30|Zeitvertreib

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„Ich nenne dich wie ich will.", trat wieder diese dominante Art hervor.

~

Das Auto hielt an und ich schnallte mich ab.
Die restliche Fahrt über hatten wir kein einziges Wort gewechselt.
Durch den kleinen Außenspiegel konnte ich, ab und zu mit Anstrengung, sehen wie Kenan einige Male zu mir sah, doch ich sah nie zu ihm.

„Hier wohnst du?", fragte er und sah aus dem Auto auf unser Haus. Ich sah ebenfalls auf seine Seite um auf unser Haus zu sehen.

„Ne. Ich habe dir die falsche Adresse gegeben.", scherzte ich. Er sah zu mir und unsere Blicke trafen sich.

„Du bist ganz schön lustig, Bulut.", gab er sarkastisch von sich. Ich zuckte mit den Schultern und zog die Tür auf, doch stieg nicht aus.

„So bin ich halt, Aksoy.", meinte ich und stieß die Tür auf,„Ach und.." Er sah mich abwartend an. Ich stieg aus und sah wieder ins Auto um mir sein Gesichtsausdruck anzusehen.

„Ich weiß, dass du nirgendwo hinfahren willst. Du wolltest mich lediglich nachhause fahren.", ließ ich ihn wissen, doch keine Emotion war zu sehen,„Dankeschön fürs Bringen."

Ich stieß die Tür zu und eilte ins Haus. Da ich auch meine Schlüssel nicht mitgenommen hatte klingelte ich, in der Hoffnung meine Eltern wären zuhause.
Kenan fuhr nicht weg.

Verdammt worauf wartete er?
Wollte er sehen, dass ich ins Haus ging?

Die Tür ging, zu meinem Glück, auf und meine Mutter sah sofort auf das Auto anstatt zu mir. Kenan startete den Motor und fuhr weg.

„Wer ist das? Ist das Serdar?", fragte sie und sah dem Auto hinterher. Ich trat ins Haus und zog meine Schuhe aus.

„Nein. Kenan.", antwortete ich und erntete einen ahnungslosen Blick,„Der Typ, wegen dem ich von der Uni suspendiert bin." Sie sah mich erschrocken an und musterte mich von oben bis unten.

„Wieso warst du in seinem Auto? Hat er dir was angetan?", überreagierte sie sofort. Ich schüttelte den Kopf und sah sie müde an.

„Ich bin für zwei Tage suspendiert, dann kann ich wieder zur Uni. Irgendjemand hat gesagt, dass ich es nicht war.", lenkte ich ab und sie kniff freudig in meine Wangen.

„Dann solltest du dich bei demjenigen bedanken.", ertönte plötzlich die Stimme meines Vaters während er die Nadel um sein Ärmel steckte. Meine Mutter drehte sich zu ihm um und er gab mir einen Kuss auf die Schläfe.

Wenn ich wusste wer irgendjemand war, dann würde ich es tun. Schließlich hatte diese Person doch Kenan dann verpetzt oder? Dafür sollte die Person einen Pokal bekommen.

Kenan

Gedankenlos betrat ich das Haus und pure Leere begrüßte mich.

Sie hatte recht. Ich hatte nicht vor irgendwohin zu fahren, aber als ich sah, dass sie weder ein Ticket noch einen Plan hatte, wollte ich sie fahren.

Wieso war ich nun so nett zu ihr?
Verdammt das wollte ich nicht sein.
Ich wollte sie wie alle anderen zum Gehorchen bringen.
Aber je hartnäckiger sie war desto lustiger wurde das kleine Spielchen. Sie war ein sehr zeitaufwendiger Zeitvertreib.

„Herr Aksoy.", ertönte Lisas Stimme und sie kam mit übereinander gelegten Händen auf mich zu,„Möchten Sie etwas essen?" Ich steuerte auf die Treppen zu.

„Ist jemand zuhause?", fragte ich sie.

„Ihre Eltern.", antwortete sie mir. Ich blieb auf der ersten Stufe stehen und sah sie nachdenklich an.

„Ja. Ja ich möchte essen.", antwortete ich knapp und ging ganz langsam die Stufen hoch in mein Zimmer. Müde zog ich mein Shirt aus und legte mich einfach auf mein Bett ohne mich weiter zu rühren.

Schon wieder hatte ich nun meine Vorlesungen sitzen lassen.
Wirklich viel lernte ich durch das ständige Schwänzen auch nicht.

Mein Telefon piepte auf und ich griff in meine vordere Hosentasche um es hinaus zu kramen und mit Schlitzaugen darauf zu sehen.

»Warte ab. Ich komme nach den Vorlesungen zu dir und werde dir all meine Notizen geben. Du bist so hohl, Kenan. -Serdar«

Genervt legte ich mein Telefon auf mein Bett und drehte mich auf den Rücken.

Was waren das nur für Freunde? Konnten sie nicht einfach akzeptieren, dass ich keine Lust hatte?
Aber genau deswegen waren sie meine Freunde. Weil sie nicht auf mich hörten und trotzdem das Beste für mich wollten, egal wie launisch ich war.

Ein erneutes Piepen ertönte. Ich hob mein Telefon in die Luft.

»Kenan geht es dir gut? -Alissa«

Ohne zu antworten legte ich es wieder auf mein Bett.

Verdammt, ich musste ihr klarmachen, dass ich sie nicht liebte oder wollte.
Wieso verstand sie das nicht?
Das war nun ein Jahr her und sie wusste genau, dass es ein Versehen war.
Wir waren ganz einfach nur Freunde.
Wenn das so weiterging, dann waren wir nicht einmal mehr das.

Ich sah hoch zur Decke.

Ob Seren weiterhin ihre Spielchen plante?

Schnell setzte ich mich auf und fuhr durch meine Haare. Ich griff wieder nach meinem Telefon und schrieb den beiden getrennt obwohl ich genau wusste, dass sie nebeneinander im Hörsaal saßen.

»Komm gerne alleine vorbei. -Kenan«

»Ja. -Kenan«

Ich schickte die Nachrichten ab und es klopfte.

„Ja?", rief ich und Lisa steckte ihren Kopf durch die Tür. Sie sah mich beschämt an, da ich kein Oberteil trug.

„Das Essen ist fertig.", gab sie mir Bescheid. Ich nickte und schon verschwand sie. Ich zog mir gemütliche Sachen an und ging hinunter ins Esszimmer.

Der riesige Tisch war vollkommen gedeckt, doch nur ein Teller lag vor einem Stuhl. Lisa schüttelte in ein Glas Wasser ein. Ich zog meine Augenbrauen zusammen und trat näher an den Tisch.

„Wieso ist da nur ein Teller?", fragte ich sie gereizt. Sie legte die Wasserkanne wieder auf den Tisch und hielt ihre Hände vor ihren Rock.

„Ihre Eltern möchten nicht essen.", antwortete sie. Ich nickte und sah hinter mich zur Tür.

War eine Familie wirklich so?
Alle in ihren Ecken verkrochen und kaum Kontakt zueinander?

Ohne nochmal zum Tisch zu sehen verließ ich das Esszimmer.

„Herr Aksoy wohin gehen Sie?", fragte Lisa und eilte hinter mir her. Ich zog meine Sportschuhe an und riss wütend die Tür auf.

„Joggen.", knurrte ich und rannte schon los.

Hallöle
Kenan und Seren haben ganz unterschiedliche Familien oder?
Würde mich sehr über Feedback und Votes freuen 💍
4/24

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