Kapitel 58

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Mario's Sicht:

Obwohl wir erst spät im Campo Bahia ankamen und ich kaum geschlafen hatte, fuhr ich am nächsten Morgen sehr früh ins Krankenhaus. So früh, dass es keiner mitbekam, weil alle noch schliefen. So ähnlich war es auch, als ich jetzt im Krankenhaus den langen Flur in Richtung ITS entlangging. Nur selten kam mal ein Arzt oder eine Krankenschwester vorbei. Im Vorraum angekommen erblickte ich einen bulligen Typen neben der Tür. Ich hatte keinen freien Gedanken an ihn zu verschwenden, also wollte ich direkt an ihm vorbei in den Raum, doch der Typ erhob sich und versperrte mir den Weg. "Name?" wollte er wissen. "Sagen Sie mal, haben Sie nichts besseres zu tun, als hier Türsteher zu spielen?! Wir sind in einem Krankenhaus, nicht in einem Club." fuhr ich ihn direkt an. "Ich wurde von Manuel Neuer beauftragt, damit niemand unbefugtes das Zimmer betritt. Also, Name?" meinte er. "Götze, Mario Götze." sagte ich ungeduldig, es hatte ja doch keinen Sinn. Der Typ zog einen zerknitterten Zettel hervor, der wohl eine Namensliste war. "Haben Sie einen Ausweis dabei?" meinte er unbewegt. Langsam regte es mich auf. "Sie müssten ja wissen wer ich bin. Außerdem möchte ich jetzt zu meiner Verlobten, also lassen Sie mich durch!" zischte ich. Er ignorierte meine Aussage. "Ohne Ausweis darf ich Sie nicht durchlassen." Ich gab es auf. Mit einem genervten Stöhnen zog ich mein Portmonnaie hervor und nahm meinen Perso heraus. Ich hielt ihn ihm vor die Nase. Als er nickte, steckte ich ihn wieder ein und ging an ihm vorbei. Währenddessen warf ich ihm einen Blick zu, der hätte töten können. "Hey Nell." sagte ich leise, als ich sie auf die Stirn küsste und mich dann auf den Stuhl neben ihrem Bett niederließ. Bis auf die dünnen Schläuche, die an ihrer Nase klemmten, sah sie genauso aus wie vor dem 'Zwischenfall'. Ich nahm ihre Hand. Es war keiner da, also beschloss ich, mit ihr zu reden. Oder besser gesagt, ihr etwas zu erzählen. Ich überlegte, was ich sagen könnte und als mir spontan ein Gedanke kam begann ich leise zu ihr zu sprechen. "Weißt du noch, damals im Schwimmbad? Du bist gerade zur Mannschaft zurückgekommen. Marco und ich haben dich sofort gesehen und uns zuerst gewundert, aber Miro hatte uns ja schon von dir erzählt, also konnten wir uns denken, dass du Manu's kleine Schwester bist. Bis dahin war ich noch eher der Draufgänger, mein Hobby war Flirten. Deshalb konnte ich mir auch den Spruch nicht verkneifen, als du dich uns vorgestellt hast. Dass du so reagierst, konnte ich ja nicht ahnen. Oh man, du glaubst nicht wie schnell mein Herz geschlagen hat, als du vor mir standst. Du hast mir sofort den Kopf verdreht. Und Marco hat mich immer damit aufgezogen. So ein Idiot." Ich musste kurz grinsen, doch dieses Grinsen verschwand sofort wieder, als mir der Gedanke kam, dass sich Nell vielleicht garnicht an das alles erinnern könnte, wenn sie aufwachte. Möglicherweise würde sie sich nicht einmal an mich erinnern oder noch schlimmer... und sie wäre überhaupt nicht mehr fähig, mich zu lieben. Ich versuchte den Gedanken abzuschütteln, doch hatte ich ihn einmal zu Ende gedacht, hatte er sich in meinem Kopf festgesetzt. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Ich stand auf und ging. Ich fuhr zurück ins Camp. Trotz des Alkoholverbots für alle Spieler gab es etwas außerhalb eine Bar, wo ich jetzt hinein ging. Ich setzte mich auf einen Barhocker. Die blonde Kellnerin kam direkt zu mir. "Was darf ich bringen?" fragte sie und klimperte aufreizend mit den Wimpern. "Irgendwas mit Alkohol." antwortete ich knapp. "Sehr gerne." erwiderte sie und wackelte mit ihrem viel zu knappen Rock davon. Wenig später stellte sie zwinkernd ein Glas vor mir ab. Als ich einen Schluck nahm, pfiff es mir drohend durch den Schädel, doch dieses Gefühl brauchte ich jetzt. Eine junge Frau setzte sich auf den Barhocker neben mir. Ich sah nur kurz auf. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte sie mich erkannt. Doch sie sprach mich nicht wegen eines Autogrammes an. "Entschuldigen Sie, aber dürfen Sie als Spieler überhaupt Alkohol trinken?" wollte sie freundlich wissen und nahm die Cola entgegen, die die Kellnerin brachte. "Geht Sie das was an?" entgegnete ich gereizt. Seelenruhig nahm sie einen Schluck von der Cola. "Nein, aber Sie sehen nicht gerade glücklich aus und ich denke, egal was es ist, Alkohol ist keine Lösung." textete sie mich zu. "Haben Sie keine Hobbies?" fragte ich nur. "Ich wollte nur helfen." erwiderte sie, trank ihre Cola aus und verschwand. Die Kellnerin wischte mit einem Putzlappen über den Tresen und hing dabei ihre definitiv operierten Brüste über die Theke. "Kann ich irgendetwas für dich tun, Süßer?" wollte sie wissen. Ich ging nicht auf die Flirtversuche ein. "Ja noch einen davon." sagte ich und deutete auf das bereits leere Glas. Etwas enttäuscht wackelte sie erneut davon. Als sie mir mein Getränk gebracht hatte, war auch das bald leer und der Alkohol tat seine Wirkung.
Zur gleichen Zeit bei Marco:

