53|Eltern und ihre Kinder

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Warte was? Halb zwei? Fuck Baran!

~

Ich seufzte und sah über den Hof. Mir war gar nicht bewusst, dass man auch auf einen Teil des Daches der Universität konnte.
Hier waren einige Bänke und Pflanzenkästen.

Langsam ließ ich das Geländer los und lehnte mich gegen die Wand des kleinen Häuschens in dem sich die Treppen und der Aufzug befanden. Ich spielte mit meiner Wasserflasche und seufzte erneut bedrückt auf.

Die Sache mit Serdars Mutter brachte mich wirklich zum nachdenken. Nicht nur, weil es Serdar war.

Wie konnte man sein eigenes Kind so wenig lieben, dass man einfach gehen könnte und sich nie wieder mehr meldete?

Ohne meine Mutter oder meinen Vater konnte ich es mir nicht vorstellen. Beide waren so unglaublich wichtig für mich. Wie fühlte sich diese Leere nur an?
Das wollte ich auf gar keinen Fall erleben.

Die Tür neben mir ging auf und jemand kam hinein. Ich sah weiterhin nur auf meine Flasche und zog bedrückt meine Augenbrauen zusammen.

Mein Zopf zog ungemein an meinen Haaren. Der war so verdammt fest und ich wollte ihn einfach nur lösen, aber sie sahen heute so schrecklich aus und hingen in alle Richtungen.

Schmerzerfüllt fuhr ich mit meinen Fingern über meine Kopfhaut ohne meinen Zopf zu zerstören. Dabei glitt mein Kopf hoch und ich sah den Rücken eines Jungen, der mit vertieftem Blick, höchstwahrscheinlich in sein Telefon, auf der Bank vor mir saß, welche aber ein gutes Stück weiter vorne lag.

Er hustete und seine Stimme war wirklich sehr tief.
Sie klang aber schön.
Ich dachte mal er hätte mich nicht bemerkt. Mein Blick glitt zu seinen Schuhen.
Er hob seinen Kopf etwas und sein dunkelbrauner, schon fast schwarzer Schopf hing in alle Richtungen.

Er sah etwas an die Seite und ich erkannte ihn sofort.

„Das verstehst du also unter nie wieder mehr sehen?", fragte ich ihn und er zuckte kurz auf. Kenan drehte sich zu mir um und schwang seine Beine rüber um in meine Richtung zu sitzen.

Wie ich ahnte hatte er sein Telefon in der Hand und eine Wasserflasche. Ehe er etwas sagen konnte hustete er erneut.
Zum Glück wurde ich nicht krank nach seiner wundervollen Idee mich ins Schwimmbecken zu werfen.

Nun wurde er es.
Tja.
Karma.

„Das ist meine Uni, geh du mir doch aus dem Weg.", gab er in einer kratzigen, doch wirklich anziehenden Stimme von sich.
Er klang wirklich gut, obwohl er doch krank war.
Ich klang einfach nur bescheuert, wenn ich krank war.

„Das ist nicht deine Uni, Kenan.", versuchte ich ihm mal wieder klarzumachen, aber er blieb immer noch so stur und zuckte desinteressiert mit den Schultern. Kraftlos stützte er seine Ellbogen an seinen Knien ab und bückte sich somit vor.

„Deine Haare sehen heute so anders aus.", fiel ihm auf. Sofort legte ich meine Hand vor sie und schnaubte auf.

Man.. Sie waren einfach nur schwer zu bändigen, weil ich gestern schlafen gegangen war ohne sie zu föhnen.

„Achtest du etwa auf meine Haare?", fragte ich mit zu Schlitzen gezogenen Augen.

Er sah von meinen Haaren in meine Augen und diese Lustlosigkeit musste man wirklich einfach spüren können.
So leblos.
Als würde er keine Seele haben. So eine Kälte brachte er rüber.

„Nein, aber es fällt sehr auf, wenn sie plötzlich so hässlich und fettig sind.", beleidigte er meine Haare. Ich sah ihn beleidigt an und nahm meine Hand von meinen Haaren.

„Sanki senin Saçların dünya güzeli gibi oturuyorlar!", sprach ich seinen Vogelnest an. Er zuckte wenig interessiert mit den Schultern.
Jegliche Farbe war aus seinem Gesicht. Er war einfach nur blass wie ein Vampir.
(Als ob deine Haare wie die Weltschönsten sitzen!)

Ich verdrehte meine Augen und sah an die Seite. Meine Gedanken landeten wieder bei Serdar. Er schien immer so sorgenlos, aber eigentlich war er so gebrochen.
Es machte mich so wütend, dass ich gestern nichts sagen konnte.
Ich konnte ihn nicht trösten oder aufmuntern.

„Woran denkst du?", fragte Kenan.

„Sana ne?", gab ich genervt von mir.
(Was geht dich das an?)

Ich sah ihn wieder an und er verdrehte seine Augen. Er hustete erneut und fuhr sich durch seine Haare. Ich seufzte. Er stand auf und steuerte wieder auf die Tür zu.
Kenan war wirklich recht dick angezogen, dafür, dass es ein sonniger Herbstanfang war.

„Ich-..", fing ich an und Kenan legte seine Hand auf die Tür, doch zog sie nicht auf,„Ich verstehe nicht wie Eltern ihre Kinder nicht lieben können." Ich sah zu ihm hoch und zog meine Beine an meinen Körper.

Kenan schien traurig, doch seine leblosen Augen sahen weiterhin auf den Türgriff, daher war es wirklich schwer sowas zu behaupten.

Langsam ließ er den Türgriff los und setzte sich neben mich auf den Boden. Wir beide sahen auf unsere Wasserflaschen.
Sollte ich weiterreden?
Ich tat es einfach.

„Das sind doch die eigenen Kinder. Das eigene Fleisch und Blut. Sollte man sie dann nicht lieben und wie einen Schatz behandeln?", fragte ich einfach hinaus ohne eine Antwort zu erwarten. Er öffnete seinen Flaschendeckel und drückte diesen wieder zu.

„Wieso sollten sie? Nur weil sie deren Fleisch und Blut sind heißt es nicht, dass sie eine emotionale Bindung zueinander haben.", entkräftete er,„Zum Beispiel Adoptivkinder. Sie lieben die Menschen, die sie aufnehmen doch auch irgendwann. Nennen sie auch ihre Eltern obwohl sie weder deren Blut noch Gene in sich tragen."

Ich war wieder sprachlos und wusste nicht was ich sagen sollte. Mein Blick glitt zu ihm. Er hatte seinen Kopf an der Wand angelehnt, doch sah weiterhin zur Flasche.

„Was ist mit deinen Eltern?", fragte ich ihn. Er drehte langsam seinen Kopf in meine Richtung und ich drückte etwas mehr gegen meine Flasche.

„Was soll sein?"

„Naja.. Also.. Habt ihr ein typisches Eltern-Kind Verhältnis oder bist du auch irgendwie.. zurückgelassen?", fragte ich rücksichtsvoll und wollte nicht gemein klingen.

Seren und Kenan reden ganz normal?
Wie lange das jetzt wohl hält?😈😈
Würde mich sehr über Kommentare und Votes freuen

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