47.

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M.

Wutentbrannt rannte ich am nächsten Morgen in die Küche meines Onkels. „Warum hast du ihn rein gelassen? Respektierst du etwa nicht, was ich will und was nicht? Mir geht's schon beschissen genug, und dann schickst du ihn auch noch hoch! Reicht schon, das Boe mich immer daran erinnert, aber das ist ja ab Freitag Geschichte!", schrie ich meinen Onkel an und meine Tante bekam eine Art Schnappatmung, denn so einen Ausbruch kannten sie von mir nicht, und um ehrlich zu sein, ich von mir auch nicht! „Marlene jetzt reichst! Bei allem Verständnis, aber irgendwann ist mal gut! Ihr wart noch nicht mal zusammen! Paddy's Verhalten war nicht in Ordnung, aber er war dir keiner Rechenschaft zu verpflichtet, oder hat dich betrogen! Er hat seinen Fehler eingesehen, sich eingestanden, dir und uns die komplette Wahrheit gesagt! Was erwartest du noch? Er leidet genauso wie du! Wann geht es endlich in deinen Kopf rein, das er genauso fühlt wie du! Das merkt sogar ein blinder mit nem Krückstock! Er schaltet auf seine Kosten einen Rechtsanwalt ein und bringt dir Tamy zurück. Er schreibt dir jeden Tag! Er bringt dir Rosen mit! Ach und Boe bleibt vorerst noch! Zu früh gefreut!", schrie nun mein Onkel zurück. So kannte ich ihn nicht. Sein Gesicht war tot vor Wut. „Ich erwarte, das du bis zum Wochenende mit Paddy geredet hast! Es reicht mir nämlich jetzt mit deinem Selbstmitleid!" Mein Onkel stand auf und ging. Das saß!
Ich schnappte mir meine Sachen und fuhr zur Arbeit, allerdings wirklich zum Arbeiten kam ich nicht. Immer wieder gingen meine Gedanken zu den Worten meines Onkels. Plötzlich viel mir die Konzertkarte für Münster in die Hände. War das ein Zeichen? Sollte ich wirklich gehen? Ihm sagen, das ich eventuell für ein Gespräch bereit wäre? Rina würde auf jeden Fall da sein, denn eigentlich wollten wir zusammen gehen, und sie das Wochenende bei uns verbringen. Auch ihr war ich noch eine Erklärung schuldig, das wusste ich und bevor ich es mir noch anders überlegte, schickte ich ihr kurzerhand eine WhatsApp.

Bin Freitag dabei! Treffen uns am Nordeingang. Leni

P.

Heute war das Konzert in Münster, und als ich bereits an der Ausfahrt von Greven vorbei fuhr, als ich vom Flughafen kam, schnürte sich in mir alles zusammen. Ich war Marlie so nah und doch war sie so weit entfernt. Ich wollte um sie kämpfen, ich wollte, dass wir es miteinander versuchten. Aber ich sah langsam aber sicher meine Fälle schwimmen. Ein kleines Ass hatte ich noch im Ärmel, das ich in London ausspielen wollte. Peter hatte mir gestern bereits ihre Daten aus London geschickt, sowohl von der Agentur als auch vom Hotel. Darüber hinaus erzählte er dann noch, als wir telefonierten, das es wohl an dem Morgen nach meines Besuches dezent zwischen Marlie und ihm eskalierte und sie seitdem kein Wort miteinander gesprochen hatten. Einen positiven Aspekt zog er allerdings daraus. Seitdem brauchte er abends keine Oropax mehr und lies mich etwas hoffen.
Als wir dir Kongresshalle erreichten, warteten wie sonst üblich nicht so viele Fans bereits vorm Einlass und sofort entdeckte ich Rina zwischen den Mädels. Kurz bat ich meinen Fahrer etwas langsamer zu fahren und hielt nach Marlie Ausschau, vergebens. Wäre ja auch zu schön gewesen.
Fast pünktlich begann das Konzert nachdem Eule meine Fans auch zum Jubeln gebracht hatte. Es war mein vorletztes Konzert nach einer erfolgreichen Tournee von drei Jahren. Etwas Wehmut hatte ich, bei dem Gedanken vorerst morgen zum letzten Mal aufzutreten, also versuchte ich es heute umso mehr zu genießen. Spontan hatte ich den Song "Talk to me" mit rein genommen, und die ersten Akkorde fielen als es mich wie ein Blitz traf. Diese Augen... wundervolle blaue Augen die mich in einen Bann zogen, mein Herz schneller schlagen ließen, es zum überlaufen von Gefühlen brachten... es waren ihre Augen, Marlies... sie war hier! Ich bemühte mich, klar denken zu können, und versuchte unseren Blickkontakt nicht abreißen zu lassen. Sie hielt ihm Stand, und ich hatte das Gefühl, kaum noch den Text zu können, so sehr brachte sie mich aus meinem Konzept. Das Lied endete und die Halle wurde dunkel. Somit riss unser Blickkontakt ab. Schnell gab ich den Jungs zu verstehen, jetzt schon Et Voila zu spielen, denn bei diesem Song ging ich meist durchs Pubilum. Sie stand seitlich, in der Nähe zur Behindertentribüne, entfernt zu Rina, die ich bereits in der ersten Reihe entdeckt hatte und sie auch kurz abgeklatscht hatte.
Endlich war es soweit, ich machte mich auf den Weg Richtung Publikum. Vergeblich suchte ich nach ihr, bis sie plötzlich neben mir stand. Kurz nahm ich ihre Hand und streichelte sanft drüber, was sie mit einem Lächeln quittierte. Während das Publikum feierte, schaffte ich es irgendwie ihr unbemerkt meinen AA Pass zuzustecken und setzte mein Konzert fort.
Der Abend war ein voller Erfolg, wir spielten noch einige Zugaben und beflügelt von meiner Begegnung verließ ich die Bühne Richtung Garderobe.

M.

Paddy hatte mich entdeckt, obwohl ich mich beabsichtigt im Hintergrund hielt und mich nicht zu meiner Cousine gestellt hatte. So offensichtlich in der ersten Reihe stehen wollte ich dann doch nicht. Als sein Blick mich traf und er kurz sogar einen kleinen Texthänger hatte, traf mich dieser in Mark und Bein. Er war traurig, aber auch überrascht, bis sich ein Lächeln in seinem Gesicht abzeichnete. Ich hatte den ersten Schritt gewagt, ich war hier, auch wenn wir nicht die Möglichkeit hatte miteinander zu sprechen, sagten seine Augen mehr wie 1000 Worte.
Und dann stand er plötzlich neben mir, griff kurz nach meiner Hand und streichelte Sie kurz. Auch wenn diese Beruhrung nur Bruchteile einer Sekunde dauerte, hinterließ sie eine Spur. Es kribbelte, fühlte sich warm an, und traf letztlich wie ein Blitz mein Herz. Dazu steckte er mir heimlich irgendwas zu. Nachdem er weiter durchs Publikum ging, stellte ich mich etwas Abseits und schaute nach. Es war sein AA Pass. Mit einem Mal überkam mich Panik. Sollte ich wirklich Backstage gehen? War ich dazu überhaupt schon bereit? Wir mussten reden, dringend, aber jetzt? Und was war mit Rina? Ich konnte sie ja schlecht hier stehen lassen, sie sollte ja mit zu mir. So, egal, jetzt oder nie. Ich ging nach vorn, quetschte mich durch die Fans vor zu Rina, drückte ihr meine Schlüssel in die Hand und sagte: „Fahr zu mir! Wir treffen uns später bei mir." Fragend sah sie mich an, und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verschwand ich wieder in der Menge.

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