Schon den ganzen Morgen suchte ich nach Mario. Wie ich vermutet hatte, war er in die Klinik zu Nell gefahren. Allerdings war er laut Krankenschwester nach knapp 2 Stunden wieder abgehauen. Ich lief den kompletten Strand und das Gelände ab, was mit den Krücken unendlich lange dauerte. Schließlich erreichte ich die kleine Bar. Klar, Mario geht öfters mal zum Frustsaufen. Und wann bräuchte er das mehr als jetzt? dachte ich mir und wunderte mich, dass ich da noch nicht früher draufgekommen war. Als ich die Bar betrat, fiel mir sofort diese Szene ins Auge. Mario saß auf einem Barhocker, auf dem Tresen saß eine blonde Tusse, wohl die Kellnerin. Mario hatte seine Hand an ihrem nackten Oberschenkel und war eindeutig schon mehr als angetrunken. Ich stürmte auf die Beiden zu und riss Mario von dem Hocker herunter. "Sag mal, spinnst du?!" schrie ich ihn an. Er sah mich nur verwirrt an. "Was denn?" erwiderte er und der Alkohol-Geruch schlug mir entgegen. "Ey es war gerade lustig!" beschwerte sich die Tusse. "Das ist mir scheißegal!" fuhr ich sie an. "Was ist dein Problem? Bist du sein Freund oder was?!" zickte sie. "Nein, bin ich nicht! Aber er hier ist verlobt!" zischte ich weiter. Die Tusse sah abwertend zu uns herüber. "Die scheint ja nicht so prickelnd zu sein." meinte sie. Ich kochte vor Wut und hätte sie am liebsten rückwärts vom Tresen gestoßen, stattdessen schleppte ich Mario mit nach draußen. Ich zerrte ihn bis zum Pool und stieß ihn mitsamt seinen Klamotten hinein. Dann kniete ich am Beckenrand nieder, wartetr bis er wieder auftauchte und packte ihn dann im Nacken. "Was fällt dir eigentlich ein?! Hast du Nell schon aufgegeben oder was?!" schrie ich ihn an. Er antwortete nicht, also tauchte ich ihn einmal unter und riss ihn dann wieder nach oben. "Du kannst dir doch nicht die nächstbeste *****(denkt euch was ihr wollt) hernehmen und mit der rummachen! Auch wenn du stockbesoffen bist!" fuhr ich fort. "Ich hab nicht mit der rumgemacht!" rechtfertigte er sich. "Egal was es war, an deiner Stelle würde ich mich in Grund und Boden schämen! Wenn Nell aufwacht, und du dich bis dahin nicht verdammt nochmal zusammengerissen hast, dann werde ich es mir nicht verkneifen, Nell von deiner Aktion zu erzählen und du kannst dir wahrscheinlich vorstellen, wie begeistert sie wäre!" schrie ich und zog ihn dann mit einem Ruck aus dem Wasser. Als er mich ansah, stand nur Schmerz in seinen Augen und man konnte trotz des Wassers, das von seinem kompletten Körper tropfte sehen, dass Tränen sich ihren Weg in die Freiheit bahnten. Jetzt tat er mir doch leid, wie er da vor mir stand, wie ein Häufchen Elend, um seine große Liebe trauernd. Egal, was auch immer ich mir ausdenken konnte, absolut nichts würde ihn jetzt noch aufheitern. Ich durfte aber nicht zulassen, dass er sich alles kaputtmachte. Jetzt hasste ich mich selbst dafür, dass ich ihn so fertiggemacht hatte, schließlich war er mein bester Freund. Ich tat einen Schritt auf den völlig durchnässten Mario zu. "Tut mir leid, ehrlich." sagte ich schließlich. Mario erwiderte nichts, also zog ich ihn einfach in meine Arme. Es war mir völlig egal, ob meine Klamotten dadurch nass wurden. Er vergrub das Gesicht an meiner Halsbeuge und erwiderte die Umarmung. Dann spürte ich seine Tränen und er schluchzte immer wieder auf. Ich kannte ihn nun schon so lange, hatte ihn aber bisher noch nie so am Boden zerstört gesehen. Er liebte sie wirklich mehr als sein eigenes Leben und man konnte nur hoffen, dass Nell endlich aufwachte...

Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt