Cole versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber ich kannte ihn mittlerweile gut genug um zu wissen, dass das nur Fassade war. Doch auf seinem Dunkeln Anzug konnte ich nichts erkennen, aber wie er sich bewegte zeigte, dass er nicht vollkommen schmerzfrei war.
Ich ging voraus und sah mich immer wieder um. Einerseits nach Samurai, andererseits nach Cole.
Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus, hielt an und drehte mich zu ihm um.
„Cole, ich sehe doch wie du dich quälst und ich werde keinen Schritt weiter gehen, ehe ich mir das nicht mal angesehen habe. Vielleicht bist du schwer verletzt", sagte ich und sah Cole eindringlich an.
„Es geht mir gut, wirklich. Ich bin okay", sagte er und ich wurde wütend.
„Nein bist du nicht! Das sehe ich! Ich will dir mal was sagen: wenn du dich in Lebensgefahr begibst, dann werde ich dir das nicht verzeihen. Was noch schlimmer ist, dass du ja nicht nur dein Leben gefährdest, sondern auch das von den anderen. Sie denken du bist einsatzfähig, aber in Wirklichkeit bist du es nicht. Das kann schlimme Folgen haben, also lass mich mal sehen. Bitte", sagte ich und meine Stimme bekam zum Schluss einen flehenden Ton.
Hinter Coles Stirn konnte man sein Gehirn fast Arbeiten sehen, dann gab er schließlich nach und setzte sich auf die Stufen der nächsten Haustreppe.
Ich kniete mich vor Cole und öffnete seine Jacke. Darunter trug er ein graues Shirt auf dem ich einen dunklen Fleck auf Höhe seiner Brust sehen konnte.
Cole zitterte bei der Kälte, die ihn nun streifte. So ging das nicht.
„Komm", sagte ich, zog Cole hoch und führte ihn in das Haus auf dessen Stufen wir noch eben gesessen haben. Dort drin war es schon wärmer, außerdem gab es einen Kamin und ich machte schnell ein Feuer, bevor ich Cole anwies die Jacke und die Shirtschichten darunter auszuziehen.
Er tat es ohne mir zu widersprechen, aber er lächelte dabei.
Kaum war der ganze Stoff weg sah ich auch schon gleich das „Problem". Auf Coles Brust und an seinen Armen waren kreisrunde und wie es aussah auch sehr tiefe Einstichlöcher. Eines war mindestens so groß, dass ich ohne Problem zwei Finger darin hätte versenken können. Was ich natürlich nicht tat. Aber aus diesen Wunden lief Blut und so wie es aussah waren die Verletzungen auch nicht ganz schmerzlos.
„Warte kurz", sagte ich und sah mich im Haus nach Verbandszeug um.
Im Bad fand ich Handtücher und Kompressen wie auch Mullbinden. Ich schnappte mir alles, befeuchtete das Handtuch mit warmem Wasser und trug alles zu Cole ins Wohnzimmer.
Dann kniete ich mich wieder vor in und begann die Wunden zu säubern. Als ich Coles Haut zum ersten Mal berührte zuckte er zusammen.
„Oh, hab ich dir weh getan?", fragte ich sofort.
„Nein nicht direkt, aber das Wasser, das Handtuch ist echt sehr, sehr warm, fast schon heiß", sagte er.
„Oh, verdammt, sorry, das passiert mir immer wieder. Für mich hatte es sich einfach nur lauwarm angefühlt und du weißt ja, dass ich Wasser nicht gerne länger berühre, als unbedingt notwendig. Ich hab ganz vergessen, dass ich die Wärme nicht so spüre, wie du. Tut mir leid, ich bin ganz vorsichtig, ja?", entschuldigte ich mich.
„Schon, gut, das bist halt du", sagte Cole und lächelte.
Ich säuberte seine Wunden und versuchte dabei ihn so wenig wie möglich zu verbrühen. Dann legte ich die Kompressen auf und verband sie mit den Mullbinden.
„Machst du das jetzt wirklich nur, weil ich eine Gefahr für alle bin, oder vielleicht auch nicht ganz?", fragte er irgendwann leise mit seiner rauen Stimme und ich merkte wie mir die Hitze in den Kopf stieg, denn ich genoss es wirklich ein bisschen, Cole zu berühren.
Mein erröten sagte Cole schon alles.
„Ich verstehe", sagte er und lachte dieses leise und unfassbar sexy lachen, bei dem mir immer ganz schummerig wurde vor Verlangen.
Doch ich klebte schnell noch die Enden der Mullbinden fest. „So ich bin fertig", verkündete ich und wollte aufstehen, doch Cole hielt mich fest.
„Nein, noch bist du nicht ganz fertig, eine Sache hast du vergessen", sagte er, zog mich eng an sich und küsste mich. Unter seiner Berührung schmolz ich dahin und vergrub meine Hände in seinen Haaren, ich vergaß die Welt um mich herum und es gab nur noch Cole, mich und unsere Lippen.
Schließlich löste sich Cole sanft von mir und lächelte.
„Wow, Kai", war das einzige was er sagte, sein Blick sagte den Rest. Es war genau das, was ich auch in mir fühlte und dachte. Das diese Küsse, das beste waren was es gab. Besser als alles andere. Und ich hatte mal eine Freundin gehabt, Jahre bevor ich Cole getroffen hab und gemerkt hatte, dass ich auf Jungs stand. Sie hieß Skylor und ihre Küsse waren nicht halb so gut gewesen wie Coles.
„Zieh dich wieder an, sonst kann ich für nichts mehr garantieren außerdem müssen wir die anderen wieder finden", sagte ich, stand auf und trat einen Schritt zurück. Coles lächeln wurde ein breites Grinsen, als es sich wieder alles anzog.
„Dank deiner Zauberbehandlung, tut es auch fast nicht mehr weh", behauptete er und stand auf. Ich sah noch einmal kurz zu ihm auf bevor wir das Haus verließen und auf die Straße traten. Ich schloss die Haustür hinter uns und wir folgten der Straße, bis wir an der Kreuzung um die Ecke bogen und beinahe in meine Schwester liefen.
Wir alle drei gingen sofort in Kampfhaltung und Flammen loderten in meiner Hand auf, dann erkannte ich meine Schwester.
„Oh, man Nya, hab ich mich vielleicht erschreckt", sagte ich und entspannte mich wieder.
„Und ich erst", sagte Nya und sah zu mir herunter. Es war gruselig wenn die eigene Schwester ein riesiges Eisenberg ist zu dem man aufblicken musste.
„Wo ist denn Jay?", fragte ich, weil ich bemerkt hatte, dass er fehlte.
„Ach der", sagte Nya leicht genervt. „Der kommt gleich wieder. Aber Vorsicht er wird euch die ganze Zeit in den Ohren liegen wie schöne es doch ist zu fliegen."
Warum fliegen, wollte ich noch fragen, als Jay um die Ecke bog. Er ging allerdings nicht wie jeder normale Mensch, nein er flog. Er flog ohne irgendein Hilfsmittel.
„Ach du scheiße", sagte Cole leise neben mir.
„Das kannst du aber laut sagen", flüsterte ich tonlos zurück.
„Na ihr Spaziergänger? Lauft ihr auch schön in der Gegend rum? Also ich genieße die Aussicht von hier oben", sagte Jay breit grinsend.
„So geht das schon die ganze Zeit", sagte Nya und so wie ich meine Schwester kannte verdrehte sie gerade die Augen.
Irgendwie fühlte ich mich zwischen Nya, Cole und Jay sehr, sehr klein. Ich musste zu allen aufblicken! Wie blöd war das denn?
„Okay, sollten wir nicht langsam mal weiter gehen?", fragte ich und hoffte, dass wenn wir weiter gingen das Gefühl vielleicht verschwinden würde.
„Dafür bin ich aber auch", sagte Cole.
„Na gut ihr könnt ja gerne weiter gehen. Ich fliege", sagte Jay und schwebte davon.
Neben mir verdrehte Cole die Augen, dann trat ein listiger Ausdruck in sein Gesicht und ich ahnte was er vorhatte. Jay würde gleich an ihm vorbeikommen.
„Cole, nein", flüsterte ich ihm zu und wusste nur zu gut, dass ihn das nicht aufhalten würde. Und so musste ich mitansehen, wie Jay nichtsahnend an Cole vorbei flog, Cole sich einmal kurz streckte, Jays Bein packte und ihn nach unten zog. Direkt vor mir plumpste ein sehr verdutzter Jay zu Boden und bei dem Gesichtsausdruck konnte ich einfach nicht anders, als loszuprusten. Cole und Nya gaben sich einen High Five und mir strubbelte Cole durch die Haare.
Jay rappelte sich auf und sah Cole wütend an, doch das hielt nicht lange, dann musste auch er lachen. Und so gingen wir lachen weiter.
Irgendwann schwebte Jay wieder ein bissen, aber immer schön weit weg von Cole.
Dann bogen wir auf den Marktplatz am Dorfkern ein und das Lachen blieb uns im Halse stecken.
Ein erschrockenes Schweigen trat an seine Stelle, als wir die Situation realisierten.
Und genau dann als uns klar war, was da vor uns war, fiel auch schon der eiserne Vorhang. Im wahrsten Sinne des Wortes.

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Elementa
FantasyJeder von ihnen hat einen anderen Grund hier an diesem Wettkampf teilzunehmen: Cole - er will vor seinem Vater und dessen Erwartungen an ihn, die er nie erfüllen wird, flüchten Kai - er will endlich beweisen, dass er mehr kann, als nur klein sei...