Nya

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„Meine Eltern sind unser Ziel", sagte Jay über den Funk zwischen unseren Fahrzeugen. „Und da gibt es ein paar Dinge, die du über die beiden wissen solltest. Also frag sie bloß nie etwas, denn dann fangen die beiden an zu reden und hören gar nicht mehr auf und schwuppdiwupp ist schon der halbe Tag um und die beiden haben nur geredet. Außerdem kommen wir dann nicht mehr zu Wort und das müssen wir, wenn wir die Bauteile haben wollen, die wir brauchen. Sie reden wirklich sehr viel. Und das andere ist, dass ich keine Geschwister hab und meine Mutter immer schon eine Tochter haben wollte, also mach dich auf alles gefasst. Man weiß nie so genau wie sie reagieren, aber was ich weiß ist, dass es keine negative Reaktion sein wird. Sonst aber kann alles möglich sein. Von zuquasseln über ausfragen bis hin zu einem Witz nach dem anderen reißen und dabei die ein oder andere peinliche Kindheitsgeschichte von mir erzählen kann alles passieren, aber auf jeden Fall mach dich auf einen Wasserfall von Worten gefasst."

„Ich glaub ich hab's verstanden Jay, sie reden viel", sagte ich und dachte bei mir, dass das wohl in der Familie liegen musste. Aber wenn seine Eltern genauso nett und freundlich waren wie ihr Sohn, dann musste ich keine Angst haben.

„Wo genau wohnst du denn?", fragte ich Jay.

„Ähm, wir sind bald da", sagte Jay. Seine Antwort fiel ungewöhnlich kurz aus und ich schloss daraus, dass Jay dieses Thema unangenehm war. Also ließ ich es dabei.

Unter uns zog die brachliegende Landschaft der Halbwüste in der Mitte der Insel.

Wahnsinn, was es hier alles für Landschaften gibt, dachte ich beim Anblick des beigen und rot Staub unter uns.

„Nya, sorry, dass ich dir auf deine Frage, wo ich wohne keine Antwort gegeben hab, aber es ist mir etwas peinlich, wo ich geboren wurde und gewohnt habe. Aber wir sind da. Dort drüben Nya wohne ich", sagte Jay auf einmal über den Funk und ich blickte geradeaus.

Direkt vor uns türmten sich Berge auf, wie aus dem Nichts, doch beim Näherkommen fiel mir auf, dass es keine normalen Berge waren, sondern Schrott und Müll.

„Du wohnst auf einem..."

„Schrottplatz", vollendete Jay meinen Satz. „Ja und es ist mir peinlich."

„Aber das muss es doch nicht", sagte ich. „Auch wenn du in der Kanalisation geboren worden würdest, wärst du immer noch der gleiche Mensch, den ich liebe."

„Danke Nya, das bedeutet mir sehr viel, wenn du so etwas sagst", sagte Jay ungewöhnlich ernst.

Wir gingen beide in den Landeanflug über und landeten wenige Sekunden später in einer großen Staubwolke vor dem Haupttor.

Jay sprang aus seinem Jet und ich ließ meinen Kampfanzug zusammenfahren, bis er wieder als Armband an meinem Handgelenk hing.

Wir traten auf den Hof und eine Frau mit grauem Haar, das sie zu einem Knoten auf dem Hinterkopf trug und einer dünnrandigen grauen Brille auf der Nase, kam uns mit ausgebreiteten Armen entgegen.

„Jay! Wie schön dich zu sehen. ED! DER JUNGE IST ZU BESUCH!", rief sie halb hinter sich. Anscheinend zu ihrem Mann, der wohl zwischen einem der Müllberge arbeitete.

„Jay, komm her und lass dich drücken. Wir haben ja schon so lange nichts mehr von dir gehört", sagte sie und nahm ihren Sohn in die Arme. Dann fiel ihr blick auf mich.

„Jay, wer ist denn dieses entzückende Mädchen?"

Jay drehte sich zu mir um, nahm meine Hand und führte mich zu seiner Mutter.

„Mom, das ist Nya, meine Freundin", stellte er mich vor.

„Hallo Nya, ich bin Jays Mutter, aber nenn mich doch Edna. Ich freue mich kennen zu lernen", sagte Edna und zog mich gleich in ihre Arme. Dann drehte sie sich wieder zu den Müllbergen und rief: „Ed nun komm doch. Dein Sohn hat jemanden mitgebracht!"

ElementaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt