Kapitel 141

8.9K 319 45
                                    

Mario's Sicht:

"Ich will zu ihr!" schrie ich die anderen an, die mich im nächstbesten Büro festhielten und die Tür versperrten. "Du kannst das nicht erzwingen man!" pfefferte mir Marco ins Gesicht. "Du warst doch gerade noch der, der unbedingt wollte, dass ich das mit dem Antrag durchziehe und jetzt?!" redete ich mich weiter in Rage. "An ihrer Stelle hätte ich auch nicht Ja gesagt, wenn ich so einen Psychopathen vor mir hätte!" giftete Marco zurück. "Wie bitte?!" fuhr ich ihn an. "ES REICHT JETZT!" unterbrach Mo wutentbrannt unseren Streit. Marco und ich sahen ihn an, plötzlich stumm. "Nell ist da draußen und heult sich die Seele aus dem Leib und ihr werft euch nur Vorwürfe an den Kopf!" fuhr Mo fort. Ich schnaubte nur und richtete meinen Blick starr auf den Boden. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Marco aufgebracht auf mich deutete. "Da seht ihr es. Er lässt doch niemanden mit sich reden!" beschwerte er sich. "Ich muss Mo recht geben. Nell weiß nicht, wo ihr der Kopf steht. Sie ist total durch den Wind. Ich habe es ihr angesehen." mischte sich Leo ein. Marcel stand nur etwas abseits und beobachtete mich kritisch. Selbst wenn er eine Ahnung hätte, wie ich Nell zu sehen bekommen könnte, er würde es mir nicht sagen, schließlich hatte er immernoch Gefühle für sie. "Mario bitte. Ich konnte doch auch nicht wissen, dass sie dir eine Abfuhr erteilt. Ich will doch auch nur, dass ihr endlich glücklich werdet. Alle beide. Ich komme mit deinem Verhalten gerade einfach nicht klar, auch wenn ich dich durchaus verstehe." sagte Marco nun wesentlich ruhiger. Ich atmete tief durch, doch bevor ich etwas erwidern konnte, wurden Marco und Mo von der Tür abgedrängt, weil diese sich öffnete. "Oh nein." entfuhr es mir, als ich Manu erblickte. Der würde mich jetzt auch noch kalt machen, weil er vermutlich erfahren hatte, was ich mit seiner geliebten Schwester abgezogen hatte. Und unser Kriegsbeil würde wieder ausgegraben werden. "Ich hab ihn gerufen." meinte Marco. Ich sah ihn ungläubig an. "Ich habe ihr gesagt, sie soll dich heiraten." räumte Manu meine Zweifel aus. Jetzt sah ich ihn ungläubig an. "Ja jetzt guck nicht so. Sie war nicht bereit, mit dir zu reden. Sie hat Angst vor dir." folgte er dann sogleich mit einer weniger erfreulichen Nachricht. Es versetzte mir einen Stich ins Herz. Nell? Angst vor mir? Was hatte ich getan? Was war ich für ein Arsch ihr gegenüber? Dann meinte Marco das mit dem 'Psychopathen' also ernst. Ich ließ mich auf den nächsten Stuhl sinken und stützte den Kopf in die Hände. "Mario... nicht verzweifeln jetzt, okay?" sprach Marco und legte seine Hand auf meine Schulter. Da war er wieder, mein bester Freund. "Ich verdiene sie überhaupt nicht." nuschelte ich vor mich hin. "Manu, was heißt das jetzt? Wird sie noch mit uns reden wollen?" wandte sich Marco an Manu. Kurze Stille. "Sarah redet mit ihr. Mario?" sprach er nun mich wieder an. Ich reagierte nicht. Marco drückte auffordernd meine Schulter. Langsam sah ich auf. "Sie liebt dich, aber sie braucht Zeit. Du hast sie überfordert. Zuerst die Schocknachricht über diese riesen Lüge, dein Verhalten. Und vor nicht einmal 24 Stunden hat sie noch mit einem anderen rumgeknutscht." versuchte er, mich zu beruhigen. Wir alle sahen nun Marcel an, der sich nervös am Kinn kratzte und sich mehrmals räusperte. "Heute Morgen. Heute Morgen habe ich sie geküsst." gestand er, weil ihn offenbar sein Gewissen plagte. Marco warf ihm einen vernichtenden Blick zu, das musste jetzt wirklich nicht auch noch sein. Marcel hob abwehrend die Hände. "Ich habe sie geküsst. Sie wollte es nicht einmal." verteidigte er Nell. Ich ließ den Kopf wieder hängen. "Das ändert jetzt gerade auch nichts mehr." murmelte ich niedergeschlagen. "Mario, ich sagte sie liebt dich. Darauf solltest du dich jetzt eher konzentrieren. Du bist nicht wieder zu erkennen. Diese Aggressionen musst du in den Griff bekommen." riet mir Manu. Ich hob ruckartig den Kopf. "IHR TUT ALLE SO ALS WÄRE ICH EIN MONSTER UND WÜRDE NELL SCHLAGEN, NUR WEIL SIE MICH JA NICHT...!" Gerade konnte ich mich noch bremsen, als ich merkte, was ich da von mir gab. Mein eigenes Geschrei hallte in meinen Ohren nach. Mir fiel die Szene vorhin im Aufzug wieder ein. Sie hat geweint, mich angefleht, dass ich sie losließ und ich? Mir ging es einfach am Arsch vorbei. Ich war wirklich ein Monster. So schrecklich, dass Nell, mein Engel, meine Prinzessin, Angst vor mir hatte. Und das obwohl sie schon einen Vergewaltiger und einen Mörder vor sich hatte. Trotz allem hatte sie jetzt, genau jetzt, Angst vor mir. Die anderen starrten mich an. "Ich muss hier raus." sagte ich leise, als ich mich auch schon erhob. Ich lief auf die Tür zu und diesmal hielten sie mich nicht auf. Je länger ich lief, desto schneller wurde ich, zumindest bis ich mit jemandem zusammen stieß, der gerade um die Ecke bog. Nell's Statur, Nell's Körpergröße, aber nicht Nell's Geruch und nicht Nell's Haare. Es war Sarah. Ich wich sofort einen Schritt zurück und verschränkte schützend die Arme vor dem Körper. Ich musste aufpassen und mich zügeln, wenn ich hier vor Sarah stand. "Kommt sie zurück?" fragte ich leise. Einen Moment musterte sie mich stumm. "Ich weiß es nicht." sagte sie dann bestimmt. "Du hast viele Fehler gemacht. Ihr gehört zusammen, das weiß jeder. Nur sie nicht. Lass ihr Zeit. In ein paar Tagen könnt ihr wieder ins Quartier. Versuch einfach du selbst zu sein." fuhr sie fort. Ich schluckte. "Du weißt, wie ich drauf war. Ich selbst zu sein ist momentan keine Option." erwiderte ich. "Oh ja, ich weiß das. Sie wird auf jeden Fall ein paar Hämatome von dir mit sich herumtragen." Ich verzog das Gesicht. "Willst du, dass ich mir auch noch die Hände abhacke, weil ich diese Schuld nicht ertrage?" fragte ich. "Ich war noch nicht fertig. Sie hat keine Angst vor dir, sondern vor dem, den du gerade verkörperst. Wenn du wirklich du selbst bist, kommt sie zurück. Dieses Arschloch bist du doch überhaupt nicht." meinte sie. Ich sah sie zweifelnd an. Sie seufzte. "Komm, ich zeig dir was." verkündete sie, griff nach meiner Hand und zerrte mich hinter sich her. Sie führte mich zur Sprecherkabine der Arena. Als wir den Raum betraten, schob sie mich nach vorne zur Glaswand. Ich verdrehte den Hals, um Sarah anzusehen. "Was soll ich hier? Mir nochmal angucken, wo sie meinen Antrag abgelehnt hat?" fragte ich etwas gereizt. "Sie hat ihn nicht einmal abgelehnt du Idiot. Und jetzt guck." forderte sie. Widerwillig richtete ich meinen Blick nach unten auf den Rasen. Ungläubig wegen dem, was ich da sah, lehnte ich mich vor. Nell war auf dem Platz und hob gerade die silberne Kette auf. Ein paar Schritte weiter, da hatte ich die Rose und die Schachtel mit dem Ring fallen lassen. Sie hob die Rose auf und betrachtete sie. Dann roch sie daran und mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Unentschlossen starrte sie die Schmuckschachtel an. Schließlich hob sie auch diese auf und wandte sich mit den Sachen zum Gehen. Erst jetzt sah ich ihr Gesicht. Tränenüberströmt. Am Spielertunnel kam ihr Manu entgegen und schloss sie in seine Arme. Ich wollte zu ihr. Ich könnte jetzt auch eine Umarmung gebrauchen. Sarah machte mit einem Räuspern wieder auf sich aufmerksam. Ich sah sie an. Sie deutete zur Tür. Ich drehte mich um. Wie gerufen stand Marco da. "Ich lass euch mal allein." verkündete Sarah. Marco folgte ihren Schritten mit den Augen und blieb stumm, bis Sarah die Tür hinter sich zu zog. "Lässt du dich von Frauen lieber besänftigen?" fragte er schließlich. "Eigentlich nicht." antwortete ich. Marco hob eine Augenbraue. "Marco, es tut mir leid. Ich hab meine Wut auch noch an dir rausgelassen. Dabei versuchst du nur, mir zu helfen. Es tut mir echt leid." murmelte ich. "Alle sagen immer du wärst so kalt und arrogant, dabei wäre es meiner Meinung nach besser, du hättest manchmal nicht ganz so viele Emotionen. Und was den Schupser angeht: Ich bin nicht aus Zucker." meinte er. Normalerweise wäre das jetzt der Moment, in dem ich aus Reflex wieder lächeln musste, aber die ganzen Faktoren, die mir in meine Gefühle pfuschten, ließen dieses Lächeln nicht durchkommen. Marco kam auf mich zu. "Pummelfee du bist echt sau liebesbedürftig." meinte er und nahm mich schließlich in den Arm. Ich erwiderte die Umarmung. Ok nein. Ich erdrückte Marco förmlich. Er roch noch ein wenig nach Nell. Alles überkam mich auf einmal und ich spürte die Tränen auf meinem Gesicht. Marco drückte mich von sich. Kopfschüttelnd sah er mich an und verpasste mir eine leichte Backpfeife. "Auf Weicheier steht sie bestimmt nicht." meinte er. "Auf brutale Idioten auch nicht." erwiderte ich. "Auf Stimmungsschwankungen auch nicht." meinte er wieder. "Halt die Fresse." Er grinste halbherzig und schlug mir freundschaftlich auf den Rücken.
- 1 Woche später -

Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt