Seit der letzten Nacht war ich zerrissen.
Zerrissen zwischen dem einem Teil von mir, der zurück wollte zu dem Zeitpunkt, vor dem Cole mich geküsst hatte und der andere, der wollte, dass ich Cole sofort und auf der Stelle um den Hals fiel und den Kuss von gestern wiederholte.
So blieb ich in meinem Zimmer und versuchte zuerst mit mir ins Reine zu kommen, ehe ich Cole wieder unter die Augen treten konnte. Irgendwann fiel mir die Decke auf den Kopf und meine Gedanken drehten sich nur noch im Kreis. Da beschloss ich, mutig wie ich war, vielleicht doch mal mein Zimmer zu verlassen und wenn ich Cole traf, dann... Ach keine Ahnung was, das werde ich dann ja schon sehen, aber ich konnte auf gar keinen Fall in meinem Zimmer bleiben, sonst würde ich noch an meinen eigenen Gefühlen ersticken.
Vorsichtig öffnete ich die Tür und linste auf den Gang.
Niemand zu sehen.
Ich huschte aus meinem Zimmer, schloss die Tür und wollte gerade los, als ich Schritte kommen hörte.
Shit, bitte lass es nicht Cole sein, flehte ich.
Doch es war nur Lloyd, der um die Ecke bog und mich erstaunt musterte.
„Kai, wo warst du denn beim Frühstück?", fragte er.
„Äh, hab verschlafen", wich ich aus.
Lloyd nickte.
„Und was machst du jetzt?", fragte er. „Sahst eben etwas erschrocken aus, als ich um die Ecke gekommen bin."
„Ach, ich... ich hatte nur jemand anderes erwartet", sagte ich und scharrte mit meinem Fuß über den Boden.
„Und diesen Jemand willst du nicht sehen?", fragte Lloyd.
„Ja", sagte ich betreten.
„Warum?"
„Weil ich mir über diesen jemand Gedanken machen muss und das kann ich nicht wenn ich diesen jemand sehe", sagte ich so wage wie möglich. Lloyd musste ja nicht wissen, dass es sich bei diesem jemand um Cole handelte.
„Ich muss auch mal hier raus, dieses Buch von Onkel Wu ist harter Tobak, willst du vielleicht eine Patrouille zu einem kleinen Dorf hier in der Nähe machen?", fragte Lloyd.
Es gab gleich mehrere Gründe weshalb ich sofort ja gesagt hatte:
1. Ich lief nicht die Gefahr Cole zufällig über die Füße zu laufen.
2. Ich hatte endlich Luft noch einmal nachzudenken.
3. ich kam endlich mal von diesem verdammten Schiff runter. Die ganze Zeit war ich nervös, vor allem, weil ich, wenn ich still in meinem Zimmer war und auf dem Bett lag, leise die Brandung rauschen hören konnte. Das machte mich ganz kirre!
Wenige Minuten später fuhren Lloyd und ich auch schon auf unseren Motorrädern in Richtung des kleinen Dorfes. Es lag an einem Hügel, den man schon fast einen Berg nennen könnte.
„Hier gab es schon bevor ich den Wettkampf ausgerufen habe immer Unruhen", sagte Lloyd, als wir unsere Maschinen abstellten. Lange waren wir nicht gefahren, aber ich fühlte mich schon gleich besser.
Freier.
„Unruhen in welcher Hinsicht?", fragte ich und sah mich um.
„Menschen verschwanden, es gab Nachts seltsame Geräusche und das Gerücht, das ein Monster hier leben soll hält sich auch immer noch hartnäckig", sagte Lloyd und zog plötzlich zwei Katana aus einer Halterung an seinem Bike.
„Ein Monster?", fragte ich. „Wie kommen die denn darauf?"
„Jemand will einmal einen riesenhaften Schatten gesehen haben. Sag mal Kai, hast du dein Schwert nicht dabei?"
„Äh, haha, nein?", gab ich beschämt zu. „Hab ich vergessen."
Lloyd schüttelte den Kopf.
„Als Wächter der Insel sollte man immer, wirklich immer, seine Waffe dabei haben, besonders wenn es eine goldene Waffe ist. Hast du sie dir schon mal näher angesehen?"
Ich schüttelte den Kopf. Meine Gedanken waren voll von Cole gewesen, ich hatte an nichts anderes gedacht.
„Im Buch meines Onkels steht etwas darüber, woher sie stammen und, dass sie angeblich verstärkende Fähigkeiten haben", sagte Lloyd.
Das klang, aber doch interessant, vielleicht sollte ich mir nach meiner Rückkehr doch einmal das Schwert genauer ansehen, anstatt über Cole zu grübeln. Das täte mir vielleicht auch besser.
Wir bogen auf einen schmalen Pfad ein, unter uns ging es steil hinab und über uns ragten einige Felsen aus der Wand. Es war wirklich ein Ort für Horrorgeschichten, wie ich fand.
„Und was steht noch so alles in dem Buch deines Onkels?", fragte ich.
„Tja, das ist das interessanteste", sagte Lloyd. „Als ich es das erste Mal aufgeschlagen hab, da war das erste Kapitel über die Geschichte der Insel, aber als ich es heute Morgen noch einmal aufgeschlagen habe war plötzlich das über die goldenen Waffen da und die Geschichte der Insel war weg!"
„Das ist gruselig", bemerkte ich.
„Und nervig", sagte Lloyd. „Jetzt weiß ich nicht genau wie die Geschichte ging."
„Was weißt du denn noch?", fragte ich.
„Also die Insel wurde damals von zwei Brüdern gefunden und für sich beansprucht, zu diesem Zeitpunkt war sie noch unbewohnt und so beschlossen sie hier zu leben. Ein paar Menschen folgten ihnen und so entstand die erste Siedlung hier, da wo heute die Hauptstadt ist. Jedenfalls waren die beiden Brüder etwas Ähnliches wie Könige, jeder hatte einen Teil der Macht. Doch das wollte der eine nicht mehr, er wollte allein herrschen. Da teilten sie die Insel auf und es entstanden zwei Königreiche. Sie lebten einige Zeit nebeneinander, friedlich und in Harmonie, aber bald schon wollte der eine Bruder noch mehr, er wollte die ganze Insel. Mit einem Attentat auf seinen Bruder versuchte er dessen Teil der Insel zu bekommen, das schlug jedoch fehl und so sah er sah er nur einen Weg. Und das ist der Punkt an dem ich die Geschichte noch mal nachlesen wollte, weil ich mir nicht sicher war, ob das so stimmte. Denn er soll sich mit dunklen Mächten eingelassen habe, die ihn so stark machten, dass er seinen Bruder vernichten konnte. Der jedoch hatte eine Art Geheimwaffe oder so? genau weiß ich es nicht mehr, aber er hatte die Kraft seinen Bruder zu besiegen, ein Portal zu erschaffen und ihn in eine andere Welt zu verbannen. Danach teilte er seine Kräfte und übertrug sie auf verschiedene Menschen. Oder war es so, dass die Kräfte sich immer einem neuen Menschen anhängten? Oh man, ich weiß es einfach nicht mehr!"
Andächtig lauschte ich Lloyd.
„Könnten die goldenen Waffen vielleicht diese Geheimwaffe gewesen sein?", fragte ich.
Lloyd schüttelte den Kopf.
„Das habe ich eben noch gelesen, das sind sie nicht. Nicht wirklich. Sie sind sozusagen die Geheimwaffe 2.0."
„Wie das denn?", fragte ich leicht verwirrt.
„Das Dunkle kommt immer wieder", sagte Lloyd. „Und die Waffen wurden erschaffen, als das Dunkle das zweite Mal versuchte die Insel zu übernehmen."
„Ach so", nickte ich.
Lloyd legte seinen Kopf in den Nacken und atmet tief durch, plötzlich wurden seine Augen groß und Panik schwang in seiner Stimme mit, als er schrie: „Kai, lauf!!" Doch ich hörte nur noch ein tiefes Grollen, dann wurde alles um mich herum schwarz.

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Elementa
FantasyJeder von ihnen hat einen anderen Grund hier an diesem Wettkampf teilzunehmen: Cole - er will vor seinem Vater und dessen Erwartungen an ihn, die er nie erfüllen wird, flüchten Kai - er will endlich beweisen, dass er mehr kann, als nur klein sei...