Nya

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Jay weckte mich aus einem traumlosen Schlaf, in den ich gefallen war, nachdem ich mir die Seele aus dem Leib geheult hatte und erschöpft eingeschlafen war.

„Was ist los?", fragte ich verschlafen.

Innerlich fühlte ich mich leer und taub, wenn Jay mir jetzt sagte, dass Kai tot war, dann würde ich das nicht überstehen.

Bitte lass es nicht so sein wie mit Mum und Dad damals, dachte ich. Ich war klein gewesen, hatte nicht verstanden was passiert war, aber ich hatte mich gefühlt wie jetzt. Dabei wollte ich mich nie wieder so fühlen.

„Cole hat Kai gefunden", sagte Jay leise.

Das Leben kam in mich zurück, zusammen mit meiner Hoffnung.

„Was? Seit wann sind sie wieder da?", fragte ich und richtete mich auf.

„Seit ein paar Stunden oder so, genau weiß ich es auch nicht", sagte Jay. Er musterte mich besorgt.

„Warum hat mir denn niemand Bescheid gesagt?", fragte ich und sah Jay scharf an.

„Es war nicht ganz klar wie es Kai geht und Lloyd meinte er solle etwas Ruhe haben, außerdem hat Cole niemanden zu ihm gelassen", sagte Jay.

Alles um mich herum begann sich zu drehen, als ich fragte:

„Und? Wie geht es Kai?"

Ich wollte die Antwort unbedingt haben, hatte aber auch gleichzeitig Angst davor.

„Er lebt und er scheint nicht allzu schwer verletzt zu sein. Also wenn man bedenkt, dass unter Tonnen von Erde und Steinen und so Zeugs gelegen hat..."

Jay verstummte, als ich wieder zu weinen begann und mich an ihn krallte. Dieses Mal waren es jedoch Tränen der Freude, die mir heiß die Wangen herunter liefen, in Jays Shirt versickerten und es dunkel färbten.

„Nya?", fragte Jay.

„Ich muss zu ihm", sagte ich und löste mich von Jay.

„Er schläft bestimmt gerade, aber wenn du willst, dann kann dich eh niemand aufhalten. Du musst aber damit rechnen, dass Cole auch da ist, der weigert sich nämlich schon seit Stunden zu gehen." Jay schüttelte den Kopf.

Ich musste lächeln bei dem Gedanken daran, dass Cole bei Kai war.

„Ich komme später zu dir, ja?", sagte ich und gab Jay einen Kuss, der nickte.

Ich trat auf den Flur und ging mit wackeligen Knien zum Zimmer meines Bruders. Was würde ich zu sehen bekommen?

Bei der Vorstellung daran, dass er hätte sterben können wurden meine Augen wieder feucht, aber energisch wischte ich die Tränen weg und klopfte.

Vorsichtig öffnete ich die Tür.

Cole saß auf dem Boden an Kais Bett gelehnt, die langen Beine angewinkelt und er hatte die Augen geschlossen.

Als ich näher kam klappten seine Lider auf und der durchbohrte mich mit einem durchdringenden Blick.

Unwillkürlich wich ich zurück.

„Wie geht es ihm?", fragte ich.

„Ich glaube soweit ganz gut, bis auf ein paar Prellungen und Schürfwunden. Ich bin aber leider auch kein Arzt. Er schläft jetzt," sagte Cole mit müder Stimme.

Langsam ließ ich mich auf der Bettkante nieder und strich meinem Bruder über die Haare. Sie standen mal wieder in alle Richtungen ab, das hasste er so sehr. Und er wird es auch noch weiter hassen, denn er lebt.

Erleichterung durchflutete mich und ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht.

„Was ist passiert?", fragte ich an Cole gerichtet.

„Kai wurde von einem Erdrutsch oder etwas ähnlichem verschüttet, jedenfalls habe ich ihn gerade noch rechtzeitig gefunden." Cole stand auf. „Wenn Lloyd nur besser aufgepasst hätte..." Er ballte die Faust und ließ seinen Satz unbeendet.

„Gib nicht Lloyd dafür die Schuld", sagte ich. „Er kann doch nichts dafür."

Cole schüttelte den Kopf.

„Wenn er Kai nicht dazu überredet hätte, dann wäre er nicht mitgekommen", sagte er.

„Cole, du musst dir mal anhören wie du redest, Kai ist freiwillig mitgegangen, also hör auf jemandem die Schuld in die Schuhe schieben zu wollen. Geh lieber schlafen, dann siehst du das ganz bestimmt anders", sagte ich.

Doch Cole bewegte sich immer noch nicht.

„Husch, ab ins Bett", sagte ich und schob Cole zu Tür raus. „Schlaf, den ordentlich nach, dann reden wir wieder."

Er brummte irgendwas, und –oh Wunder- er ging wirklich in sein Zimmer.

Kopfschüttelnd kehrte ich an das Bett meine Bruders zurück und wartete darauf, dass er erwachte.


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