79.

649 32 1
                                    

M.

Die erste Woche ohne Paddy, ohne was von ihm zu hören viel mir schwer. Ich beließ es zudem bei meinem Urlaub, informierte meinen Chef nur, das ich wie von Patrick geplant nach 2 Wichen zurückkehren würde, packte meine Tasche und fuhr zu Doro. Sie war mehr als überrascht, als ich plötzlich vor ihrer Tür stand, konnte sich aber sofort denken, das zwischen Patrick und mir irgendetwas vorgefallen sein musste. Ich erzählte ihr einmal die komplette Geschichte, die sie sich diesmal, ohne mich zu unterbrechen, von vorne bis hinten anhörte. Auch meiner Bitte, nicht noch weiter nachzubohren, kam sie nach, worüber ich sehr dankbar war. Ansatzweise berichtete ich ihr auch von unserer letzten gemeinsamen Nacht. Überraschender Weise verstand sie es, wie es dazu kam. Sie bezeichnete es als Abschied, womit sie nicht ganz unrecht hatte.
Spontan fragte sie auch Urlaub an, und so fuhren wir in den zwei Wochen viel umher, schauten uns Museen an, gingen ins Kino oder auch shoppen. Einen Tag war ich allein unterwegs, da Doro sich um ihren Opa kümmern musste. Da Irrel nicht weit von Luxemburg und Belgien war, suchte ich mir online eine schöne Strecke raus und wollte mir einige schöne Orte ansehen. Ich war bereits auf dem Rückweg, als ich anscheinend irgendwo falsch abgebogen war und plötzlich vor einer Wunderschönen Klosteranlage stand. Ich parkte mein Auto und sah mich um. Irgendwie zog mich dieser Ort magisch an. Es glich eher einem Château. Angrenzend im Innenhof war eine kleine Kapelle. Ich war von meinen Eltern katholisch erzogen worden, glaubte an Gott, auch wenn ich nicht dauernd irgendwelche Messen besuchte. Nach dem Tod meiner Eltern verlor ich den Bezug zur Kirche, da weder mein Onkel noch meine Tante gläubig waren.
Ich setzte mich in die zweite Reihe vor den Altar und lies es einfach auf mich wirken. Hier, in dieser absoluten Stille überkamen mich plötzlich all meine Gefühle, meine Trauer, die Unzufruedenheit, und ohne laut zu Weinen liefen die Tränen unaufhörlich. Ganz leise hatte sich wohl ein Mönch neben mich gesetzt und berührte leicht meine Schulter. Freundlich lächelte er mich an. „Pardon, puis-je vous aider?" „No, merci!", stotterte ich und fühlte mich plötzlich total verunsichert, was er wohl bemerkte. „Je m'appelle frére Laurent, et vous?" „Marlene..." „Sie sind deutsch?" „Oui." „Wenn Sie möchten, lass ich Sie in Ruhe, gerne dürfen Sie mir auch ihre Sorgen anvertrauen. Manchmal hilft das Gespräch." Er reichte mir seine Hand und ich folgte ihm. Während wir durch die Wälder der Abtei liefen, schwieg ich zuerst, bis ich mich ihn dann doch anvertraute. Ich ging nicht ins Detail, erklärte nur kurz, das ich eine kurze, intensive, dennoch komplizierte Beziehung gerade beendet hatte. Er hörte mir aufrichtig zu, und fragte nur, wie es mir mit der Entscheidung ginge. Weder ihm noch mir konnte ich die Frage zum jetzigen Punkt beantworten. Alles war noch zu frisch, aber so langsam hatte ich mich gefangen. In diesem Augenblick erreichte mich eine Nachricht von Patrick, die erste von vielen. War es ein Zeichen?! Bruder Laurent zeigte mir die Abtei, erzählte von Angeboten, und lud mich ein, dich mal an sogenannten Einkehrtagen teilzunehmen. Mein Blick sprach wohl Bände. Er beruhigte mich, das ich es nicht wie einen typischen Klosteralltag sehen sollte, eher wie eine Ruhepol, um Kraft zu tanken und Energie zu sammeln. Nachdem er mich noch zum Abendessen eingeladen hatte, machte ich mich auf den Heimweg zu Doro.
Die nächsten Wochen überschlugen sich vor Arbeit. Ich hatte meinen Chef inzwischen gebeten, Nina bei mir zur Unterstützung der Agentur zu lassen, da gerade vor Weihnachten noch viele Ausstellungen, Geschäftsreisen und Meetings anstanden. In der Zeit schrieb Patrick mir fast täglich, obwohl ich nie antwortete. Trotz allem freute ich mich darüber. Mal fragte er nur nach meinem Enpfinden, mal schrieb er, was er gerade macht oder er schickte such nur ein Foto von Boe... Ab Mitte Dezember hörte ich plötzlich gar nichts mehr von ihm, was mich wunderte und komischerweise mich traurig stimmte. Nachdem ich dann auch noch auf einer Weihnachstfeier von einem Kunden einen herben Absturz hatte, und mit dem stellvertretenden Geschäftsführer Ben im Bett landete war das Thema Weihnachten für mich durch. Erst machte der Kerl mir mehrere Wochen schöne Augen und nach dem „Fick" schmiss er mich morgens noch raus. Dazu erfuhr ich am selben Nachmittag, das mein Cousin und seine Freundin bald Eltern werden würden. Das war zu viel. Natürlich freute ich mich für ihn, er war wie mein Bruder, aber....
Ich erinnerte mich an Bruder Laurent und seine Einladung. Am gleichen Abend sprach ich mit meiner Familie über meine Pläne. Erstaunlicher Weise befürwortete das sogar mein Onkel. So kam es, dass ich mich einen Tag vor Weihnachten auf den Weg ins Kloster machte und erst am 3. Januar zurückkehrte. Die Zeit im Kloster tat mir gut. Ich kam zur Ruhe, konnte viel nachdenken, reflektieren und neue Zukunftspläne schmieden. Bruder Laurent war dabei eine sehr gute Unterstützung. Wir sprachen viel, philosophierten und ich vertraute ihm nach und nach mehr aus meiner Vergangenheit an.
Nach meiner Rückkehr erzählte ich Doro von meinen Erlebnissen und Erfahrungen. Erst konnte sie damit nichts anfangen, erklärte sich aber bereit, mich Ende Februar für ein Wochenende zu begleiten. Ich konnte sie davon überzeugen, das es nicht um das permanente Beten ginge, sondern eher sich selbst zu finden, Erholung vom Alltag und motiviert starten zu können. Ich hatte mir vorgenommen alle Paar Monate nun solche Auszeiten mir zu nehmen. Zudem taten mir die Gespräche mit Bruder Laurent sehr gut.
Endlich war es soweit, ich holte Doro ab und gemeinsam fuhren wir den restlichen Weg zur Abtei. Da sie eine harte Woche Hintersinn hatte und wir erst späten Nachmittag die Anlage erreichten, verschwand Doro erstmal in ihr Zimmer und legte sich schlafen. Ich nutze die Zeit und besuchte Bruder Laurent. Er war gerade dabei die Tische für das Abendessen zu decken. „Leni, schön dich wieder zu sehen. Wie geht es dir?" „Ganz gut denke ich, und dir?" „Mir gehts immer gut, besonders wenn du wieder da bist. Deine Ideen für die Kindermesse haben wir erfolgreich umgesetzt, alle sind begeistert!" „Das freut mich!" „ Kommst du zurecht?" „Laurent, wie meinst du das?" „Deine Gefühle... hast du was von ihm gehört? Du warst das letzte Mal sehr traurig. Gerade am Heiligen Abend und auch Sylvester... vorher hast du bei seinen Erzählungen ein Strahlen in den Augen gehabt, das ist inzwischen erloschen..." Ich suchte nach Antworten, konnte ihm aber keine geben, also deckten wir gemeinsam die restlichen Tische ein - schweigend. Bevor ich den Speisesaal Verlies um Doro fürs Abendessen zu holen sagte ich kaum hörbar : „Er fehlt mir..." und ging.

Love AffaireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt