Kapitel 28

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Nell's Sicht:
Marco stand noch auf der anderen Straßenseite, während Mario...

...vor dem silbernen Auto zu Boden gestürzt war. Marco und ich rannten gleichzeitig auf ihn zu. Mario röchelte und hustete leicht. Ich kniete mich neben ihn und strich ihm mit der Hand über die Wange. Schon liefen mir heiße Tränen über die Wangen. "Scheiße, es tut mir so Leid! Das ist meine Schuld." sagte ich verzweifelt. Mario richtete sich langsam auf und verzog vor Schmerz das Gesicht. Eine Frau mittleren Alters stieg aus dem Wagen. "Oh gott! Es tut mir so Leid! Brauchen Sie einen Krankenwagen?" rief sie aufgelöst."Nein nein, alles in Ordnung. Es war meine Schuld." sagte er an die Frau gerichtet. Nachdem die Frau dann nach ihrer Sorge um Mario verschwand, fragte ich ihn "Kannst du aufstehen?" Mit schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck erhob er sich, stütze sich dann aber direkt auf Marco. "Hast du starke Schmerzen?" fragte ich unnötigerweise, worauf Mario gezwungen den Kopf schüttelte. Er atmete schwer. "Können wir nicht erst mal zu dir?" fragte Marco an mich gewandt. Mit noch einem Blick auf Mario stimmte ich zu. Wir gingen also langsam die letzten Meter zu meiner Wohnung, wobei wir Mario in die Mitte nahmen und ein Wenig stützten. Da er zum Treppensteigen anscheinend nicht fähig war, gingen wir in den Aufzug. Die Türen schlossen sich und Marco und Mario musterten mich. "Warum machst du das?" fragte Marco. "Was?" fragte ich verwirrt zurück. "Du flüchtest vor uns und jetzt...? Muss Mario sich erst verletzen, damit er dir nicht mehr egal ist?" wunderte er sich. "Marco, ihr seid mir nicht egal!" empörte ich mich. "Nell, ich kenn dich noch nicht lange, aber ich habe erwartet, dass du für Dinge kämpfst, anstatt zu versuchen sie zu vergessen." Ich konnte nicht antworten, starrte nur auf meine Füße. In diesem Moment ertönte das erlösende Pling und die Fahrstuhltüren sprangen auf. Ohne die Beiden hinter mir zu beachten, schloss ich die Tür auf und trat ein. Ich lief durch die Wohnung um Verbandszeug zu finden. "Marco sorg dafür, dass er sich vorsichtig..." wollte ich sie noch warnen, doch schon hörte ich einen Aufschrei. Da ich sowieso gefunden hatte, was ich brauchte, ging ich schnell zurück ins Wohnzimmer, wo sich Mario anscheinend auf meine Couch hatte fallen lassen, und wie ich vermutet hatte, sich jetzt vor Schmerz krümmte. "Nell mach irgendwas, ich glaub er bekommt nicht richtig Luft!" fuhr Marco mich verzweifelt an. In diesem Moment begann Mario wieder ein Wenig zu röcheln. Ich schob Marco beiseite und ging dann vor Mario in die Hocke. "Du musst versuchen ruhig zu atmen." sagte ich. "Bist du bescheuert?! Hast du nicht irgendeinen komischen 'Arzt-Trick' auf Lager?!" mischte sich Marco ein. "Wenn er sich nicht gerade eine Rippe gebrochen hat, dann ist das nur ein Schock." entgegnete ich und konzentrierte mich wieder auf Mario. "Schau mich an." sagte ich zu ihm, doch er reagierte nicht. Ich legte meine rechte Hand auf sein Knie. "Schau mich an!" wiederholte ich mit Nachdruck. Jetzt hob er den Kopf und sah mir in die Augen. Seine Pupillen waren geweitet, es war also wirklich nur der Schock.  Gleichzeitig lag aber auch vollkommene und ehrliche Liebe in seinen Augen. Langsam beruhigte sich sein Atem wieder. Schon wollte er meine Hand nehmen, doch ich zog sie zurück. "Leg dich hin. Aber langsam!" sagte ich also und löste mich von seinen wunderschönen Augen. Er gehorchte. Durch sein helles Shirt schienen dunkle Flecken und es war an manchen Stellen kaputt. Marco tigerte in meinem Wohnzimmer auf und ab und fuhr sich dabei mit der Hand durch die Haare. Ich schnappte mir das Verbandszeug und kniete mich vor die Couch. Ich atmete hörbar aus. Diese ganze Situation war mir mehr als unangenehm aber ich konnte Mario ja nicht wortwörtlich links liegen lassen. "Darf ich?" fragte ich Mario und deutete auf sein Shirt. Er nickte. Vorsichtig schob ich den Stoff nach oben, darauf bedacht, seine Haut nicht zu berühren. Ein einziger dunkler blau-lila Bluterguss zog sich über seine linke Seite. Bis zur Hüfte und zur Mitte fast bis zum Bauchnabel. Der Bluterguss war mit Schrammen und Schürfwunden übersät. Marco war stehengeblieben und sog bei dem Anblick scharf die Luft ein. "Denkst du es ist schlimm?" fragte Marco. Ich ignorierte ihn einfach. Ich widmete mich also wieder Mario und tastete zögerlich die Stelle ab. Er hielt dabei die Luft an. "Sag was wenn du Schmerzen hast." meinte ich also. Doch bis auf die riesige blaue Stelle schien alles in Ordnung zu sein. Ich reinigte und desinfizierte also gründlich alle Kratzer. Weil das Desinfizieren höllisch brannte, zuckte Mario mehrmals zusammen. Ich zog eine bestimmte Salbe hervor. "Willst du selber?" fragte ich ihn und deutete auf die Tube. "Dein Ernst?" erwiderte er. Ich biss mir auf die Unterlippe und trug die Salbe also vorsichtig auf seine Haut auf. Ich half ihm schließlich aufzustehen, denn ich musste das irgendwie verbinden. Ich suchte einen Verband mit bestimmter Länge. Dann begann ich mit seinem Shirt zu hantieren, worauf er es sich einfach über den Kopf zog und auf meine Couch warf. Machte er das mit Absicht? Nach kurzem Zögern begann ich also, das Ganze zu verbinden und musste dabei immer wieder unter seinen Armen durch um ihn herum greifen, was mir im Gegensatz zu ihm nicht so gefiel. Er folgte mir mit seinem Blick, während ich nur damit beschäftigt war, so schnell wie möglich vor seinem nackten Oberkörper zu flüchten. "Vielleicht ist es besser du bleibst vorerst hier, dann kann das besser kontrolliert werden." Hatte ich das gerade wirklich von mir gegeben? Innerlich schlug ich mir dafür ins Gesicht. Marco musterte Mario's demolierten Körper und dann mich. "Also gut. Ich tische Löw irgendeine Ausrede auf. Was denkst du wann ist er wieder fit?" fragte er. "Äh, drei Tage mindestens. Eher fünf." stellte ich fest. Marco nickte. Mit einem Handschlag verabschiedete er sich von Mario. Ich ging mit zur Tür. Ohne Vorwarnung umarmte Marco mich und für einen kurzen Moment fühlte ich mich wieder wie zu Hause. "Du wirst uns nicht los. Früher oder später musst du das einsehen. Mir wäre früher allerdings lieber." flüsterte er mir zu und ich konnte an seiner Stimme hören, dass er leicht lächelte. Meine Stimme hatte mich wahrscheinlich gerade verlassen, denn ich erwiderte nichts. Vermutlich hatte er sogar recht. Wenn ich die Beiden jetzt schon nach wenigen Tagen zufällig wiedersah, wie wäre das in Zukunft? Zudem war ich auch noch Schuld an dem Unfall. Vielleicht war ich einfach zu selbstsüchtig. Immer handelte ich nur so, damit es mir selbst möglichst leichtfiel. Nie hatte ich darüber nachgedacht, was Mario, oder auch Marco, jetzt fühlten. Und vielleicht brachte ich sie damit mehr in Schwierigkeiten als ich dachte.
Mario's Sicht:

Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt