„Ich weiß nicht mehr genau, was ich glauben soll, Zane", sagte Pya und sah mich ernst an.
Wir waren gerade auf dem Weg in unser Zimmer, als sie angehalten hatte und mitten aus den Zusammenhang unseres bisherigen Gespräches diesen Satz gesagt hatte.
Verwirrt sah ich sie an.
„Inwiefern weißt du nicht mehr, was du glauben sollst?", fragte ich.
„Ich meine, ich weiß nicht mehr ob ich mir selber glauben kann. Ich sah in Daemon die Dunkelheit, den Abgrund und jetzt wirkt er nicht wie jemand der so etwas in sich hat. Menschen mit einem solchen Loch, einer solchen Dunkelheit in sich verhalten sich anders. Sie sind manipulativ, hinterlistig und streben immer nach großer und noch größerer Macht. Daemon erscheint mir aber eher, neugierig, aufgeschlossen und freundlich. Jetzt frage ich mich natürlich, was ich wirklich gesehen habe und ob ich mir das alles nur eingebildet habe und Daemon Unrecht getan habe", erklärte Pya.
„Nun ja", sagte ich und strich mir nachdenklich übers Kinn. „Es ist nur menschlich sich zu irren. Errare humanum est heißt es doch so schön, aber das wichtigste ist es zu erkennen, dass man sich geirrt hat. Und das hast du."
„Wirklich sicher bin ich mir aber auch nicht. Weder in der einen noch in der anderen Hinsicht", sagte Pya.
„Du meinst also Daemon könnte ohne weiteres auch einen schlechten Charakter haben und wir haben es bis jetzt nur noch nicht gemerkt? Wie soll er das gemacht haben?", fragte ich.
„Wenn er ein guter Schauspieler ist?", fragte Pya mehr, als das sie es sagte.
„Aber Daith hätte bestimmt eine Veränderung an seinem Bruder bemerkt", sagte ich.
„Ja, aber warum sollte er mir davon erzählen?", fragte Pya. „Außerdem sind Psychopathen Meister darin sich zu verstellen."
„Das mag ja sein", sagte ich. „Aber so wie du das jetzt sagst klingt es so, als seist du doch davon überzeugt, dass Daemon verdorben ist."
„Ja... nein... ich...", Pya wand sich, unsicher sich in die eine oder andere Richtung zu entscheiden.
„Gib dir und Daemon etwas mehr Zeit", sagte ich legte meinen Arm um sie. „Er ist gerade erst erwacht und sein voller Charakter ist noch nicht zu erkennen."
Pya nickte und lehnte sich gegen mich. Es war schön sie zu spüren, es war mir fast so, als wäre ihre Nähe, ihre Präsenz etwas von dem ich bis jetzt nicht gewusst hatte, dass ich es vermisste. Ohne sie würde mir die Welt nicht mal mehr ansatzweise lebenswert erscheinen.
Wir waren fast bei unserem Zimmer angekommen, als wir laute Stimmen hörten.
Kurz darauf kam Lloyd um die Ecke geprescht, sah uns und bremste.
„Schnell eine Notfallbesprechung und der Kommandozentrale", sagte er leicht außer Atem und drehte sich auch schon wieder um. Pya und ich folgten ihm. Unterwegs trafen wir auch noch Daith, Cole und Kai, die ebenfalls auf dem Weg zur Zentrale waren.
„Wo sind Nya und Jay?", fragte Lloyd.
„Die sind weg", sagte Kai. „Ich glaube die wollten zu Jays Eltern oder so. Auf jeden Fall sind die zwei nicht hier."
„Verdammt", murmelte Lloyd und stieß die Tür zur Zentrale auf.
Wir versammelten uns um den Hologrammprojektor in der Mitte des Raumes.
„Also, Daith und ich waren ja im Steinbruch und ich habe erfolgreich meinen Drachen gezähmt", begann Lloyd. „Doch davon später mehr. Daith und Yume ist etwas Verdächtiges aufgefallen."
„Eigentlich ist es nur Yume aufgefallen", warf Daith ein.
„Das ist doch jetzt egal wem das aufgefallen ist", sagte Kai. „Was ist denn passiert?"
„Wir wurden beobachtet", sagte Lloyd.
„Von einer Schlange", fügte Daith hinzu. „Yume hat Spuren gefunden, die nur von einer Schlange kommen können."
„Das klingt gar nicht gut", sagte Cole.
„Was werden wir unternehmen?", fragte ich.
„Die Schlangen sind ein ebenso ernstzunehmender Gegner, wie mein Vater", sagte Lloyd und sah in die Runde. „Sie scheinen zu wissen wo wir sind, sie beobachten uns, ich finde wir sollten das auch tun. Weiß jemand wo die Schlangen leben?"
„Kai weiß es", sagte Cole und legte seine Hand auf Kais Schulter. Dieser lief rot an und wurde gleich darauf kalkweiß.
„Wirklich Kai?", fragte Lloyd.
„Ja", sagte Kai leise. „So ungefähr, aber das weiß Cole aber auch. Die Höhle in der wir waren, als wir nach Zane gesucht haben, das ist die Vorhalle sozusagen."
„Ah, okay, dann wollen wir uns das mal auf der Karte ansehen", sagte Lloyd und versuchte den Hologrammprojektor in Gang zusetzten, was allerdings nicht gelang. „Wie funktioniert das verdammte Ding?"
„Lass mich mal", sagte Daith und schob Lloyd sanft zur Seite. Er tippte und wenige Sekunden später erschien eine Karte der Insel.
„Wie hast du das geschafft?", fragte Lloyd.
„Ich kann's halt", sagte Daith und lächelte.
Lloyd schüttelte leicht den Kopf, dann wandte er sich wieder an Kai.
„Wo genau war noch mal die Höhle?", fragte er.
„In etwa hier", sagte Kai und deutete auf eine Stelle relativ weit im Süden.
„Daith kannst du da eine Markierung setzten?", fragte Lloyd.
„Aber natürlich", sagte Daith und ein roter Punkt leuchtete da auf, wo Kai hingezeigt hatte.
„Was wird die Konsequenz sein?", fragte ich.
„Wir starten einen Gegenangriff. Aber auf diplomatische Art. Ich finde, du Zane solltest morgen mit Daith in den Steinbruch fahren und deinen Drachen rufen. Währenddessen werde ich zu den Schlangen fahren. Wer würde mich dorthin begleiten?", fragte Lloyd und sah sich nach Meldungen um.
In diesem Moment öffnete sich die Tür und Jay kam herein.
„Was geht denn hier ab?", fragte er und sah sich um.
„Wir planen einen Gegenschlag gegen die Schlangen", sagte Cole. „Bist du dabei?"
„Ne, sorry, aber Nya und ich haben morgen schon ein volles Programm und wenn es ginge würden wir lieber hier bleiben", sagte Jay.
„Ich brauche mindestens zwei Leute, die mit mir kommen. Kai von dir verlange ich nichts, da ich weiß, dass du eine Phobie hast, aber Cole, du könntest doch mit, oder?", fragte Lloyd.
„Ich bin dabei", sagte Cole.
„Und ich auch", sagte da eine andere Stimme von der Tür. Ich drehte den Kopf und erkannte Nya. „Sorry Jay, aber ich finde, dass es schon wichtig ist, wenn wir uns um die Schlangen kümmern. Die Arbeiten hier laufen uns ja nicht weg."
Jay sah aus wie vor den Kopf gestoßen, dann drehte er sich wortlos um und ging einfach.
Das Verhalten war unüblich für Jay, sonst sagte er immer etwas, aber vielleicht war er auch nur überrascht, dass Nya nicht bei ihm sein wollte, dass es ihm die Sprache verschlagen hatte. Was zur Abwechslung auch mal ganz nett war.
„Okay, wir brechen morgen früh im Morgengrauen auf", sagte Lloyd. „Je früher wir das hinter uns haben, desto besser."
Die Runde löste sich in zustimmendem Gemurmel auf.
Pya griff nach meiner Hand und wir beide konnten endlich, nach diesem langen Tag ins Bett gehen.
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Elementa
FantasiaJeder von ihnen hat einen anderen Grund hier an diesem Wettkampf teilzunehmen: Cole - er will vor seinem Vater und dessen Erwartungen an ihn, die er nie erfüllen wird, flüchten Kai - er will endlich beweisen, dass er mehr kann, als nur klein sei...