151|ein Monat

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War es so einfach? War es so einfach alles zu ruinieren? Ich nahm mir wieder die Pfeile zur Hand. Ein Bild war schon aufgehangen.
Konnte Kenan mich verletzen und traurig machen? Ich holte aus und warf auf ihn.
Traf genau an den Rand des Bildes..
Auf sein Herz.

~

Ein ganzer Monat war nun vergangen seitdem ich mich mit ihm gestritten hatte. Kein Wort seinerseits und keins meinerseits.
War vielleicht auch wirklich besser so.

Was mich aber so unglaublich ankotzte, war die Tatsache, dass es Valentinstag war und ich die einzige zuhause ohne Date! Baran und Alina planten einen gemeinsamen Tag für ihr erstes gemeinsames Valentinstag und meine Eltern würden bis zum Morgen nicht wiederkommen.

Das war ihr freier Tag im Jahr. Sie hatten genau fünf:
Der Geburtstag meiner Mama.
Der Geburtstag meines Papas.
Neujahr.
Hochzeitstag.
Und eben Valentinstag.
An diesen Tagen durften sie tun und lassen was sie wollten ohne, das wir sie anriefen und fragten wo sie blieben. Vierundzwanzig Stunden Ruhe von uns, kurz gesagt.

Eigentlich unternahmen wir zu viert früher etwas, aber das ging nun schlecht, wenn die beiden doch ein Date hatten und Erkan mit Lara und Lia was unternahm.
Sie musste Babysitten und verdonnerte Emin und Erkan dazu mitzumachen.
Alissa und Serdar trafen sich mit alten Klassenkameraden und somit blieb nur ich.
Theoretisch ja Kenan auch, aber der war nun der letzte mit dem ich was unternehmen wollte.

Die Prüfungszeit war vorbei!
Wir alle hatten bestanden und nun wartete mein ganzes, volles, zweitens Semester auf mich.
Somit blieb mir als Single an Valentinstag nichts anderes übrig, als zuhause zu bleiben und anzufangen zu lernen.
Super.

Grade als ich meine Sachen rausholte kam Baran in mein Zimmer und richtete seinen Pullover. Er sah auf meine Sachen und dann auf mich.

„Was machst du?", fragte er verwirrt.

„Was soll ich machen? Schreibe meine Bewerbung für ein Date für heute.", scherzte ich. Er schlug mir auf die Stirn und nahm mir mein Block weg.

„Nimm dir nh Jacke. Du kommst mit uns!", beschloss er. Ich? Mit zu einem Date von meinem Bruder und seiner Freundin? Mein Liebesleben war dem Erdboden gleich, ehrlich. Ich schüttelte den Kopf und griff nach meinem Block, doch er zog in zurück. „Versene." Er schüttelte den Kopf. „Ya versene!"
(Gib doch. Ja gib doch!)

[...]

Ich schürfte an meinem Softdrink und sah genervt zu Baran, der seinen Arm um Alinas Schultern gelegt hatte. Sie beide lachten und sie legte ihm Zuckerwatte in den Mund. Wir gingen zu dritt durch den Rummel und in meinem ganzen Leben hatte ich mich noch nie so ausgeschlossen und einsam gefühlt.
Ein weiterer Tiefpunkt in meinem Leben.

Sie stiegen auf sämtliche Achterbahnen und was nicht noch alles während ich immer wieder mit etwas Neuem zu essen davor stand und wartete.
Es war bloß lieb gemeint von ihnen. Ich schätze es, dass sie mich zu ihrem ersten Valentinstag mitnahmen, aber es war nun mal einfach beschissen für mich.

Ich setzte mich ins Riesenrad, sie ebenfalls, doch ich bestand darauf, dass ich alleine sein wollte. Es wurde mittlerweile nicht mehr so schnell dunkel. Momentan war es halb sechs und der Himmel dämmerte rötlich.
Mein Blick glitt über den Rummel.
Überall Herzen, überall Verliebte und einfach überall Liebe.
Ich sah in den Himmel und lehnte meinen Kopf gegen die Scheibe. Aus den Wolken versuchte ich etwas zu lesen, dabei kam meistens ein Baby oder ein Nilpferd raus, doch bei einem.. Ich könnte schwören es war ein perfektes K. Erschrocken zuckte ich hoch und schüttelte den Kopf.

Während ich vor mich sah kam ich unten an und stieg sofort aus. Baran und Alina waren oben und küssten sich bestimmt. Ich rannte förmlich aus dem Rummel und ging einfach umher. Schnell tippte ich Baran eine Nachricht, dass ich auf dem Weg nachhause wäre, doch wollte ehrlich gesagt einfach etwas Ruhe.
Durch die Prüfungen hatte ich auch das
nicht.

Langsam trappte ich zu den Schaukeln und setzte mich. Langsam schaukelte ich hin und her. Mit meinen Stiefeln streifte ich über das bisschen Sand und seufzte erschüttert aus. Zum Glück ging auch die letzte kleine Familie weg und ich war alleine.
Wenigstens etwas lief gut in meinem Leben.

Mein Blick schweifte hoch und ich zog tief die Luft ein. Behielt sie dann doch in mir als ich ihn plötzlich sah. Kenan. Am Straßenrand und zu mir sehend. Einen ganzen Monat gingen wir uns aus dem Weg und jetzt stand er hier. Zehn Meter vor mir. Ich ließ die Luft raus und schluckte. Würde er kommen? Sollte ich gehen?

Kenan schüttelte den Kopf und ging den Weg weiter. Das fühlte ich. Da fühlte ich grade so tief in meiner Brust, es schmerzte unglaublich wie enttäuscht er mich ansah und weiterging. Meine Tränen stießen hervor, aber ich hielt sie wieder in mir. Meinen Kopf senkte ich und ließ die Ketten los.

Es war doch scheiße.
Ob ich ihn liebte oder nicht war grade egal. Ich mochte ihn das auf jeden Fall und er war schon so ein großer Teil meines Lebens, dass ich es vermisste nicht immer genervt zu werden oder zu streiten. Ich vermisste unsere Streitereien.
Ich vermisste Kenan.

Plötzlich sah ich aus dem Augenwinkel wie sich jemand auf die Schaukel setzte. Sofort sah ich auf. Er sah geradewegs vor sich. Meine Mundwinkel zuckten kurz hoch, doch ich biss mir auf die Lippe und sah von ihm ab.
Kenan setzte sich neben mich, er ging nicht.
Eine Zeitlang herrschte absolute Stille zwischen uns obwohl ich doch so viel sagen sollte. So viel, doch auch wieder nichts.

„Wieso bist du am Valentinstag alleine?", durchbrach er die Stille. Ich zuckte mit den Schultern. Wo sollte ich denn sein? Er selbst hatte dich gemeint mein einziges Liebesgeständnis wäre seine Lüge gewesen, also wieso sollte es heute anders sein?

„Hatte Erkan doch keine Zeit?", fragte er verächtlich. Verdammt was wollte er bloß von ihm? Da lief doch nichts auf diese Weise.?

„Wie wäre es, wenn du sie Fresse halten würdest?", bat ich ihn schon fluchend und er zog kurz seine Augenbrauen hoch,„Außerdem sieh dich doch mal an! Wo ist denn deine Alissa? Ein Valentinstag würde sie doch nicht ohne dich verbringen wollen. Bist jetzt bestimmt grade auf dem Weg zu ihr gewesen und hast mich hier so alleine gesehen, da wolltest du doch mal kommen und noch erniedrigen stimmt's? Stimmt's Kenan? Du tust ja nichts anderes und das seit wir uns überhaupt kennen! Erst terrorisierst du mich und dann spielst du mit meinen Gefühlen! Nicht, dass da welche für dich übrig wären, aber weißt du es verletzt ein Mädchen schon, wenn man gesagt bekommt, dass man sich verliebt hätte was dann letztlich bloß eine Lüge gewesen sein sollte!"

Er sprang von der Schaukel auf und hatte seine Augenbrauen zusammengezogen. Genau das war es, was ich ihm sagen wollte! Das wollte ich ihm schon seit einem ganzen Monat sagen.

„Du bist weggelaufen nicht ich!", rief er fassungslos und warf die Arme in die Luft,„Weißt du es kränkt auch einen Jungen, wenn man jemandem sagt mal liebt diese Person und letztlich läuft sie einfach weg! Nicht, dass ich es damals ernst meinte, aber trotzdem!" Nun sprang ich von der Schaukel und stand genau vor ihm.

„Ich hatte Angst bekommen! Wie aus dem Nichts kam das und du hast mich so aufdringlich angesehen, da hatte ich Panik und bin weggelaufen!", rief ich genauso laut.

„Wärst du damals vor zweieinhalb Monaten nicht weggelaufen, dann wären wir heute-..", weiter kam er nicht, denn wir nahmen, wie aus dem Nichts, ein Weinen wahr. Wer weinte da?

Ich drehte mich um und zusammengekauert saß dort ein kleiner Junge hinter einem der Spielgeräte. Oh nein das arme Baby!

Ein Monat vergangen!
Was Kenan sagen wollte bevor das Weinen ihn unterbrach?
Was passiert mit dem Baby?

ALL I HATEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt