelte dabei leicht an ihm. Als ich bemerkte, was ich da tat, ließ ich ihn los, wandte mich ab und wischte energisch die Tränen weg. "Das mit Schiebler... es war zu viel für mich. Und dann noch das gestern. Ich kann einfach nicht mehr. Ich brauche Abstand." sagte er endlich. Sein Tonfall war nicht mehr ganz so gefühllos, aber trotzdem nicht der Ton, den ich von Mario kannte. Vielleicht machten das auch die Worte, die aus dessen Mund sprudelten. Ich wirbelte herum. "Abstand? Abstand?! Hast du das gestern auch schon gewusst, als du mit mir geschlafen hast?!" schrie ich ihn nun an und neue Tränen entwischten mir. Er kratzte sich am Hinterkopf. Diese vertraute Geste steigerte meine Wut noch mehr. "Du hast gesagt, dass du mich liebst, verdammt! Warum?! Warum, wenn es doch nicht stimmt?!" schrie ich weiter. "Ich...ich liebe dich ja, aber es klappt einfach nicht mehr zwischen uns. Der Sex gestern..." meinte er, stoppte dann aber, als wüsste er nicht, ob er das aussprechen sollte. Ich sah ihn schlucken. Ich lachte leicht hysterisch auf. "Du fandest es scheiße? Bin ich dir auf einmal nicht mehr gut genug im Bett?!" fragte ich dann. Er ließ die Schultern hängen. Er wog die Möglichkeiten ab, dann griff er nach dem Griff des Koffers in meiner Hand. Im Gegensatz zu seinem Gesichtsausdruck, der wie versteinert wirkte, war seine Hand auf meinem Rücken sanft wie immer, als er mich aus dem Schlafzimmer schob. Ich stemmte meine Füße in den Boden, doch er zerrte mich einfach weiter. Er griff nach meiner Jacke und warf sie mir achtlos zu. Aus Reflex fing ich sie auf. "Ich möchte, dass du jetzt gehst." fügte er hinzu und verschränkte die Arme. "Hast du eine Andere?" platzte ich heraus. Einen Moment lang warf er mir einen geschockten Blick zu. "Was?" murmelte er. "Du hast mich schon verstanden. Hast du eine andere Frau? Eine Affäre? Ein One Night Stand?" sagte ich deutlicher. Allmählig schien ihm klar zu werden, was er mit seiner 'Auszeit' angerichtet hatte. Trotzdem brachte er kein Wort heraus. Mir kam ein schrecklicher Gedanke. "Das blaue Auge war gar nicht vom Paintball oder? Du hast bei eurem Jungs-Trip 'ne andere gefickt und einer der Jungs hat dich erwischt und geschlagen." riet ich. "Was?! Nein! Ich habe nicht mit einer anderen Frau geschlafen!" wehrte er sich endlich. Da gab es nur ein Problem. "Warum sollte ich dir das jetzt noch glauben? Nenn mir einen Grund." stieß ich verbittert hervor. Er setzte wieder seine eiskalte Miene auf. Dann riss er die Tür auf. "Raus." forderte er. Ich fing wieder an zu weinen. "Mario... ich weiß nicht...was mit dir los ist, aber wenn du deine... Auszeit beendet hast, brauchst du gar nicht mehr anzukommen. Du weißt nicht, was du mir antust. Ich dachte, ich hätte jemanden, der zu mir hält, jetzt wo ich keine Familie mehr habe...aber diesen jemand habe ich nicht." schluchzte ich leise. Mario sah mich nicht einmal an, als er mir gefährlich nahe kam und den Koffer vor die Tür stellte, nur um mich direkt hinterher zu schieben. "Verschwinde. Ich kann mir das nicht anhören." sagte er. Er klang nun eher gequält. "Es ist deine Schuld, Mario! Du musst es dir anhören! Wo soll ich denn hin?" schrie ich ihn an. "Was weiß ich. Geh zu Manu oder so. Ist mir egal." nuschelte er. Ein heftiges Schluchzen entwich meiner Kehle. "Du bist das allerletzte. Ich hasse dich!" schrie ich, da knallte er mir schon die Tür vor der Nase zu. Ich lehnte mich schluchzend an die Tür. Ich wusste genau, dass er da noch stand. Ich spürte es. "Ich hasse dich, Mario." wiederholte ich in normaler Lautstärke und war mir sicher, dass er es hörte. Ich hatte nie geglaubt, dass ich diese drei Worte einmal zu Mario sagen würde. Vor allem weil ich sie erst gestern noch meinem Vater an den Kopf geworfen hatte. Schluchzend nahm ich meinen Koffer und quälte mich jede einzelne Treppenstufe hinunter. Mehrmals wäre ich beinahe gestolpert. Was sollte ich jetzt tun? Am liebsten wäre ich zu Marco, aber der war viel zu gut mit Mario befreundet, als dass ich mich ausgerechnet bei ihm ausheulte. Bei Manu wollte ich nicht ankommen. Er musste sich um Sarah, Marah und vor allem um sich selbst kümmern. Meine einzige Möglichkeit blieben Mo und Leo. Schließlich hatten sie mich auch damals aufgefangen, als es mir schlecht ging. Ich nahm mir ein Taxi. Der Taxifahrer war um die 50 und musterte mich immer wieder besorgt, weil ich nur am Schluchzen war. "Herzschmerz?" fragte er irgendwann sanft. Ich sah ihn an. Und schließlich nickte ich. "Keine Sorge Mädchen, das geht vorbei." meinte er. Ich schüttelte den Kopf. "Ich hab es schon so oft durchmachen müssen." heulte ich. Er seufzte. "Männer kommen und gehen. Sie sind noch jung. Sie treffen schon den Richtigen." sagte er. Ich sah ihn gequält an. "Es war aber nur ein Mann. Und den liebe ich." widersprach ich. "Wie lang kennen Sie ihn denn schon?" wollte er wissen. "Mein halbes Leben." antwortete ich niedergeschlagen. "Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber Mädchen in Ihrem Alter fallen oft auf die falschen Kerle rein. Überlegen Sie sich gut, ob es sich lohnt, immer wieder zu ihm zurückzukehren. Es gibt genug Typen, die Frauen wie Sie zur Prostitution zwingen." warnte er mich. Ich lachte kraftlos auf. "Danke, aber das macht er nicht. Ganz sicher." sagte ich. Somit war das Gespräch beendet. Irgendwann parkte er dann am Straßenrand. Ich lief zum Kofferraum und wartete bis der Taxifahrer diesen öffnete. Doch er stieg aus und stützte sich aufs Auto. "Gehen Sie erstmal zu ihren Freunden und besprechen Sie das, dann helfe ich Ihnen mit dem Koffer." bot er an. Er würde nicht mit meinen Sachen abhauen, schließlich hatte ich ihn noch nicht bezahlt. Ich nickte, wischte mir notdürftig die Tränen von den Wangen und ging schniefend zur Tür. Ich klingelte und der Summer wurde betätigt. Ich drückte die Tür auf und lief nach oben. An der Tür stand Mo, mit einem Handy in der Hand und telefonierend. Die letzten Stufen lief ich langsamer. Auf einmal kam es mir so falsch vor, hier aufzutauchen. Nachdem ich Marco als meinen besten Freund wiedergewonnen hatte, hatte ich Mo und Leo total vernachlässigt. Mo legte schließlich auf und sah mich abwartend an. "Hey." sagte ich unbeholfen. "Was gibt's?" fragte er desinteressiert. "Kann ich reinkommen? Ich... hab ein Problem." begann ich. Mo atmete langsam aus und versperrte absichtlich den Türrahmen. "Ist gerade schlecht. Ist es denn so wichtig?" lehnte er ab. Ich war verwirrt. "Wer bist du und was hast du mit Mo gemacht?" fragte ich. "Ha ha. Es passt gerade einfach nicht, sorry. Wann anders okay?" meinte er knapp. Hinter ihm sah ich Leo laufen. "Leo!" rief ich. Er wandte sich der Tür zu und trat neben Mo. "Ich hab mal wieder Streit mit Mario." sagte ich leise. Leo und Mo sahen sich kurz an. "Dann würd ich sagen ihr vertragt euch mal wieder." riet mir Leo schulterzuckend. "Er hat mich rausgeschmissen!" schluchzte ich nun wieder. "Nell, ich mein's erst, wir haben zu tun." mischte sich Mo wieder ein. Ich sah sie ungläubig an. "Was ist los mit euch allen?" heulte ich. Leo zuckte gleichgültig mit den Schultern. Er kam auf mich zu, legte den Arm um die Schulter und schob mich auf die Treppe zu. "Das wird schon wieder, ja? Viel Glück." wimmelte er mich ab, verschwand in die Wohnung und als ich mich dieser noch einmal zuwandte, war die Tür bereits geschlossen. Ich setzte mich ein Stück weiter unten auf die Treppe und heulte. Keine Ahnung wie lange. Irgendwann kam der nette Taxifahrer und schlug vor, mich woanders hin zu fahren. Unfähig etwas zu sagen, nickte ich. "Ich versteh das alles nicht. Habe ich einen Albtraum? Warum lassen sie mich alle im Stich?" klagte ich, als ich wieder im Taxi saß. "Wo soll ich Sie hinbringen, Mädchen?" fragte der Fahrer. Ich zuckte ratlos mit den Schultern. "Bringen Sie mich nach Dortmund." verkündete ich schließlich. Marco war meine einzige Chance, wenn Mo und Leo schon so komisch drauf waren. Jede Minute, die verstrich bis wir in Dortmund waren, liefen mir Tränen über die Wangen. Ich hatte kaum noch Kraft, als ich vor Marco's Wohnung aus dem Taxi stieg. Mein Koffer kam mir dreimal so schwer vor, als ich ihn diesmal mitnahm. Schniefend schlurfte ich zur Tür. Die Tür war nicht ganz zu, also ging ich rein. Diesmal nahm ich allerdings den Aufzug. Zum Treppensteigen war ich nicht mehr fähig. An Marco's Tür angekommen klingelte ich. "Ich bin nicht daaa!" erklang Marco's Stimme. Ich lehnte mich gegen die Tür und bekam einen Heulkrampf. "Marco bitte." schluchzte ich. Stimmen drangen dumpf zu mir durch. Ich kannte die zweite Stimme nicht. Dann waren Schritte zu hören und die Tür öffnete sich langsam. "Oh Gott wie siehst du denn aus?" fragte er geschockt, als er mein Gesicht erblickte. Ich fiel ihm um den Hals. "Mario hat mich rausgeworfen." wimmerte ich an seinem Hals. Als ich die Augen öffnete, erblickte ich zu Marco's Rücken auf dem Sofa einen jungen Mann, mit dem Controller in der Hand verwirrt zu uns starrend. Er sah mir direkt in die Augen. Der Typ legte den Controller weg und erhob sich langsam. Als er herüber kam, vergrub ich das Gesicht wieder an Marco's Halsbeuge. Doch dieser löste meine Arme nun von sich. "Wie du siehst habe ich gerade Besuch." meinte er und deutete auf den Typen. Das etwas in meiner Brust, was zuvor von Mario eingefroren wurde, zerbarst in winzige Teile. Ich konnte nicht mehr. Was auch immer nun auch noch in Marco gefahren war, für eine Diskussion mit ihm war ich zu fertig. Schluchzend wandte ich mich ab und stolperte ohne ein weiteres Wort die Treppe hinunter, den Koffer achtlos mitschleppend. Bei ersten Treppenabsatz drehte ich mich nochmal um. "Warum Marco? Warum auch noch du?" fragte ich ihn, der mich nur emotionslos anstarrte. Mit einem weiteren Schluchzen setzte ich mich in Bewegung. Diesmal fiel ich die Stufen mehr oder weniger hinunter, weil ich vor lauter salzigen Tränen einfach nichts mehr sah. Noch eine Runde auf der Wendeltreppe, dann wäre ich wieder in die Ungewissheit gerannt. "Hey du! Warte mal!" rief es hinter mir. Ich blieb nicht stehen. Ich hörte wie jemand hinter mir die Treppen hinunter raste. Im Bruchteil einer Sekunde wurde ich am Arm herumgerissen und der Typ aus Marco's Wohnung stand vor mir. Er war etwa so groß wie ich, hatte eine SnapBack aufgesetzt und die Jacke über den Arm geworfen. Seine braunen Augen - dunkler als Mario's - waren weit aufgerissen und er atmete heftig vom Treppen hinunterstürmen. "Was wollen Sie? Und wer sind Sie überhaupt?" fragte ich ihn schniefend. Seine Hand glitt von meinem Unterarm zu meiner Hand, die er dann mit beiden umschloss. "Du. Ich bin noch nicht so alt." verbesserte er mich und lächelte dann leicht. Ich zog meine Hand weg. "Und wer bist du?" wiederholte ich. Ich wischte mir erneut die Tränen aus dem Gesicht. "Ich bin dein Retter in der Not." verkündete er lächelnd. Ich sah traurig weg. "Danke, verarschen kann ich mich auch alleine." murmelte ich und stieg die letzten Stufen hinunter. Vor der Haustür versperrte er mir den Weg. "Nein, nein. So war das nicht gemeint. Ich bin Marcel."

Sooo ihr lieben. Ich wollte euch mal was fragen. Also viele von euch sagen ja ständig, dass es schade ist, wenn ich aufhöre, was ja bald der Fall sein wird. Mir selbst fällt es am allerschwersten, weil ich einfach schon so lange an der Geschichte schreibe und wirklich dran hänge. Mir ist gerade beim Schreiben noch eine Inhaltsidee gekommen. Ich muss sie nicht einbauen. Deshalb wollte ich fragen, ob ihr es blöd findet, wenn die Geschichte mit einem weiteren 'Fall' erweitert wird oder ob ihr lieber das reguläre, kürzere Ende wollt. Bitte einmal in die Kommis :D

Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt