147.Kapitel

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Nachdem ich Anna dann hektisch in Kurzfassung erzählt hatte, was passiert war, fuhr ich mit einem Taxi direkt zum Krankenhaus. Autofahren traute ich mir in diesem Zustand nicht mehr zu.
Die Fahrt kam mir wie eine Ewigkeit vor. Ich war mehr als froh, als wir endlich zum Stehen kamen.
Ich bezahlte schnell und rannte fast schon rein ins Krankenhaus. Drinnen angekommen fragte ich direkt nach Samu und erfuhr, dass er gerade im OP war. Für mich bedeutete das also warten. Und das war alles andere als schön. Ich weiß nicht wann ich das letzte Mal so geweint hatte. Es war einfach nur grausam. Die Minuten fühlten sich wie Stunden an. Es war kaum auszuhalten. Irgendwann kam dann endlich eine Ärztin zu mir raus. Sie erklärte mir total viel...Was jetzt genau passiert war und wie der Eingriff verlaufen war.
So richtig verstehen tat ich das aber nicht. Nur, dass sein Magen ausgepumpt werden musste, hatte ich verstanden, aber was da jetzt genau beim Verschlucken mit seiner Lunge passiert war, war ein bisschen zu viel in dem Moment. Aber zu hören, dass er dadurch fast erstickt wäre...Das waren die schlimmsten Worte, die ich jemals gehört hatte. Wäre ich später nachhause gekommen, dann hätte er tot sein können. Dann hätten ihn unsere Kinder tot im Wohnzimmer aufgefunden. Diese Gedanken wollten einfach nicht aus meinem Kopf verschwinden. Obwohl ich wusste, dass er jetzt stabil war, wurde mein Schluchzen immer lauter. „Beruhigen Sie sich Frau Haber. Ihr Mann ist stabil." sagte die Ärztin nochmal klar und deutlich zu mir und fasste mir dabei an die Schulter. Ich nickte nur und versuchte mich ein wenig zu fangen, aber das war alles andere als leicht. Und dann erschien Eve auf einmal. Auch sie war am Weinen und schloss mich direkt in ihre Arme. „Anna hat mich über Samu's Handy angerufen." „Wäre ich nur ein bisschen später gekommen, wäre er jetzt nicht mehr da..." schluchzte ich. „Aber du bist noch rechtzeitig gekommen." antwortete sie mir und drückte mich noch fester. Erst nach einer ganzen Weile lösten wir uns wieder voneinander, bevor sie dann auch nochmal mit der Ärztin sprach und sich alles erklären ließ. „Und können wir denn jetzt zu ihm?" fragte sie dann ganz am Ende.
„Ja. Aber nur kurz und am besten auch nur eine Person zur Zeit. Er ist sehr geschwächt und muss jetzt viel schlafen." „Dann geh du zuerst, Finja."
„Wirklich?" „Auf jeden Fall." „Okay..." Ich wurde also zu ihm ins Aufwachzimmer gebracht. Dort lag er noch, weil er während der OP wohl unter Narkose gewesen war. Und dann sah ich ihn da liegen. Leise ging ich auf ihn zu und klammerte mich schluchzend an ihn. „Samu..." „Finja..."
„Ich liebe dich, ich liebe dich so sehr...Ich hätte es nicht ertragen hätte ich dich verloren..."
Als ich das sagte, liefen ihm ein paar Tränen die Wangen herunter. „Mir geht's gut." sagte er nur, wobei ich merkte wie benebelt er noch von der Narkose war. Er griff nach meiner Hand und drückte diese, so fest er in seinem Zustand gerade konnte. Ich konnte gar nicht beschreiben, wie froh und dankbar ich war, dass er es geschafft hatte. Aber ich wusste auch, dass uns jetzt eine schwere Zeit bevorstehen würde. Noch gute 10 Minuten blieb ich bei ihm, bis ich dann rausging und Eve noch kurz zu ihm reinkam.
„Wie lange muss er hierbleiben?" fragte ich die Ärztin in der Zeit. „Heute Nacht auf jeden Fall zur Beobachtung und dann schauen wir morgen weiter. Ohne Ihnen nahe treten zu wollen, aber haben Sie über eine psychologische Behandlung für Ihren Mann nachgedacht?" „Er geht zu regelmäßigen Theraphiestunden." antwortete ich ihr direkt und damit war das Thema dann auch schon abgeschlossen. Ich beschloss kurz Riku anzurufen und ihn aufzuklären, was passiert war.
Er war natürlich auch total geschockt und wollte morgen gleich zum Krankenhaus kommen. Wir unterhielten uns noch kurz, aber dann legte ich auch auf. Ich hatte einfach keine Kraft mehr für irgendwas. Als Eve dann wieder rauskam, schloss sie mich direkt wieder in ihre Arme. „Na komm, lass uns gehen. Wir kommen morgen wieder." sagte sie mit gesenkter Stimme zu mir. „Okay..."
Wie machten uns also auf den Weg nachhause.
„Soll ich mit dir kommen? Ich möchte nicht, dass du die Nacht alleine bist." sagte sie zu mir als wir dann im Taxi saßen. „Anna kann sicherlich bleiben...Fahr nachhause...Paul macht sich bestimmt auch schon riesige Sorgen um Samu."
„Ja...da hast du wohl Recht."

Zuhause angekommen, wurde ich direkt von meiner besten Freundin empfangen. „Hey...Komm her Süße, lass dich drücken." sagte sie und schloss mich fest in ihre Arme. „Wie geht's den Kindern?" „Sie schlafen mittlerweile. Ihr wart lange weg. Gerade Leevi war natürlich total aufgebracht, aber noch viel wichtiger ist es wie's Samu geht?" „Er lebt, das ist die Hauptsache...Kann ich dir morgen alles erzählen? Ich habe wirklich keine Kraft mehr gerade..." „Natürlich. Leg dich hin. Soll ich dir einen Tee machen?" „Gerne..." „Gut, bringe ich dir gleich." sagte sie, bevor ich ins Schlafzimmer lief und mich dort unter der Decke vergrub. Ich wusste, dass ich heute wahrscheinlich kein Auge zubekommen würde, obwohl ich einfach nur fertig war. Immer und immer wieder ging mir die Szene durch den Kopf, in der Samu fast erstickt wäre. Wie ich ihn da habe liegen sehen...Der schrecklichste Moment in meinem Leben, ganz sicher. Und diese Szene würde ich die Nacht über nicht mehr aus dem Kopf bekommen, das war mir klar.

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