Kapitel 54

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Mario's Sicht:

Wenige Tage später war es dann soweit und wir mussten gegen die USA spielen. Allerdings hatte Löw mich durch Lukas 'ersetzt'. Letztendlich konnte ich auch nichts daran ändern. Vielleicht dachte er ja auch ich wäre zu aufgekratzt. Dabei hätte ich wie jeder der die Ersatzbank drücken musste natürlich gerne gespielt. Der Ball war einfach meine zweite große Liebe. Ich spielte ja nicht umsonst, wenn ich Stress abbauen wollte. Trotzdem bereitete ich mich also vor wie jeder andere auch. Und kaum waren wir in den Bus nach Recife eingestiegen, war ich schon im Stadion. Ich weiß nicht, wie man so locker drauf sein konnte, denn Kevin redete die erste Halbzeit dauerhaft auf mich ein. Und dieses etwas einseitige Gespräch hatte absolut nichts mit dem Spiel zu tun, worauf ich mich versuchte zu konzentrieren. Gerade erzählte er mir von einem Werbespot, den er mal mit Marco und Mats gedreht hatte, da sprangen alle auf und jubelten, inklusive mir. "Wie, was, wo?" wunderte sich Kevin. "Ein Tor? Ein Tor! Wuhuuu!" jubelte er dann auch. Ich schüttelte nur den Kopf über ihn und beglückwünschte kurz den Torschützen, denn es hatte wieder gemüllert. In der 76. Minute gab Löw dann das Zeichen, dass ich endlich rein durfte. Ich konnte es kaum erwarten, bis ich die Randlinie überquerte und schließlich auf dem Platz stand. In der restlichen Viertelstunde konnte ich mich noch ein Wenig beweisen, allerdings schoss keiner von beiden ein weiteres Tor. Trotzdem jubelten die amerikanischen Fans, denn Portugal gewann 2:1 gegen Ghana, wodurch die USA ebenfalls ins Achtelfinale einzogen. Ich verzog mich schnellstmöglich in die Kabine, weil ich heute definitiv keine Lust auf Interviews hatte. Ich stellte mich in der Dusche unter das kalte Wasser und als ich mit einem Handtuch um die Hüfte heraustrat, waren auch schon die meisten Anderen da. Thomas wuschelte mir durch die nassen Haare, als ich an ihm vorbeiging. Doch das ließ mich relativ kalt. "Wegen was auch immer du so schlecht drauf bist: Du hast super gespielt und gleich kommt Nell und macht mir neue Spannpflaster auf diesen Scheiß hier." meinte er und deutete auf seine Wunder unter der Augenbraue. Ich rang mir ein kleines Lächeln ab. Ich wusste ja selbst nicht einmal, warum ich auf einmal so schlecht drauf war. Eigentlich war alles super. Wir hatten gewonnen, standen im Achtelfinale und ich hatte meine Traumfrau an meiner Seite. Und Apropos Traumfrau, denn diese stand hinter mir und zog an meiner Schulter. "Kannst du mich vielleicht mal durchlassen?" grinste sie. "Äh ja, sorry." sagte ich und verlor mich in ihren Augen. "Ja dann mach." meinte sie. Ich antwortete nicht. Ihr Grinsen wurde breiter, dann hob sie die Hand und schnipste ein paar mal vor meinem Gesicht mit den Fingern. Ich schüttelte den Kopf, um wieder in die Realität zurückzukehren und trat dann auf die Seite. Nell sah mich noch kurz mit einer Mischung aus Verwirrung und Amüsierung an, dann setzte sie sich zu Thomas und begann vorsichtig die alten Spannpflaster zu entfernen. Thomas war wohl etwas zu gut drauf und lachte sich ständig über irgendetwas schlapp. "Mensch, jetzt halt doch mal still!" meckerte Nell. Thomas hob die Hände. "Ja schon gut, kein Stress." sagte er, wie zu einem einschüchternden Türsteher. "Geht doch." lachte Nell. Ihr Lachen brachte mich sofort auf andere Gedanken. Aber kaum waren wir dann unterwegs zum Campo Bahia, kamen die Gedanken wieder zurück. Ich überzeugte Nell davon, morgen endlich zum Arzt zu gehen, heute war es schon zu spät. Sie bat mich, mitzukommen. Für mich war das eigentlich selbstverständlich, schließlich ging es um meine Verlobte und mein Kind, welches ich auf dem Ultraschall sehen würde.
Nell's Sicht:
Am nächsten Tag

Ein Angestellter vom Camp wurde beauftragt, Mario und mich zum Arzt zu fahren. Als wir dann dort ankamen, stiegen Mario und ich aus, während der Fahrer dort wartete. Er kreuzte seine Finger mit meinen und dann gingen wir Hand in Hand hinein. Wir hatten einen Termin und es war kaum etwas los. Trotzdem mussten wir ins Wartezimmer. Je mehr Minuten verstrichen, desto nervöser wurde Mario. Er zuckte ungeduldig mit dem Knie auf und ab oder tippte mit dem Finger auf meiner Hand, die er in seiner hielt. "Mario... Jetzt beruhige dich doch mal! Es wird schon nichts sein." sagte ich sanft. Er nickte zögerlich und versuchte sich zu entspannen. Die Erlösung kam, als ich aufgerufen wurde. Ich schleppte Mario mit, damit er sich selbst von meinem Wohlbefinden überzeugen konnte. Der Arzt checkte erst mal alle Grunddinge wie Blutdruck, Körpertemperatur und so weiter. Gelangweilt ließ ich alles über mich ergehen. Schließlich sollte ich mich auf die Untersuchungsliege legen, weil er eine Ultraschalluntersuchung machen wollte. Ich winkte Mario her, der sich dann am Rand der Liege niederließ und meine Hand nahm. Der Arzt konnte ein bisschen Deutsch und so erklärte er, dass alles in Ordnung war und wo man was auf dem Bild erkennen konnte. Mario blickte fast schon fasziniert auf den Bildschirm, worüber ich lächeln musste. Schließlich verkündete er das Ergebnis: Es schien alles in Ordnung und alles was er mir raten konnte, war Stress zu vermeiden. Aber das wichtigste war, der Bluttest hatte erwiesen, dass sich das Virus definitiv nicht ausgebreitet hatte. Mario und ich atmeten erleichtert auf. Dankend verabschiedeten wir uns. Als wir uns auf die Rückbank des Kleinbusses setzten, lächelte der Fahrer uns durch den Rückspiegel zu. "Siehst du, alles gut." sagte ich lächelnd zu Mario und lehnte mich an seine Schulter. "Ich bin so glücklich. Aber du weißt, dass ich dich nicht mehr aus den Augen lasse." grinste er. Ich musste ebenfalls grinsen und schüttelte den Kopf. "Du lässt dich ja eh nicht davon abbringen." sagte ich. Mit einem schelmischen Strahlen erwiderte er "Ähhhm... Nope." und küsste mich dann liebevoll. Als ich mich von ihm löste, fiel mir etwas auf. "Schau mal!" rief ich aus und zeigte aus dem Autofenster. Neben der Straße ging es einen kleinen Hang nach unten, dort war ein wunderschöner Wald und weiter hinten ein kleiner See. "Wunderschön." kommentierte Mario. Als wir um eine enge Kurve fuhren, sah ich plötzlich aus dem Augenwinkel einen Motorradfahrer um die Ecke preschen. "Vorsicht!" rief ich noch, da riss der Fahrer unseres Kleinbusses das Lenkrad herum. Ich krallte mich in das Sitzpolster, als der Kleinbus dem Hang entgegenschleifte. Verzweifelt versuchte der Fahrer den Wagen wieder unter Kontrolle zu bringen. Mario zerquetschte fast meine Hand. Doch dann begann der Wagen entgültig den Hang hinunterzustürzen und überschlug sich. Ich hörte mich selbst schreien. Der Wagen überschlug sich ein zweites Mal und wir rutschten seitlich auf die Bäume zu. Dann wurde alles schwarz...

Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt