Kai

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Als ich aufwachte hatte ich das Gefühl, als hätte ich Jahrelang geschlafen. Nya saß an meinem Bett, oder besser sie schlief, denn ihr Kopf lag auf ihrer Brust und sie atmete gleichmäßig ein und aus. Als ich mich bewegte wachte sie jedoch auf.

„Hey, du bist wacht", sagte sie und blinzelte mich aus ihren blauen Augen an.

„Ja", sagte ich. „Welch eine Entdeckung."

„Es scheint dir ziemlich gut zu gehen, wenn du wieder sarkastisch sein kannst", schmunzelte Nya.

„Ich fühle mich gut", sagte ich. Und es stimmte auch ich war so voller Energie, ich musste einfach aufstehen.

„Was tust du denn da?", fragte Nya entsetzt als ich mich aufrichtete.

„Aufstehen", entgegnete ich.

„Kai du wurdest verschüttet und warst kurz davor unter Tonnen von Erde zu ersticken. Außerdem wissen wir nicht, ob du nicht vielleicht verletzt bist. Ich denke es ist keine gute Idee jetzt einfach aufzustehen."

„Nya, mir geht es gut, mach dir keine Sorgen. Geh ruhig schlafen ich komme schon zurecht."

Meine Schwester sah mich skeptisch an.

„Bist du dir auch wirklich sicher, dass du weißt was du tust?", fragte sie.

„Ja", sagte ich. „Ich werde schon keinen Marathon laufen", fügte ich noch hinzu als Nya mich nur weiter zweifelnd musterte.

„Ich vertraue darauf, dass du weißt was das Beste ist", sagte sie.

„Das kannst du auch", beruhigte ich sie.

„Okay, dann bin ich mal weg", sagte sie, wandte sich zum Gehen, drehte sich dann aber noch einmal um und umarmte mich lange. „Ich bin froh, dass es dir gut geht", flüsterte sie, dann ging sie wirklich.

Ich setzte mich auf die Kante des Bettes und versuchte mich zu erinnern was passiert war. Doch ich wusste nur noch, dass ich mit Lloyd zusammen zu diesem Dorf gefahren war und er mir Geschichten aus dem Buch seines Onkels erzählt hatte, danach...

Vielleicht tat mir frische Luft gut, ich musste mich sowieso bewegen.

Langsam stand ich auf. Meine Beine waren wackelig und einer meiner Knöchel war geschwollen und tat bei jedem Schritt unglaublich weh.

Doch ich war nicht gewillt mich davon stoppen zu lassen und so machte ich einen Schritt nach dem anderen. Über den Gang und die Treppe nach oben an Deck. Es ging sogar ganz gut wenn ich humpelte.

Der Vollmond ergoss sein Licht auf das Deck des Schiffes und färbte es fast weiß.

Und mitten in dem weißen Licht stand Cole wie ein Geist .

Er drehte sich um, als er hörte wie ich oben ankam und sah mich aus schwarzen Augen an.

„Was machst du hier? Du solltest dich besser ausruhen", sagte er.

„Ich konnte einfach nicht mehr ruhig liegen", sagte ich und machte einen Schritt, sodass ich jetzt neben ihm stand und auf das Meer sehen konnte. Das Licht des Mondes spielgelte sich verzerrt in den leichten Wellen. Meine verschwommenen Erinnerungen ordneten sich langsam zu einem Bild.

Cole, der mich gerettet hat.

Cole, der mich am Leben hielt.

Cole, den ich liebte.

„Außerdem habe ich dich gesucht. Ich wollte mit dir reden."

Cole sah mich kurz an.

„Ich wollte auch mit dir reden, aber das hat Zeit bis du wieder gesund bist", sagte er und starrte auf das Meer.

„Glaub mir. Es geht mir gut genug. Wir können jetzt reden", versicherte ich ihm. Bis morgen wollte ich nicht warten.

Cole stützte den Kopf auf die Hände und blickte schweigend geradeaus.

Na gut, wenn du schweigen willst, dachte ich. Ich werde hier sicher nicht weg gehen ehe wir geredet haben.

So standen wir eine gefühlte Ewigkeit nebeneinander, wobei sich meine Gedanken wieder zu überschlagen begannen.

Bis Cole die Stille brach.

„Als du verschüttet warst, da hatte ich wirklich Angst, dass du stirbst", sagte Cole leise.

„Ich auch", gab ich zu und versuchte meine Gedanken in die beste Reihenfolge zu ordnen. „Vor allem ohne noch einmal mit dir geredet zu haben. Aber das kann ich ja jetzt."

„Wie ich dich kenne wirst du eh nicht aufgeben", sagte Cole und ich meinte ihn schmunzeln zu hören.

Nein, das würde ich sicher nicht.

„Wir haben uns total bescheuert benommen", sagte ich.

„Wie kommst du darauf?", fragte Cole und drehte seinen Kopf zu mir, sah mich an.

„Na ja, du hast mir gestanden, dass du mich ... liebst und mich geküsst. Und dann bist du einfach weggelaufen. Und die ganze Zeit danach haben wir uns nicht beachtet", sagte ich.

„Ich wollte nicht mitkriegen wie du mich wegstößt und mich für verrückt erklärst. Ich wollte nicht mitbekommen, wie unsere Freundschaft zerstört wird."

„Ich hätte es nicht getan", sagte ich leise.

„Was hättest du nicht getan?"

„Dich weggestoßen."

Jetzt sah Cole überrascht aus.

„Was dachtest du denn? Dass ich sage Küss mich doch obwohl ich nichts von dir will?" Ich kam näher zu Cole und sagte: „Außerdem wurde eines mir klar, als du mich geküsst. Nämlich, dass ich ... dich auch liebe."

„Meinst du das ernst?", Cole sah mich so ernst an, dass ich fast unter seinem Blick zurückwich, aber ich riss mich zusammen. Das hier würde ich richtig machen, das hier sollte nicht so werden, wie mein Leben bis hier her war. Ein ständiger Abschied.

„So ernst wie du."

Coles ernster Blick wurde weicher du er trat näher an mich heran. Sein Schatten fiel auf mich, als er sich zu beugte.

„Darf ich dich küssen, Kai?"

„Frag doch nicht so blöd", lächelte ich und dann küsste Cole mich. Der Kuss war sogar noch schöner, als der erste und in mir breitete sich ein angenehmes kribbeln aus, wie es nur Cole in mir verursachen konnte.

Er löste sich von mir und lächelte.

„Das ist noch schöner, als ich es mir vorgestellt habe."

„Ja, das ist es", sagte ich und sah in Coles schwarze Augen und er in meine.

Dann küssten wir uns wieder unter dem herbstlichen Vollmond.

ElementaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt