Daith

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Immer wieder sah ich meinen Bruder. Lebendig und tot. Ich träumte von seiner Beerdigung. Und ich weinte.

Davon wachte ich auf.

Ich öffnete die Augen und starrte Minutenlang einfach nur an die Decke über mir. Ließ die Gefühle in mir nicht an mich heran.

In meinem Zimmer war es völlig still, nur an mein Fenster trommelte leise der Regen.

Regen.

Daemon hatte den Regen immer gerne gemocht, ich nicht. Damals als wir noch klein waren und noch zusammen in einem Zimmer gelebt hatten, hatte ich immer Angst vor Regen und vor allem vor Gewittern gehabt. Daemon hatte mich immer ausgelacht und mich Angsthase genannt. Er fand das Trommeln des Regens und das Donnern, des Gewitters immer entspannend.

Ich fragte mich wie er heute darüber denken würde. Mir fiel auf, dass ich mich in der letzten Zeit von meinem Bruder entfernt hatte. Kannte ich ihn überhaupt noch? War er noch der Junge, der er einst gewesen war, der Junge, den ich gekannt hatte, der Junge, der mein Bruder war?

Die dunklen Gedanken hingen wie eine Wolke über mir und ich spürte einen leichten Schmerz hinter den Augen. Na toll, jetzt bekam ich auch noch Kopfschmerzen.

Es kostete mich einige Anstrengung, doch ich schaffte es meine Beine über den Bettrand zu hieven und auf zustehen. Ich taumelte ein paar Schritte und musste mich am Kleiderschrank festhalten um nicht zu fallen.

Ich schloss die Augen und betete, dass das hier nicht echt war, das konnte einfach nicht echt sein.

Doch das hier war die Realität. Die brutale Realität.

Ich fühlte mich wie ein alter Mann, als ich mich anzog und mich die Stufen zur Kommandozentrale hochschleppte.

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie jetzt alle da sein würden und genau das war es was ich wollte. Nicht alleine sein.

Und tatsächlich, da waren sie alle. Alle bis auf Cole.

Aus irgendeinem Grund machte mich das wütend. Wenn er schon meinen Bruder fast zu Tode geprügelt hatte, dann sollte er doch auch bitte dafür geradestehen und sich nicht verkriechen.

Wie als hätte er meine Gedanken gehört, öffnete sich plötzlich die Tür und Cole kam herein. Sofort verstummten alle Gespräche und es wurde totenstill.

Alle Augen waren auf Cole gerichtet, wie er so nass vom Regen stand und das Wasser aus seinen Haaren leise auf den Bode tropfte.

Doch der stand einfach nur so da, dann kam Bewegung in ihn und er setzte sich neben Kai.

„Okay, ich finde, dass wir das was letzte Nacht passiert ist einfach mal kurz vergessen und uns der Gefahr durch Lord Garmadon zuwenden", sagte Nya.

Ich konnte von meinem Platz aus sehen, wie Lloyd bei der Erwähnung seines Vaters leicht zusammenzuckte, aber außer mir schien das keinem aufgefallen zu sein.

„Wir sollten Lloyd erzählen was er so alles verpasst hat während er im Koma gelegen hat", sagte Nya, doch ich hörte gar nicht mehr richtig zu, denn meine Gedanken schweiften schon wieder ab und zu alldem kamen auch noch diese grausamen Kopfschmerzen, die alles überdeckten.

Nyas Stimme schien auf einmal schneidend wie ein Messer zu sein. Jedes ihrer Worte dröhnte in meinem Kopf. Ich hielt es einfach nicht mehr aus!

Ich stand auf und wollte nach draußen gehen, doch nach einigen Schritten verlor ich das Gleichgewicht und fiel gegen die Tür. Die ging auf und ich landete im strömenden Regen auf den Knien.

„Daith? Daith? Alles in Ordnung mit dir?" Das war Lloyd.

„Ich", setzte ich an, doch alles drehte sich vor meinen Augen und mein Kopf pochte und schmerzte mehr, als alles andere, dazu kam auch noch Übelkeit.

„Komm, ich helfe dir", sagte Lloyd und ich spürte seinen Arm um meine Hüfte. Da fühlte ich mich etwas besser. Ich schlang meine Arme um ihn und hielt mich einfach an ihm fest während er mich in mein Zimmer brachte und auf mein Bett legte.

Der Schmerz nahm mir fast die Sicht und machte, dass ich nur noch doppelt sehen konnte.

Da spürte ich wie mir etwas Warmes über die Wange und in den Mund lief. Es schmeckte metallisch, doch ich kam einfach nicht darauf, was es war.

„Oh mein Gott, Daith du blutest ja!", sagte Lloyd und mir fiel wieder ein was es war. Blut.

Es nahm mir komplett die Sicht.

Der Schwindel nahm zu bis ich das Gefühl hatte in einer endlosen Achterbahn zu sitzen und immer wieder im Kreis zu fahren.

Dann kippte die Welt weg und alles wurde zu einem Brei aus Geräuschen und Farben.

Ich schloss die Augen.

Irgendwann hörte der Schwindel auf und die Kopfschmerzen ließen nach. Ich traute mich meine Augen wieder zu öffnen.

Doch was ich sah war nicht mein Zimmer und Lloyd war auch nicht da.

Ich stand wieder im Thronsaal von Lord Garmadon. Aber wie konnte das sein? Wir waren doch geflüchtet.

Dann sah ich meinen Bruder und da wusste ich, dass das hier nicht echt sein konnte.

Daemon steuerte auf den Thron zu in dem der dunkle Lord saß und kniete davor nieder.

„Mein Lord, ihr habt mich gerufen?", fragte er in einem Ton, den ich noch nie bei ihm gehört hatte. Daemon ließ sich von nichts und niemand etwas sagen, aber der Daemon da klang respektvoll und von allem unterwürfig! Wieder fragte ich mich wie gut ich meinen Bruder eigentlich noch kannte.

„Daemon, bisher bin ich zufrieden mit deiner Arbeit und möchte dir ein Angebot machen, kehre den Ninja vollends den Rücken zu und schwöre mir die Treue. Ich verspreche dir, dass du später wenn sie alle tot sind dein eigenes Reich aufbauen kannst. Komm an meine Seite und ich werde dir mehr Macht geben, als die Ninja zusammen je haben werden", sagte Lord Garmadon.

Wollte der Lord hier gerade meinen Bruder zu einem Verräter machen? Er versprach ihm Macht und noch mehr Macht. Daemon konnte doch nicht so dumm und gierig sein und darauf eingehen!

„Mein Lord, ich schwöre euch die ewig währende Treue, ich werde alles tun was ihr befehlt, auch wenn der Befehl der Tod meines Bruders hieße", sagte Daemon und ich spürte etwas in mir zerbrechen.

Ich wusste nicht was es war, aber etwas war in mir unwiderruflich zerstört.

Mein Bruder, dem ich jederzeit mein Leben anvertraut hätte, verriet uns. Er verriet mich!

Alles begann wieder zu verschwimmen und mein Kopf schmerzte wieder als wäre ein Presslufthammer darin, aber das einzige was ich richtig wahrnahm war das Bild meines Bruders, wie er zum Verräter wurde.

ElementaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt