Kapitel 121

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Mario's Sicht:
Nell's große blaue Augen schweiften kurz von mir ab und blickten reserviert zu der Großleinwand zu unserer Linken hinauf. Jeder einzelne Zuschauer und Fan war totenstill. Meine Hände waren von kaltem Schweiß überzogen. "Scheiße ey..." entschwand es meinen Lippen, worauf sie ihre Augen wieder auf mich richtete. Mit einem amüsierten Grinsen fragte sie, was los sei. Die ganze Zeit hatte ich das heimlich geplant. Jetzt wäre ich heilfroh, wenn sie nicht ganz so ahnungslos wäre. Statt ihr zu antworten atmete ich tief durch. Meine tauben Finger ergriffen die ihren. Komm schon, du hattest einen Plan. Du hast dir diese verdammte Rede zurecht gelegt. Wo war sie? Wo waren die Worte hin? Oh scheiße, ich hatte alles komplett vergessen. In meinem Hirn gähnende Leere. Ich redete drauf los. Irgendwas. Aber ich nahm es selbst nicht wahr. Bis... "Ich weiß nicht, wie ich ohne dich noch leben sollte. Sowas habe ich noch nie für einen Menschen empfunden, wie ich für dich empfinde. Ich liebe dich, Nell." Ich war erleichtert, mit meinen Pudding-Beinen auf die Knie gehen zu dürfen, ließ aber ihre Hände nicht los. Ich brauchte Halt. Nell verlagert ihr Gewicht jetzt nervös vom einen aufs andere Bein. Ihre Augen huschten über mein Gesicht. Zudem öffnete sie leicht den Mund. Ich spürte, dass sie ihre Hand wegziehen wollte, weil sie bereits Tränen in den Augen hatte, aber ich hielt sie fest umklammert. "Du bist die Liebe meines Lebens und ich... Ich bin mir so sicher. Und sicher wäre es noch schöner gewesen, wir hätten gewonnen und ich würde gerade nicht in verschwitzten Sachen vor dir knien aber... Nell,... willst du mich heiraten?" Sie rührte sich keinen Millimeter, als ich es mit Mühe schaffte, meiner Finger von ihrer Hand zu lösen und die kleine Schachtel herauszuholen. Ich hob langsam den Blick. Sie starrte auf den Ring hinab. Ihre Augen schwammen in Tränen. Aber sie rührte sich keinen Millimeter. Ihre Unterlippe zitterte, aber eine Antwort kam nicht. Hat sie mich überhaupt verstanden, so wie ich das alles heruntergerattert habe? Natürlich hat sie! Nach was sah es denn aus, wenn ich kniend einen Ring verschenkte? Doch Nell blieb stumm. Vereinzelte Stimmen waren aus dem Publikum zu hören, die sie aufforderten, endlich Ja zu sagen. Aber ich brauchte nur ihre Antwort. Sie riss ihren Blick von mir los und starrte zu den anderen, glaubte ich zumindest, denn ich sah nur Nell allein. Warum sagt sie nichts? Will sie etwa nicht und mich nur nicht vor allen bloßstellen? Panik kam in mir auf. Mein Atem flatterte, da sah sie mich wieder an. "Nell?" Ich konnte meine eigene Stimme kaum hören. Sie gab ein Geräusch von sich, das aus einer Mischung aus Schluchzen und Lachen bestand. "Ja, verdammt!" Ihre Stimme war laut und deutlich. Und meine Muskeln erstarrten. "Jetzt steh schon auf!" Sie klang total ungeduldig, also kämpfte ich mich wieder auf meine Pudding-Beine. "Ja?" wiederholte ich nach einigen Sekunden der Stille. "Was dachtest du denn?!" Ich gab keinen Ton von mir, während sie sich die Hände vor den Mund schlug und schluchzte. Meine Gesichtsmuskeln kehrten zurück und ließen mich lächeln. Mein Herzschlag setzte wieder ein. Und das in einem rasanten Tempo. Sofort zog ich sie in meine Arme, sie fiel mir um den Hals und wir verbanden uns zu einem Kuss. Auch nachdem wir uns voneinander gelöst hatten, hielten wir uns in den Armen. Ich wusste nicht, ob sie hörte, was ich ihr dauernd ins Haar nuschelte. "Ich liebe dich, Nell. Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich..." Als ich die Augen öffnete, war Nell spurlos verschwunden und ich fand mich draußen wieder. Schnell erkannte ich, wo ich war. Der See. Unser See. Und rechts neben mir das Bauplatz-Schild. Ich spürte die Aufregung, als ich mein Handy herauszog. Unruhig hin und her laufend wartete ich dass sie abhob."Ja?" meldete sich ihre sanfte Stimme. "Hey Prinzessin..." begrüßte ich sie und konnte mir genau ihr wunderschönes Lächeln vorstellen. "Du solltest mal dein Zimmer verlassen, findest du nicht?" schlug ich vor. Mehr als ein Seufzen kam vorerst nicht. Ich wartete stumm auf eine Erklärung. "Ich lese gerade. Es ist wirklich schlecht. Kannst du mir nicht jetzt am Telefon sagen, was los ist?" bat sie. Nicht gut. Gar nicht gut. "Nein, kann ich nicht. Bitte, nur einen Schritt vor die Tür." flehte ich und setzte einen Dackelblick auf, obwohl sie diesen ja nicht sehen konnte. "Hmm, na gut. Aber wehe es ist nicht wichtig." gab sie glücklicherweise nach. "Super." freute ich mich und legte auf. Ich steckte mein Handy weg. Stundenlang hatte ich diese aufwändige Aktion geplant. Zugegeben, auch wenn ich diesen Antrag im Stillen halten wollte, ich wollte ihr imponieren. Damit sie wusste, was ich für sie alles tat. Ich war irgendwie so eine seltsame Mischung aus Macho und Romantiker. Jetzt hieß es nur noch warten und hoffen, dass sie meine Rätsel alle verstand und zu mir fand. Ich setzte mich auf einen gefällten Baum und nahm die Rose in die Hand, die ich dort abgelegt hatte. Wenn sie kam, würde sie mich nicht sofort sehen, aber ich sie. In meiner Ungeduld entschied ich mich doch wieder, die Rose auf die Brücke, an ihren Zielort zu bringen. In der Zeit des Wartens vertrieb ich mir die Zeit, indem ich versuchte die Aufregung zu lindern. Diesmal nicht vor Millionen Augen, sondern nur vor den ihren, die mich jedes Mal mit einer Wärme erfüllten, obwohl sie durch das Blau doch scheinbar so kalt wirkten. Beinahe hätte ich es verpennt, als mir das kleine Ruderboot ins Auge stach, aus dem sich Nell langsam erhob. Ich wartete, bis sie fast bei der Brücke war und verließ dann meinen Platz. Mit noch einem prüfendem Griff in meine Jackentasche, wo ich die samtige Schachtel ertastete, schlich ich ihr hinterher. Sie bemerkte mich nicht einmal, als ich direkt hinter ihr stand. Ich atmete noch einmal tief durch, weswegen sie kaum merklich zusammenzuckte. Mir huschte ein Lächeln über die Lippen, als ich die Gänsehaut in ihrem Nacken erkennen konnte. "Was wollten wir uns aufbauen?" beendete ich im Flüsterton mein Rätsel. Vorsichtig, damit sie nicht erschrak, platzierte ich meine Hände auf ihren Hüften. "Ein...ein Haus." nuschelte sie aufgeregt.  Ich wollte sie nicht länger auf die Folter spannen, drehte sie um und ließ ihr somit freie Sicht auf das Schild. "Gefällt's dir?" fragte ich in die Stille. Eine kleine Träne überquerte ihre Wange. War das ein Nein? "Warum weinst du?" brachte ich geradeso hervor. "Du bist so bescheuert. Die ganzen Rosen hier, auf jedem Zettel ein Ich liebe dich und jetzt das." meinte sie. "Und was sagst du jetzt dazu?" fragte ich unsicher. "Ich liebe dich auch, Mario. Du bist so unglaublich. Und das hier ist perfekt." sprach sie und deutete auf das Bauplatz-Schild. Ich atmete erleichtert auf, worauf sie die Arme um mich schlang. Sie drückte mir hunderte Küsse auf die Wange. "Ich war noch nicht fertig." unterbrach ich sie. Sie löste sich von mir und sah mich abwartend an. "Also, ich weiß ich habe oft genug Scheiße gebaut und ich habe dich eigentlich nicht verdient. Trotzdem bleibst du immer an meiner Seite und stehst zu mir." begann ich. Sie könnte es schon ahnen, was sollte auch jetzt noch kommen? Ich ließ meine Hand langsam zu meiner Jackentasche wandern und war kurz davor auf die Knie zu gehen, als ihr klingelndes Handy den Moment zerriss. Ich hatte keine Zeit mehr, die entscheidenden Worte zu sagen: Willst du mich heiraten?

Liebe stirbt nicht {Mario Götze u.A.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt